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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 5.1900, Band 2 (Nr. 27-52)

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Nr. 38 (??. September 1900)
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https://doi.org/10.11588/diglit.3411#0197
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Nr. 38

JUGEND

1900

Pessimistische Gedanken

von Karl Römer

Mir dem Ausdrucke „schließlich sind wir
ja auch nur Menschen" wollen wir meist
entschuldigen, wie sehr wir nur Thiere sind.

*

Gemeine Gesichter kommen uns immer be-
kannt vor.

*

Nach einem Schutzzoll gegen das wahre
Talent, gegen den Geist, schrie die Mittel-
mäßigkeit, — da riefen ihre Führer die Be-
lchcidcnhcit als Tugend aus und forderten sie
vom Rünstler.

*

wieviel Schutt, Bauabfall, Schmutz und
Scherben werden doch abgcladcn und aufge-
thürmt, um die feste Grundlage für eine neue
Straße zu bekommen. Dieser Gedanke hat et-
was unendlich Tröstendes in 2lugcnblickcn, in
denen man an einer besseren Zukunft unserer
Rultur verzweifeln mag.

*

Ein weißer Nabel Seltsam, — in der Nähe
gesehen ist er doch ganz verflucht gesprenkelt
und scheckig.

»

Die Gerechtigkeit ist ein altes Weib, das
mißtrauisch »achwicgt, ob auch jeder Mensch
genug Elend mitbekommen har auf de»
Lebensweg.

»

Du sagst, du hättest nun das Ideal deines
Lebens in dieser doch gefunden, — du irrst,
— du bist müde geworden und hast das Ideal
deines Lebens auf diese da hcrabgestimmt.

4fU

De Bischof un de paster

(6tue plaltcleukscbe Scbnurre)

t'was cs n'pastcv, de ston» met sine Ge-
meine op kenn god'n Faur, un rwce Buren,
de »'ganz besonnet'n pick op em haddn, gewcn
ein bi'n Bischof an. Do lcit de Bischof uscn
pastcr tau sick komcn. Sagg de Bischof:
„Mein lieber Herr Pastor, Ihre Gemeinde
hat sich über Sic beklagt, was ich sehr be-
dauern muß. Sic sollen sich nun über vier
Punkte, die mir mitgcthcilt sind, verantworten."
Trock de pastcr ut sine Rumptasch'^) n'grot
Stück Rricde un inakde domct veer lange
Striche op den Bischof sincn Disch.

„Erstens" sagg nu de Bischof, „behauptet
man, daß Sie jeden Sonntag dasselbe predigen."
„Dat cs nich wahr," rep de pastcr, „dar cs
gelogen!" Do makde de Bischof ne Dohr
loß, un herin kwämcn Iandirk un Lasper,
de beiden Angcwers. „Meine lieben Leute,"
sagg de Bischof, „Ihr habt mir geklagt, daß
Euer Herr Pastor an allen Sonntagen dasselbe
predige; ist das wahr?" „Io," kam dar ut

>) westen rafthe.

de beiden. Do sprung de pastcr op Iandirk
tau un rep: „Dann scgg mi es, Iandirk, war
heww' ick vör'gcn Sundag preddigr?" — „Iä,"
sct Iandirk, un bedachd.c sick n'bctken, „dar
kann'k so op n'Ggenblick nich scggcn." „Un
Du, Lasper?" — „Dar kSnn'k jo woll scggen,
awwcr ick heww' dat so foarrs nich op de
Riege." „Seihn Sc nu, Herr Bischof," rep
de Pastcr, do mott ick nu den negstcn
Sundag w i c r d a t se l w c p e c d d i g c n." —
Do moß' de Bischof hccmlich lachen, un Ian-
dirk un Raspcr wörd'n entloten. De pastcr
awcr nahm sincn Finger un puyte cncn van
de veer Rricdcstriche op den Bischof sincn
Disch ut.

„Zweitens," sagg nu de Bischof, „sollen
Sic das Brevier nicht beten, ja, man behauptet,
daß Sic sogar nicht 'mal cin's besäßen."
„war!" rep de pastcr, „ick kccn Brevier?
Wat cs dann dir?" Domct trock he ut sine
Tasche »'schön nick Brevier, war he sick dcn-
sclwcn Morgen, as he in de Stadt komcn
was, kofft hcdde. De Bischof nahm dar Bre-
vier, bläddcrte do so n'bcttken drin herum
un sagg: „2lbcr Herr Pfarrer, das ist ja
noch so rein?!" Rep de pastcr: „n'Swin
cs n'Swin, minc Sake» mot reine sie»."
De Bischof wuß nu dorup nicks tau scggcn
un usc pastcr puyte mcr sincn Finger taun»
twcddcn Mol »'Strich van den Bischof sincn
Disch.

„Zum Dritten," sagg de Bischof, „beklagt
man sich darüber, daß Sie beim Taufen solch
merkwürdige Zeremonien machen." „Dat'k
nich wüßtl" mcindc de pastcr. „Dann lassen
Sic uns einmal die Probe machen." Domer
geng de Bischof an sincn Ranapcc un nam
do so n'Ding, war me 'ne Schlummerrolle
näumen beit, un logg se sick op'n Arm. De
pastcr seng nu an, allerlei Spargizzctst) öwer
dar Ding tau maken, bis de Bischof rep:
„Aber Herr Pastor, was sind denn das
für Zeremonien?" „Awcr Herr Bi-
schof," gaww cm de pastcr t'rüggc, „war
cs denn dat ok för'n Lind?" Dorup
wuß nu wier de Bischof nicks tau seggen,
un de Pastcr putzte met sincn Finger den
drüddcn Rriedestrich van den Bischof sincn
Disch.

„Der vierte Punkt," fcng de Bischof wier
an, „ist ein sehr heikler. Es ist mir nämlich
gesagt worden, daß Sic mit Ihrer Röchln,
hm — na, daß Sic Ihre Röchin ein wenig
zu lieb hätten." „Wat? ick mitte Röcksche
rau leiw?" rep de paster un schlog op den
Disch, „dar cs nich wohr. Ne, Herr Bischof,
dar will ick Sc bewiesen. Nehmen Sc minc
Röcksche, dann nchm i ck Ehre." „Nein, nein,
ich will Ihre Röchin nicht, und überhaupt,
was soll das alles?" eriferde sick de Bischof.
„Nu seihn Sc, Herr Bischof, nu seihn Sc,"
iach'dc do de pastcr, „Se hcwwt Ehre
Röcksche noch lciwcr, as ick de minc."

De Bischof merkde nu woll, dar regen
uscn pastcr nich antankommen weer; he moß
'de taulcyr selwer lachen un cntlcit unsen
pastcr. As de all in de Döhr was, rep em
de Bischof no: „Herr Pastor, Sic haben hier
noch einen Strich vergessen." „Ne," sagg de
pastcr, „de Strich, de es för Se." Domct
geng he ur de Döhr. saxo

») Lächerliche Bewegungen.

640

3m Zeichen des Verkehrs

(Line wahre Geschichte)

Ein Mann kam auf. seinen Reisen auch in die
Residenz eitles norddeutschen Großherzogthums

„Iessas, ölessas, 1 bab

und war nicht wenig verwundert, in dem ziemlich
langgestreckten Neste nichts von einer Straßenbahn
zu ctltdeckcn. Er befragte wegen dieses fühlbaren
Mangels eilte» biederen Bürger der fraglichen
Stadt und erhielt folgetide Auskunft:

„Ja, sehet! Sie: wir haben hier auch 'ne Pferde-
bahn gehabt, ja; aber sehen Sie: wenn einer vom
lhof daritt saß, dann konnte kein andrer einsteigen,
lind wenn ein andrer driti saß, dann kottnte wieder
keiner vom Lose mitfahren. llnd so ist die Bahn
schließlich wieder cingegangen, verstehen Sie?"

Der Fremde versicherte nach 32 Sekunden, daß
er verstehe; aber die großen Augen und der offene
Mund straften diese Versicherung Lügen.

J. de «.

Uebersehungskünste

Accurrunt servi, soccos detrahunt. (Terenz)
Die Diener eilen herzu und ziehen die Socken ab.

Lunt homines varura curiosi. (pliniu-.)

Es gibt Menschen, die von Natur curios sind.

Lrescevtem seguitur etwa pecuniam.

Die Erescenz wird voti pecuniären Sorgen ver-
folgt- ,_

Sempronius senes erat pergratus.

Semxronius war eilt alter Bergrath.

Rebus difficilibus ne aegrescito!

Aergere Dich nicht über den schwierigen Rebus!

Principiis obsta, nam minus malum facilius
coercebis quam ntaius.
widerstehe den ersten Anfängen; denn einen
kleinen Apfel wirst Du leichter bezwingen,
als einen größeren.

Ingressis militibus tanta fuit Pertinax constantia,
ut ne habitum oris quidem mutaret.

Als die Soldaten in's Zimmer traten, zeigte
Pertinax eine solche Selbstbeherrschung, daß
er nicht einmal das Beinkleid wechselte.

Nullam unquam vidi tantarn, quanta nunc vesf-
rurn est. (Cicero.)

Nie sah ich (noch) eine Tante, wie die Eure ist.
Register
J. de G. J. d. G.: Im Zeichen des Verkehrs
Max Feldbauer: Betrachtungen des Herrn Josef Seraph Hunterhuber
Karl Romer: Pessismistische Gedanken
[nicht signierter Beitrag]: Übersetzungskünste
Saxo: De Bischof un de Paster
 
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