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1900

J U GEN D

Nr. 39

Wagner-Mltarch

PKit Zeichnungen von Arpad Schmidhammer)

König Ludwig trug feinen Liebling Wag-
ner auf den Händen. Darob wurden die Lan-
dcskindcr eifersüchtig und Wagner mußte sich
auf die Füße machen.

Hierauf sprach er zu Vülow:

„Sag d u den Münchnern per Gelegenheit,
was ich von ihnen denke!"

Und Bülow erwies ihm die Gefälligkeit.

Frau Losima beabsichtigte einst, gründlich
zu stöbern, Wagner hingegen tonzudichten.

Da nun seine Gegenvorstellungen nichts
fruchteten, steckte er sich hinter seinen Schwie-
gervarer.

Dieser ließ sofort den ganzen Nachmittag
auf dem Llavier seine weihevollen Offenbar-
ungen ertönen, sodaß Losima verzückt lauschend
stehen blieb und das Reinemachen vergaß.

„Sehen Sie," lächelte Wagner zu von
wolzogen, „was nicht mit Gewalt geht, gehr
mit Liszt!"

Als Wagner in jungen Jahren mit einem
Freunde künstlerische Stoffe besprach, äußerte
er, daß ihm hauptsächlich die Mythe im Ropfc
umgehe.

„Das glaub' ich!" dachte sich seine Haus-
wirrhin, die eben Blicmchcn auftrug, und über-
reichte ihm die dreimonatliche Rechnung für die
Zimmermiethe.

Bei den Proben war Wagner ziemlich reiz-
bar, was die Rünstler dem hochverehrten Mei-
ster aber nicht übel nahmen.

An einem heißen Iulitagc rief er zu einem
derselben, der ihm etwas nicht zu Danke ge-
macht hatte, in's unterirdische Orchester hin
unter:

„Das ist ja nicht zum Aushalten!"

„In Hcmdärmeln schon!" sagte der grmüth-
lich und zog seinen Rock au«. *

Gelegentlich einer Reise wohnte Wagner
in einer Provinzialstadt einer herzlich schlechten
Mcistersingcrvorstellung bei.

„Sic scheinen von dieser herrlichen Musik
nicht sehr entzückt zu sein!" schnauzte ihn ein
Herr an.

„Ich bin Sie Wagnerianer, mein Lutester,"
seufzte der Meister.

An Medard!

© Wagner! wirklich wonnig und verwundert,
Zn starkem Staunen steh' ich vor Dir da,

Du Dichterkomponist, wie das Jahrhundert
Ja sonder Zweifel keinen Zweiten sah!

Zwar gab's genug der Dichter, doch die dachten:
Musik macht mir ein anderer wann dazu!

Und manche Musiker auch, jedoch die machten-
Fast niemals Verse, fein und forsch, wie Du!

Du aber konntest Eines und das Andere —

Das sind' ich fürder nicht, wie weit ich wandere-!

Und drittens als Dramatiker erwiesest
Du kolossale Kunst, wie Keiner inehr;

Zum Zukunftskunstwerk lichte Wege ließest
Du Deine Schüler schauen, schön und hehr!
Bereichert hast beträchtlich Du die Buhne,

Als Regisseur, o Richard, ganz genial!

Die Wandeldekoration, die kühne,
hast Du erfunden für den Parsifal!

Und überhaupt: was warst Du als Aesthctiker —
Theils durch die That und theils als Theoretiker!

was glich wohl meinem Glück, wenn ich am Abend
Den lieben Lohcngrin mir hörte an,

Der, g'rad vom Grale hohen Auftrag habend,
Zum Schutz der Schwachen schwamm mit seinem

Schwan!

Mich setzte Llsa's Sehnsucht recht in Rührung,
Die gar nicht wußte, wie sie hieß, genau
Und schließlich — schlupp! — in Folge von Ver-
führung

Zur wittwe wurde, eh' sie ward zur Frau!

Und wenn der Recke dann, so riesig ritterlich
Retour gereist ist — o, wie weint ich bitterlich!

Thannhäuser hat mich wieder recht ergriffen,
Ugd, knapp noch Isnabe, Hab ich herzlich gern
Empfindsam schon den Linzngsmarsch gepfiffen
Und Wolframs weise an den Abendstern!
wie mich die Pein der süßen Senta packte,

Die blind vernarrt war in den bleichen Mann,

wie bebt' ich bang, wenn der im letzten Afte
„Dich frage ich —" tut Bariton begann!

Und wenn sein Schiff dann scheinbar ganz zer-

splitterte —

Wie scheußlich dieser Unfall mich erschütterte!

Gar gern auch sah wogliude und wellgunde
Ich mit Floßhilde in des Rheines Fluth;

Da fand ich Formen, fabelhafte, runde
Und das gefiel mir ganz besonders gut!

Und die Walküre hat mich, wie das Rheingold,
©b ihres Feuerzaubers früh erfreut;

Ich zahlte ohne Zögern mehrmals mein Gold,
Rief man zum Ring die Biedern nach Bayreuth!
So sah ich Siegfried bei des Säbels Dämmerung
Und zog zuletzt zur diistern Götterdämmerung!

was hier dem Laien schien wie Hieroglyphen,
Das kostete mich kaum ein Lächeln nur:

Ich lauerte mit Lust nach Leitmotiven,
Umschlang im Schlummer noch die Partitur!
Hört ich die Festsxielhornfanfaren schmettern,

So stog ich flink im flüchtigsten Galopp;

Blind trug ich Treue den „Bayreuther Blättern"
Und wiedersprach wo wer, so ward ich grob.

Der Meister selbst hätte milde mir beinah einmal
In Huld die Hand gereicht, als er mich sah einmal.

Und Parsifal, der doch der pure Thor war,
wie riß er hin, der reine Ritter, mich!
Wenngleich der Tugendreiche ein Tenor war,

Der von Figur schon fast dem Falstaff glich!

Für Blumenmädchen macht' ich blos mehr

schwärmen,

Hab' schwere Mengen Blumen mir gekauft,

Und meine Köchin, mochte laut sie lärmen,

Die Hab' ich kalt in „Kundry" umgetauft I —

Doch alle andere Musik für Mist ansah

Ich, als in München trunken ich den Tristan sah!

von 6— ;2 Uhr schwamm ich da in Schwermuth,
Iedoch zugleich in Wonne, wundervoll —
wie holden Honigseim, gemischt mit Mermuth,
So sog ich selig ein so Dur, als Noll!

Mein Vordermann bekam fast nasse Füße
Von meiner Thränendriisen fliiss'ger Fluth,

So schlich sich dieser theuren Töne Süße
Mir, sozusagen, sehrend in das Blut!

Da capo! schluchzt' ich, als der Schluß vorüber

war —

Iedoch umsonst — was ja den Leuten lieber war!

Soviel Vergnügen dank ich Deiner Dichtung,

© Richard, Riese, reich an rechtem Werth!

Drum Hab' ich heut', im Stile Deiner Richtung
Stabreimend, diese Verse Dir verehrt.

Guckst Du herab von Walhalls goldnem Stuhle,
So sage nur mit Stolz: „Ich habe nicht
Umsonst geschaffen, nein! Noch mach' ich Schule.
Das zeigt dies hübsche Huldigungsgedicht!
wie freut's mich, Wotan, daß ich einen weiß,

der schafft

Im selben Sinn, wenn auch mit minderer

Meisterschaft!

Biedermeier mit ei

6s 7
Index
Plutarch [Pseud.]: Wagner-Plutarch
Biedermeier mit ei: An Richard!
Arpad Schmidhammer: Illustrationen zum Text "Wagner-Plutarch"
 
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