Nr. 43
JUGEND
1900
Bitte lesen!
£ Aufforderung
E rum Abonnement auf die Zeitschrift
- Der Krititkritiker
Vornehmstes Organ des 20. Jahrhunderts
ftir
RiinftkrTtTkerkritik und Rritikkritikcrkunft
lferaurgegeben
fritj Pfeffer
Euer Hochwohlgeboren!
In verflossenen Tagen, die von sonderbaren
Schwärmern manchmal als die glücklichsten gepriesen
werden, blühte bekanntlich das holde Pflänzlein der
Kunst nur an vereinzelten Orten, wo es zufällig seine
Nahrung fand; hie und da am prunkenden Hofe
eines feinsinnigen Fürsten, in der Stille einer Kloster-
zelle oder im Dachstübchen eines Handwerkers. Ragen
auch ausjenenhalbbarbarischenZeiten gewisseSchöpf-
ungen wie Pyramiden in die Neuzeit herüber, so muß
doch der damalige Zustand der Kunst im Allgemeinen
als ein jämmerlicher bezeichnet werden.
Das kommt daher, daß damals noch nicht die
Kritik existirte, jene getreue Begleiterin und Füh-
rerin, an deren bald milde leitender, bald gestreng
drückender Hand die schüchterne Kunst erst die holp-
rigen Pfade des Lebens wandeln lernte. Denn wie
der Pfarrer vermittelt zwischen Gott und den Men-
schen, also steht auch der Kritiker als nothwendiges
Zwischenglied zwischen Künstler und Publikum und
man kann wohl sagen: Ohne Pfarrer keine Religion
und keine Kunst ohne Kritiker. Woher sollte auch
der Mensch wissen, daß das, was er sieht oder hört,
Kunst ist, wenn er es nicht am andern Morgen ge-
druckt in der Zeitung lesen kann?
Wie ungemein segensreich die Kritik seit ihrem
ersten Austauchen auf Publikum und Künstler gewirkt
hat, ersieht der fragende Blick des Forschenden mit
Leichtigkeit aus den Biographien fast aller großen
Künstler der Vergangenheit und Jetztzeit, sowie aus
den Gesprächen des Publikums in Kunstausstellungen
und beim ästhetischen Thee.
Allein in neuerer Zeit ist im Wesen der Kritik eine
bedeutsame Wandlung vor sich gegangen. Mehr und
mehr verschwindet die Bedeutung des Kunstwerks an
sich vor der oft glanzvolleren und gewaltigeren krit-
ischen Schöpfung,, zu der es den Anstoß gegeben
hat: mehr und mehr finden sich Leute, deren eigent-
licher Kunstgenuß erst dann beginnt, wenn sie eine
Kritik lesen — ja, viele begnügen sich überhaupt
mit diesem Genuß und heben so ihre ökonomische
Lage durch Ersparung zahlreicher Eintrittsgelder.
Mit dieser Entwicklung aber von einer Führerin
der Kunst zur selbständigen Künstlerin ist
nunmehr die Kritik in dieselbe hilflose Lage gekommen,
wie einst die Kunst selbst. Sie bedarf daher einer
Leiterin, Hüterin, Erzieherin und diese soll ihr nun
geschenkt werden in der neuentstandenen Kritikcr-
kritik. Denn woher soll der Mensch wissen, was
vollwcrthige Kritik ist, wenn er es nicht irgendwo
gedruckt Nachlesen kann?
Da der Gang der Entwicklung schnell schreitet,
eine Eigenschaft, welche nach Schiller auch dem Un-
heil zukommt, so wird dereinst die Kritikerkritik,
ebenfalls zur selbstständigen Kunst geworden, bald
wiederum einer Führerin bedürfen und diese müßte
ihr in der Kritikkritikerkritik entstehen — allein dies
für das 30. Jahrhundert.
Nun ist zwar eine gewisse Kritikerkritik stets geübt
worden, aber nur gelegentlich, hie und da, am
Stammtisch einiger Künstler und Philosophen, und
dieser Popularkritikerkritik verdanken wir eine reiche
Terminologie, wie z. B. die Worte: Kunstlausbub,
Atelierwanze, Schnodderschnauze, Dr. Hinterstich,
Preßpirat, Giftmichel; eine gewisse Kritikerkritik liegt
auch in jenem Schreiben eines bekannten Künstlers,
das er einem Kritiker zugleich mit einem Pferde-
lotterieloos zuschickte und welches lautete:
„Hoffentlich versteht das Roß, welches Sie mit
beifolgendem Loos gewinnen können, mehr von der
Kunst, wie Sie;" — allein aus diesen mehr allge-
meinen Bezeichnungen und versteckten Anspielungen
wird die neuentstandene Kritikerkritik nur wenig
Nutzen ziehen können. —
Ihre Aufgabe ist es vielmehr, mit den Kritikern
ganz so wohlwollend und objektiv zu verfahren, wie
die Kritiker mit den Künstlern.
Sie hat zunächst die Leistungen der Kritiker
unter die Loüpe zu nehmen, auf ihren Gehalt zu
prüfen, den Quellen ihrer Entstehung nachzugehen;
dann aber auch die Persönlichkeit des Kritikers ins
rechte Licht zu rücken und biographische Skizzen ein-
zuflechten.
Unser Blatt setzt sich also aus kritischen Kritik-
bcsprcchungen und kritikkritischen Betrachtungen zu-
sammen; wohlgelnngene Photographien werden dem
Leser den Genuß des Anblicks hervorragender Kriti-
kerstirnen verschaffen. Zahlreiche Künstler, die ein
warmes Interesse an einzelnen hervorragenden Kriti-
kern nehmen, haben bereits ihre Mitarbeit zngesagt.
Nachstehend einige Text- und Illustrations-
Proben:
1) Unsere heutige Ab-
bildung zeigt den berühmten
Kritiker Au g u st in Sie ch e r,
den Verfasser jener grandio-
sen Kritik über das einaktige
Trauerspiel des hosfnungs-
v ollen Dramatikers Anton
Käsbohrer, infolge deren der
junge Poet sich mit Rattengift
entleibte. Augustin Stecher
ist geboren zu Pickeburg bei
Meuchlin in Hinterpommern
als der Sohn eines Seifen-
sieders. Aus seiner frühesten Jugend ist nur wenig
Wichtiges bekannt geworden; nur eine reizende kleine
Episode sei der Kuriosität halber hier mitgetheilt.
Ein Augenzeuge erzählt, daß der kleine Augustin
einst mit seinen Kameraden wettete, wer von ihnen
718
den Mund am weitesten anfmachen könne, ohne mit
den Wimpern zu zucken. Hierbei siegte nun Augustin
unbestritten um 2 Fingerbreiten und sein Lehrer, ein
früherer Dramatiker, soll darauf zu ihm gesagt
haben: O, Augustin, aus Dir wird einmal entweder
etwas sehr Gutes oder ein Kunstkritiker! —
Anfänglich widmete er sich dem Berufe der Seifen-
siederei, ohne indessen darin seine volle Befriedigung
zu finden. Sodann war er in völliger Verkennung
seiner Veranlagung eine Zeitlang in Lyrik, Dramatik,
Musik und Malerei produktiv thätig. Erst die Er-
kenntniß seiner vollständigen Talentlosigkeit für alle
diese Dinge lenkte ihn ans richtige Pfade: er nahm
eine Stelle als Kritiker an der „Mcnchliner Zeitung"
an, in der er noch jetzt seine furchtbare Thätigkeit
entfaltet.
2) Besprechung über die Besprechung der
Aufführung der Huber'schen Eleonore-
symphonie von Dr. A. Meier durch Dr. B.
Mayer:
Eine starke Begabung, anscheinend, dieser neue
Musikkritiker! Wir hatten, offen gestanden, noch viel
weniger erwartet, als wir das Käseblättchen in die
Hand nahmen. Aber gleich der erste Hieb auf Huber
sitzt. „Wir sehen ganz davon ab," heißt es, „wie
dieses Werk eigentlich beschaffen ist; wir fragen uns
nur, woher nimmt dieser junge Mann, Namens
Huber, das Recht, die Wände dieses Saales, die sonst
nur von den Schwanengesangsmelodien unserer un-
sterblichen Meister (Beethoven und Mozart z. B.) ge-
streift lverden, mit seinen Tongebilden zu verunrein-
igen?" — das ist fast genial! Einen Tadel seiner
Composition kann der Componist allenfalls verwin-
den — aber ihm das Recht bestreiten, sein Werk er-
tönen zu lassen, das ist neu und eröffnet Perspek-
tiven. Leider befriedigt uns die Fortsetzung der fAitik
ungemein wenig. „Bei dem Adagio, wo ein Geigen-
solo geschmeidig ivie ein heller Molch auf dem dunkeln
Moos der Bässe einhergleitet, geriethen wir sogar
in gelindes Entzücken." Ganz abgesehen von dem
Reptil — ein Kritiker, der in Entzücken, wenn auch
nur in gelindes, geräth, ist eine lächerliche Figur.
Sobald er in Entzücken geräth, ist er für seinen
Beruf untauglich und sollte den Saal verlassen, bis
er sich wieder erholt hat. Entzücken soll sich allen-
falls der Laie bei einem Adagio: der Kritiker da-
gegen soll kritisiren und sich keine solche Blößen geben.
Wenn wir also auch dem Verfasser der Kritik einiges
kritikstilistisches Talent nicht absprechen können, so be-
rührt uns doch seine vorliegende Leistung sehr un-
sympathisch Deswegen haben wir laut gepfiffen und
gezischt, als wir die Kritik lasen, ebenso unser Redak-
tionskanarienvogel; wir haben weiterhin einen Fidi-
bus aus dem Wisch gemacht und unsere Pfeife damit
angezündet und so fuhr diese Kritik unter Pfeifen und
Schwefelgeruch in den Orkus, wo sie hingehört.
Persönliche Notizen.
1) Gestern erschien auf der Redaktion des „Kritik-
kritiker" der bekannte Kritiker A. Meier, dessen Be-
sprechung der Aufführung der Eleonore wir oben
besprochen haben. Er warf uns persönliche Gehässig-
keit sowie sachliche Ignoranz vor und unser Tinten-
faß um und ging darauf sogar so weit, die ganze
Kritikerkritik als überflüssig, ja schädlich für die Kritik
zu bezeichnen.
Wir gehen darüber einfach zur Tagesordnung
über mit der Bemerkung, daß es ja auch Leute gibt,
welche die Kritik als schädlich für die Kunst be-
zeichnen; wir haben unser Amt stets gewissenhaft
ausgeübt und die Aufgaben der Kritikerkritik sind
uns viel zu heilig, als daß wir bei unseren Be-
sprechungsbesprechungen auf eine so unbedeutende
Persönlichkeit, wie.Herrn Dr. Meier, irgendwelche
Rücksicht nehmen könnten.
2) Zu der vernichtenden Kritik des Herrn Dr. O.
Meier über die Schauspielerin Müller hatten wir
bemerkt, daß Herr Dr. O. Meier vor 3 Wochen um
die Hand des Frl. Müller vergeblich angehalten
habe: Der gefürchtete Kritiker hat darauf in seinem
Blatte erklärt, dies sei geschehen, um den Tempel
der Kunst ein für allemal von einem Greuel zu
reinigen.
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Vornehmstes Organ des 20. Jahrhunderts
ftir
RiinftkrTtTkerkritik und Rritikkritikcrkunft
lferaurgegeben
fritj Pfeffer
Euer Hochwohlgeboren!
In verflossenen Tagen, die von sonderbaren
Schwärmern manchmal als die glücklichsten gepriesen
werden, blühte bekanntlich das holde Pflänzlein der
Kunst nur an vereinzelten Orten, wo es zufällig seine
Nahrung fand; hie und da am prunkenden Hofe
eines feinsinnigen Fürsten, in der Stille einer Kloster-
zelle oder im Dachstübchen eines Handwerkers. Ragen
auch ausjenenhalbbarbarischenZeiten gewisseSchöpf-
ungen wie Pyramiden in die Neuzeit herüber, so muß
doch der damalige Zustand der Kunst im Allgemeinen
als ein jämmerlicher bezeichnet werden.
Das kommt daher, daß damals noch nicht die
Kritik existirte, jene getreue Begleiterin und Füh-
rerin, an deren bald milde leitender, bald gestreng
drückender Hand die schüchterne Kunst erst die holp-
rigen Pfade des Lebens wandeln lernte. Denn wie
der Pfarrer vermittelt zwischen Gott und den Men-
schen, also steht auch der Kritiker als nothwendiges
Zwischenglied zwischen Künstler und Publikum und
man kann wohl sagen: Ohne Pfarrer keine Religion
und keine Kunst ohne Kritiker. Woher sollte auch
der Mensch wissen, daß das, was er sieht oder hört,
Kunst ist, wenn er es nicht am andern Morgen ge-
druckt in der Zeitung lesen kann?
Wie ungemein segensreich die Kritik seit ihrem
ersten Austauchen auf Publikum und Künstler gewirkt
hat, ersieht der fragende Blick des Forschenden mit
Leichtigkeit aus den Biographien fast aller großen
Künstler der Vergangenheit und Jetztzeit, sowie aus
den Gesprächen des Publikums in Kunstausstellungen
und beim ästhetischen Thee.
Allein in neuerer Zeit ist im Wesen der Kritik eine
bedeutsame Wandlung vor sich gegangen. Mehr und
mehr verschwindet die Bedeutung des Kunstwerks an
sich vor der oft glanzvolleren und gewaltigeren krit-
ischen Schöpfung,, zu der es den Anstoß gegeben
hat: mehr und mehr finden sich Leute, deren eigent-
licher Kunstgenuß erst dann beginnt, wenn sie eine
Kritik lesen — ja, viele begnügen sich überhaupt
mit diesem Genuß und heben so ihre ökonomische
Lage durch Ersparung zahlreicher Eintrittsgelder.
Mit dieser Entwicklung aber von einer Führerin
der Kunst zur selbständigen Künstlerin ist
nunmehr die Kritik in dieselbe hilflose Lage gekommen,
wie einst die Kunst selbst. Sie bedarf daher einer
Leiterin, Hüterin, Erzieherin und diese soll ihr nun
geschenkt werden in der neuentstandenen Kritikcr-
kritik. Denn woher soll der Mensch wissen, was
vollwcrthige Kritik ist, wenn er es nicht irgendwo
gedruckt Nachlesen kann?
Da der Gang der Entwicklung schnell schreitet,
eine Eigenschaft, welche nach Schiller auch dem Un-
heil zukommt, so wird dereinst die Kritikerkritik,
ebenfalls zur selbstständigen Kunst geworden, bald
wiederum einer Führerin bedürfen und diese müßte
ihr in der Kritikkritikerkritik entstehen — allein dies
für das 30. Jahrhundert.
Nun ist zwar eine gewisse Kritikerkritik stets geübt
worden, aber nur gelegentlich, hie und da, am
Stammtisch einiger Künstler und Philosophen, und
dieser Popularkritikerkritik verdanken wir eine reiche
Terminologie, wie z. B. die Worte: Kunstlausbub,
Atelierwanze, Schnodderschnauze, Dr. Hinterstich,
Preßpirat, Giftmichel; eine gewisse Kritikerkritik liegt
auch in jenem Schreiben eines bekannten Künstlers,
das er einem Kritiker zugleich mit einem Pferde-
lotterieloos zuschickte und welches lautete:
„Hoffentlich versteht das Roß, welches Sie mit
beifolgendem Loos gewinnen können, mehr von der
Kunst, wie Sie;" — allein aus diesen mehr allge-
meinen Bezeichnungen und versteckten Anspielungen
wird die neuentstandene Kritikerkritik nur wenig
Nutzen ziehen können. —
Ihre Aufgabe ist es vielmehr, mit den Kritikern
ganz so wohlwollend und objektiv zu verfahren, wie
die Kritiker mit den Künstlern.
Sie hat zunächst die Leistungen der Kritiker
unter die Loüpe zu nehmen, auf ihren Gehalt zu
prüfen, den Quellen ihrer Entstehung nachzugehen;
dann aber auch die Persönlichkeit des Kritikers ins
rechte Licht zu rücken und biographische Skizzen ein-
zuflechten.
Unser Blatt setzt sich also aus kritischen Kritik-
bcsprcchungen und kritikkritischen Betrachtungen zu-
sammen; wohlgelnngene Photographien werden dem
Leser den Genuß des Anblicks hervorragender Kriti-
kerstirnen verschaffen. Zahlreiche Künstler, die ein
warmes Interesse an einzelnen hervorragenden Kriti-
kern nehmen, haben bereits ihre Mitarbeit zngesagt.
Nachstehend einige Text- und Illustrations-
Proben:
1) Unsere heutige Ab-
bildung zeigt den berühmten
Kritiker Au g u st in Sie ch e r,
den Verfasser jener grandio-
sen Kritik über das einaktige
Trauerspiel des hosfnungs-
v ollen Dramatikers Anton
Käsbohrer, infolge deren der
junge Poet sich mit Rattengift
entleibte. Augustin Stecher
ist geboren zu Pickeburg bei
Meuchlin in Hinterpommern
als der Sohn eines Seifen-
sieders. Aus seiner frühesten Jugend ist nur wenig
Wichtiges bekannt geworden; nur eine reizende kleine
Episode sei der Kuriosität halber hier mitgetheilt.
Ein Augenzeuge erzählt, daß der kleine Augustin
einst mit seinen Kameraden wettete, wer von ihnen
718
den Mund am weitesten anfmachen könne, ohne mit
den Wimpern zu zucken. Hierbei siegte nun Augustin
unbestritten um 2 Fingerbreiten und sein Lehrer, ein
früherer Dramatiker, soll darauf zu ihm gesagt
haben: O, Augustin, aus Dir wird einmal entweder
etwas sehr Gutes oder ein Kunstkritiker! —
Anfänglich widmete er sich dem Berufe der Seifen-
siederei, ohne indessen darin seine volle Befriedigung
zu finden. Sodann war er in völliger Verkennung
seiner Veranlagung eine Zeitlang in Lyrik, Dramatik,
Musik und Malerei produktiv thätig. Erst die Er-
kenntniß seiner vollständigen Talentlosigkeit für alle
diese Dinge lenkte ihn ans richtige Pfade: er nahm
eine Stelle als Kritiker an der „Mcnchliner Zeitung"
an, in der er noch jetzt seine furchtbare Thätigkeit
entfaltet.
2) Besprechung über die Besprechung der
Aufführung der Huber'schen Eleonore-
symphonie von Dr. A. Meier durch Dr. B.
Mayer:
Eine starke Begabung, anscheinend, dieser neue
Musikkritiker! Wir hatten, offen gestanden, noch viel
weniger erwartet, als wir das Käseblättchen in die
Hand nahmen. Aber gleich der erste Hieb auf Huber
sitzt. „Wir sehen ganz davon ab," heißt es, „wie
dieses Werk eigentlich beschaffen ist; wir fragen uns
nur, woher nimmt dieser junge Mann, Namens
Huber, das Recht, die Wände dieses Saales, die sonst
nur von den Schwanengesangsmelodien unserer un-
sterblichen Meister (Beethoven und Mozart z. B.) ge-
streift lverden, mit seinen Tongebilden zu verunrein-
igen?" — das ist fast genial! Einen Tadel seiner
Composition kann der Componist allenfalls verwin-
den — aber ihm das Recht bestreiten, sein Werk er-
tönen zu lassen, das ist neu und eröffnet Perspek-
tiven. Leider befriedigt uns die Fortsetzung der fAitik
ungemein wenig. „Bei dem Adagio, wo ein Geigen-
solo geschmeidig ivie ein heller Molch auf dem dunkeln
Moos der Bässe einhergleitet, geriethen wir sogar
in gelindes Entzücken." Ganz abgesehen von dem
Reptil — ein Kritiker, der in Entzücken, wenn auch
nur in gelindes, geräth, ist eine lächerliche Figur.
Sobald er in Entzücken geräth, ist er für seinen
Beruf untauglich und sollte den Saal verlassen, bis
er sich wieder erholt hat. Entzücken soll sich allen-
falls der Laie bei einem Adagio: der Kritiker da-
gegen soll kritisiren und sich keine solche Blößen geben.
Wenn wir also auch dem Verfasser der Kritik einiges
kritikstilistisches Talent nicht absprechen können, so be-
rührt uns doch seine vorliegende Leistung sehr un-
sympathisch Deswegen haben wir laut gepfiffen und
gezischt, als wir die Kritik lasen, ebenso unser Redak-
tionskanarienvogel; wir haben weiterhin einen Fidi-
bus aus dem Wisch gemacht und unsere Pfeife damit
angezündet und so fuhr diese Kritik unter Pfeifen und
Schwefelgeruch in den Orkus, wo sie hingehört.
Persönliche Notizen.
1) Gestern erschien auf der Redaktion des „Kritik-
kritiker" der bekannte Kritiker A. Meier, dessen Be-
sprechung der Aufführung der Eleonore wir oben
besprochen haben. Er warf uns persönliche Gehässig-
keit sowie sachliche Ignoranz vor und unser Tinten-
faß um und ging darauf sogar so weit, die ganze
Kritikerkritik als überflüssig, ja schädlich für die Kritik
zu bezeichnen.
Wir gehen darüber einfach zur Tagesordnung
über mit der Bemerkung, daß es ja auch Leute gibt,
welche die Kritik als schädlich für die Kunst be-
zeichnen; wir haben unser Amt stets gewissenhaft
ausgeübt und die Aufgaben der Kritikerkritik sind
uns viel zu heilig, als daß wir bei unseren Be-
sprechungsbesprechungen auf eine so unbedeutende
Persönlichkeit, wie.Herrn Dr. Meier, irgendwelche
Rücksicht nehmen könnten.
2) Zu der vernichtenden Kritik des Herrn Dr. O.
Meier über die Schauspielerin Müller hatten wir
bemerkt, daß Herr Dr. O. Meier vor 3 Wochen um
die Hand des Frl. Müller vergeblich angehalten
habe: Der gefürchtete Kritiker hat darauf in seinem
Blatte erklärt, dies sei geschehen, um den Tempel
der Kunst ein für allemal von einem Greuel zu
reinigen.