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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 5.1900, Band 2 (Nr. 27-52)

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Nr. 42 (??. Oktober 1900)
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Nr. 42

JUGEND

1900

6erg!ieä

(Zum (Titelblatt dieter Nummer)

Muthig lieh' ich aus dem Gipfel,

Schlank und aufrecht, stramm und fest —
wie ein goidner Riefenkipfd
Sinkt die Sonne tief im West!

Immer röther, immer bunter

Aird das Lichtnetz, das Ne spinnt —

(8 Dhr 20 geht sie unter,

Dnd die Dämmerung beginnt!)

Leid)te Sommervögel tanzen
Liebertoil um mich herum.

Rings erblüh'n alpine Pflanzen,

Enzian und Lnaphalium!

weit, Du warst mir nie so sdznuppe
Rühn, in stolzer Einsamkeit,

Steh' id), wie auf dieser Ruppe,

Huf der Zinne meiner Zeit!

was sie bringt an weh und Zubel,

'Ihr Getriebe mannigsalt,

Aktienkurse, Dörsentrubel —

Ach, das läht mich meistens kalt!

Lächelnd schau' ich in der Ciese
Zenem Rribbelkrabbel zu
Hur der Dogelperspektioe
Deberlegner Seelenruf)!

Sähe, liebe Dlüthen schaukeln
Sid) im Hbendwind um mich,

Huch verliebte kalter gaukeln,

Oft noch um dies biedre Id)!

Ivenn sich so um meine Sohlen
Duft und Lidzt und Liebe schmiegt,

Rann die Welt mir sonst gestohlen
werden, wie sie drunten liegt!

Biedermeier mit si

Mhnerjcrgd

Von

Union Freiberrn v. Pcrfall

prrrr! Ich vergesse nie den Augenblick, in dein
ich es zmn ersten Male gehört, sinnverwirrend,
bluterstarrend; in den: ich es zum ersten Male
vor mir aufwirbeln sah aus dem Klee, eine
surrende, braune Molke. Line ganze Kette von
Vorstellungen läuft für mich von da aus bis in
die Gegenwart. Unzählige braune Wölkchen steigen
auf, da und dort, immer wieder ertönt das nerven-
erschütternde Prrrr - bald aus weiter Ferne,
bald ganz nahe, aber das Bild ist jedesmal ein
anderes, das es in meinem Hirn erzeugt, und je
ferner es eingehakt ist in der endlosen Kette, desto
mehr drängt sich in den Rahmen.

Da gibt es von der Sonnenhitze ganz ausge-
dörrte, bei deren Anblick schon der Gaumen brennt,
dann wieder welche voll Frische der Farbe, wie nach
einem befruchtenden Gewitterregen; einförmige,
wie eine Pappelallee von gähnender Langeweile,
und dramatisch Bewegte, voll des Erlebnisses.

Wer die Wahl hat, hat die 6)uäl. Sie kennen
ja zur Genüge den Galerienkoller. Ich greife auf
gut Glück zu, ehe er mich erfaßt.

Das Schloß ist alt, so etwa soo Jahre haben
daran herumgeflickt und diese Stillosigkeit erzielt,
die uns verstilisirte Menschen so heimlich anmuthet.

Auf deni Eorridor, an dessen Wänden nachge-
dunkelte, von einem grauen Retz von Sprüngen
überzogene Bilder hängen, Männer mit mächtigen
Doggen und Bluthunden, Damen mit rothbebän-
derten Möpsen, wartet der freiherrliche Förster mit
einer schwarzen, langhaarigen Engländerin und
einem braunen, stockhaarigen Deutschen an der
Leine; ein kleines vergilbtes Männchen, mit einem
martialischen weißen Schnauzbart, die Ergebenheit
eines halben Jahrhunderts iit dem vcrwettcrten
Gesichte. — Die Hühnerjagd ist gestern auf-
gegangen. —

„Na, wie steht's Jost?" fragt der alte Frei
Herr, sich den Kaffee ans dem Schnurrbart wischend.

„Net schlecht, Euer Gnaden, auf 'n Hegcwanger
Feld a drei a vier Kitt'n, im Blanmoos a so was,
in die Krautgart'n war i no net, wenn f' mag,
kann's net fehl'n."

Ein thaufrischer Morgen, der Schweiß der Nacht
perlt an den Halmen.

Im Gehölz, das wir durchschreiten, kreischen
die Nnßhäher, gurren, in den Wipfeln der Tannen

verborgen, die Ringeltauben; im ockerbraunen
Bach schnalzen die Fische. Nur eine Stunde ge-
hört noch dein Leben, dann beginnt der bleierne
Traum der Sonncnglnth.

Das Hegewangerfeld ist erreicht, in die ver-
schiedenen Farben der Feldfrucht gekleidet. Die
gelben Stoppelfelder hauchen frischen Erdgeruch
ans, dazwischen leuchten Streifen rothen Klees,
während die endlosen Furchen der Kartoffelfelder
in philiströser Regelniäßigkeit Hügel Äuf, Hügel ab
laufen. Da und dort eine blumige Wiesenmnlde,
grüne Haselnuß- und Weidenbänder, welche die
Hoffnung nach Schatten und Wasser nicht ganz
ersterben lassen; nur der Haber steht noch und
reibt klirrend die Halme im zarten Luftzug. - -
Da und dort ein rothcr Rock, ein blendend weißes
Kopftuch, das wetzen einer Sense.

Im Hintergrund, am Walde angelehnt, das
Dorf, heimlich zusammengeschmiegt, zwischen Mbst-
bäumen eingeschlafen, nur der Kirchthurm wacht
und sieht mit seinen weitgeöffnetcn Augen unter
dein braunen spitzen Hut in die friedliche lvelt
hinaus.

Jetzt beginnt die Arbeit. —

Teß, die Engländerin lechzt schon in nervöser
Ungeduld, während Tello die Sache kühler nimmt
und nur stillvertranende Seitenblicke auf Jost, seinen
Herrn, wirst.

wir theilcn uns, es geht nicht anders mit den
Beiden. Tello verliert seine Gründlichkeit beim
Anblick der englischen Hast, Teß ihren weiten Blick,
mit dem sie in, Nu das ganze Terrain sich zu
eigen macht, beeinflußt von den engen Kreisen
Tello's, der keinen Blick von seinen, Herrn verliert.

Ich gehe mit Jost und Tello.

Ein Kleefeld liegt vor uns, ein rothgefprengeltes
Geheimniß.

Tello steht schon in apoplektischer Starre, nur
seine Lefzen zittern, und ein schielender Blick schweift
zu »ns herüber.

Die Spannung ist jetzt frisch wie der junge
Tag. — Ein guter Vorsatz wird gefaßt.

,,'nansstreichen lassen, nicht batzen."

Der Finger schleicht „in den Drücker.

„Avance I" — lieber Tello's Rücken läuft ein
Zittern — dann ein Rumpler, der mir durch alle
Nerven geht, ein Hase spritzt heraus.

Tello sieht „ns fragend an.

„Nix! Pfui Haas!" brüllt ihn Jost an. weiter!
Alles nimmt ein Ende, auch der endlose Klee,
obwohl Tello ihn „,» keinen Preis verlassen will.

Beim Freiherrn hat es schon zweimal geknallt
und Teß revirt schon weit voraus.
Register
Anton Frh. v. Perfall: Hühnerjagd
Margarethe v. Brauchitsch: Vignette
Biedermeier mit ei: Berglied
 
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