Nr. 51
JUGEND
1900
Er durchbrach den Ring der Tanzenden, stellte sich
mitten in den Raum und erhob seine Hand.
Das war der Pfarrer, Herr Ane, und er kam
um den Tanz in der Sonntagsnacht zu verbieten.
Er hatte an diesem Tage in der Kirche gestanden
und leeren Wänden gepredigt. Er hatte geglaubt,
Krieg und Pest müßten alle Menschen dahingerafft
haben, aber nein, hier waren sie, hier in der Spiel-
hütte waren sie zu finden, lind der Pfarrer ver-
kiindigte Buße und Kirchenstrafe über sie Alle.
Nun, da er sie gefunden, sollten sie seine Predigt
hören. Und er sprach, und zertrümmerte ihre Freu-
de und schreckte sie mit dem furchtbaren, künftigen
Leben, so daß sie vermeinten niemals mehr den
Fuß zum Tanze heben zu können.
„Tanzet nun, wenn es Euch gelüstet," sagte der
Pfarrer, „tanzet nun, Ihr wisset jetzt, wohin Ihr
tanzet."
Einige schlichen sich stumm von dannen, Andere
standen verlegen da und suchten sich tapfer zu hal-
ten, aber begannen bald leise zu schluchzen. Ein
Dirnlein, das eben noch am wildesten getanzt hatte,
siel auf die Kniee und küßte die Hand des Pfarrers.
Keiner wagte ihm zu Widerreden, außer Tora.
Sie, die sonst immer bange war, kam breit und
ihrer Sache sicher heran. „Pfarrer," sagte sie, „hier
haben wir jeden Sonntagabend getanzt, all diese
Jahre, und doch ist dies ein Haus.Gottes. Du
sollst hören, wie Gott heute seinen Segen über mich
ergossen hat."
„Trollweib," sagte der Pfarrer, „willst Du schwei-
gen! Was an Segen zu Dir kommt, das ist des
Teufels Segen. Heute Abend rede ich zu Menschen,
die sich bekehren und bessern können, mit Dir rechne
ich ein andermal ab."
Damit ging der Pfarrer, und in der Hütte
herrschte große Betrübnis;. Arild versuchte ein paar
Striche ans der Geige, aber legte sie gleich wieder
fort. Die Meisten von Denen, die getanzt hatten,
gingen heim.
Tora saß wieder am Herde, sie warf neue Scheite
in die Gluth und schien ebenso froh, als zuvor.
Einige, die sahen, daß sie den Muth nicht verloren
hatte, gingen aus sie zu und begannen, übel vom
Pfarrer zu sprechen.
„Luthers Lehre hat Herrn Ane wild und toll
gemacht," sagte ein Bauer. „Früher, als er noch
dem Papste zugehörte, durfte man selbst im Pfarr-
hof tanzen."
„Er ist nicht so gut, wie er sich stellt, Du, Tora,"
sagte ein Anderer.
„Thut er mir ettvas, dann werde ich schon er-
zählen, wie er zu seinem Gelde gekommen ist,"
sagte Tora.
Und da nun Biele sie fragten, was sie meinte,
erzählte sie: „Der Pfarrer, Herr Ane, war einmal
sehr arm, aber er hatte einen Bruder, der ein Groß-
bauer war und sehr reich.
Der Bauer starb und Herr Ane zog in seinen
Hof, der näher zur Kirche lag, als sein eigener.
Und sobald er in den Hof gekommen war, fing er
an, nach dem Gelde des Bruders zu suchen, aber
konnte es nicht finden. Er grub in der Erde, und riß
die Kellermauer und die Küchenwand ein, um das
Geld zu finden, aber es tvollte sich ihm nicht zeigen.
Das Geld kam nicht zu Herrn Ane, obgleich er
in langen Gebeten zu Gott darum flehte. Und Herr
Ane ward krank und verzweifelt vom Suchen und
Nichtfinden.
Und in der ganzen Umgegend lachte man Herrn
Ane aus, weil er seinen Kummer nicht verhehlte.
„Hast Du meines Bruders Geld gesehen?" konnte
er den ärmsten Bettler fragen.
Da kam meine Mutter, die nichts mehr war,
als ein armes Bettelweib, das von Hof zu Hof
zog, eines Abends in das Pfarrhaus und bat Herrn
Ane um Herberge für die Nacht.
„Du sollst keine Herberge haben, wenn Du mir
nicht sagen kannst, >vo mein Bruder sein Geld ver-
wahrt hat," sagte Herr Ane zu ihr.
„Wenn ich das wüßte, Herr Ane," sagte Mutter,
„dann brauchte ich wohl nicht auf der Landstraße
umherzuziehen und mein Brot zu erbetteln."
Und sie bat ihn um Gottes Barmherzigkeit willen
er möge ihr Obdach gewähren, denn es war nicht
gut für sie, in ihrem hohen Alter draußen unter
freiem Himmel zu liegen.
Aber Herr Ane erwiderte, bei dem, was er ge-
sagt, sollte es sein Bewenden haben, und sie konnte
kein Obdach bekommen, wenn sie ihm nicht das
Geld verschaffte.
„Aber wenn mir das gelingt, kann ich Obdach
int Pfarrhof haben, bis zu meiner Todesstunde,"
sagte Mutter. — „Das sollst Du," sagte Herr Ane.
Da bat Mutter, der sehr bange wurde vor dem,
was sie auf sich genommen, Herr Ane möge ihr
große Linnenlaken geben, und die hüllte sie um sich,
als wäre sie eine Leiche. Dann ging sie auf den
Kirchhof und nahm Graberde und streute sie über
sich, und dann ließ sie sich von Herrn Ane die Kir-
chenthür öffnen, und er folgte ihr in die Kirche
und hals ihr auf einen Dachbalken.
Und da lag nun Mutter auf dem Balken unter
dem Dache. Aber sie ging durch Alles mit fröh-
lichem Muthe, in der Hoffnung, sich dadurch ein
geschütztes Alter zu erringen.
Nun, es mochte gegen Mitternacht fein. Da
wurde es hell in . der Kirche und ein paar Steine
im Boden erhoben sich, und einer der Todten kam
hinauf in die Kirche. Es war ein großer, derber
Mann, er ging mehrere Male um die Kirche herum,
da erblickte er meine Mutter. „Bist Du tvdt?"
sagte er zu ihr. Und sie wagte nicht zu antworten.
Da hatte es den Anschein, als wollte er zu ihr
hinausklettern. Und Mutter sagte mit heiserer Stim-
nte: „Ja, ich bin todt." Und da ließ er sie sein.
Aber dieser Todte war des Pfarrers Bruder,
>tnd er ging nun wieder zu seinem Grabe. Er-
holte daraus eine Tonne hervor, die voll Silber
und Gold war, und Mutter sagte, daß sie sah, wie
er die Gold- und. Silbermünzen nahm und mit
ihnen spielte, er warf sie über sich, als säße er im
Bade und bespritzte sich mit Wasser.
Der Rabenkönig L- Hohlwein
„Schau, schau, wie bSs Viecher! fchö' kriech» kann,
Krad wie meine Minister!"
Aber als er sich müde gespielt hatte, schüttete er das
Geld ins Grab hinab und stieg in seinen Sarg und
die Steine legten sich von selbst auf ihren Platz zurecht.
Mutter blieb bis zum Morgen auf ihre»! Balken
hängen, und dann kam der Pfarrer, Herr Ane, und
fragte, ob sie noch am Leben sei. Jawohl, Mutter
war frisch und gesund. „Dann komm und iß einen
Bissen," sagte der Pfarrer. „Nein, zuerst will ich
mir ein Obdach verdienen, für meine alten Tage,"
sagte Mutter.
Sie bat den Pfarrer, Leute zu schicken, und
so ließ sie den Boden über seines Bruders Grab
aufbrechen und den Sarg herausheben. Und als
sie dies thaten, war nichts Wunderliches zu merken:
aber als Mutter sagte: „Seht nun nach, was noch
in dem Grabe liegt", da begann der Todte sich in seinem
Sarge hin und herzuwälzen. Aber Mutter bedeutete
den Burschen nur, sich mit der Arbeit zu sputen.
Mutter hielt ihre Hand auf dem Sargdeckel, d enn
sie hörte, wie der Todte dort drinnen arbeitete. Sv
holteir sie aus dem Grabe eine große Tonne voll
Gold- und Silbergeld. Und Mutter >var froh, als
sie den Todten wieder unten im Grabe hatten
und der Kirchenboden über ihm geschlossen war.
„Gieb mir zu essen," sagte meine Mutter dann
zum Pfarrer, „ich habe jetzt ein tüchtiges Stück Arbeit
für Dich gethan."
Und der Pfarrer gab ihr zu essen und behielt sie
bei sich sieben Tage, dann hieß er sie wieder gehen.
Als Mutter so von Neuein auf die Straße ge-
lvorfen war, verfluchte sie ihn und sagte: „Das Geld,
das ich Dir errungen habe, sollDein Unglück werden."
Und Mutter erzählte, daß der Pfarrer ihr sagte,
er fürchte sich vor Nichts, was ein Bettelweib ihm
anhaben könne.
„Die Rache bleibt nicht aus," sagte Mutter. Das
war Mutters Sprichwort, dieses, daß die Rache nicht
ausbleibe.
Aberihre Rache an dem Pfarrer blieb aus, fuhr Tora
fort, und nun heißt er ihre Tochter ein Trollweib.
„Er würde die große Kiste neben seinem Bett
nicht so vollgepfropft mit Geld haben, wenn meine
Mutter nicht gewesen wäre," fuhr Tora fort und
richtete sich ans. „Er würde nicht dasitzen können
und Geld über sich werfen und wälzen, wie er es
zu thun pflegt, er geradeso wie der Todte, wenn
meine Mutter ihm nicht geholfen hätte."
Wie Tora dies sagte, hörte man ein sachtes
Scharren. Es war nicht ganz nahe, aber auch nicht
weit weg. Niemand wußte, was es sein konnte. Es
war, als versuchte Jemand, ein Loch in die Haus-
wand zu feilen.
„Wer schleift Messer in meinem Haus?" ries Tora
plötzlich.
Nun wurde es ganz stille. Aber als das Gespräch
wieder in Fluß gekommen war, begann es aufs
Reue zu knirschen und zu scharren.
Tora nahm einen Kienspan, ging zum Bette hin
und sah hinein. Da lagen die drei Wanderer aus-
gestreckt und schliefen, so wie sie den ganzen Abend
geschlafen hatten.
Nun war es wieder eine Weile stille, dann be-
gann das Unwesen abermals. Jeder hörte deutlich,
wie Messer gegen Stein und Leder gerieben und ge-
schliffen wurden. „Gott helfe uns, das ist ein Omen,"
sagte Tora. „Möge uns nichts Böses tviderfahren,
weil wir Uebles vom Pfarrer gesprochen haben!"
Aber am nächsten Morgen lag der Pfarrer, Herr
Ane, ermordet in seinem Bett, und sein großer Geld-
schrein war verschwunden. Und es wurde allsvgleich
bekannt, daß die drei wandernden Gesellen, die bei
Arild dem Köhler gelegen und ihre Müdigkeit aus-
geschlafen hatten, die Urheber des Mordes waren.
Sie'hatten Tora vom Gelde des Pfarrers erzählen
hören, während sie dalagen undt haten, als schliefen
sie. Und sie hatten sofort den Mord geplant und
sich daran gemacht, ihre Messer zu schleifen.
Und seit diesem Tage gingen die Worte des alten
Bettelweibes wie ein Wahrspruch durch die Umgegend.
„Die Rache bleibt nicht aus," sagt man. „Gott
kann init einer Sage füllen. Gott kann mit einem
Traume schlagen. Die Rache bleibt nicht aus."
(A. d. Schwedischen von Francis Maro.)
JUGEND
1900
Er durchbrach den Ring der Tanzenden, stellte sich
mitten in den Raum und erhob seine Hand.
Das war der Pfarrer, Herr Ane, und er kam
um den Tanz in der Sonntagsnacht zu verbieten.
Er hatte an diesem Tage in der Kirche gestanden
und leeren Wänden gepredigt. Er hatte geglaubt,
Krieg und Pest müßten alle Menschen dahingerafft
haben, aber nein, hier waren sie, hier in der Spiel-
hütte waren sie zu finden, lind der Pfarrer ver-
kiindigte Buße und Kirchenstrafe über sie Alle.
Nun, da er sie gefunden, sollten sie seine Predigt
hören. Und er sprach, und zertrümmerte ihre Freu-
de und schreckte sie mit dem furchtbaren, künftigen
Leben, so daß sie vermeinten niemals mehr den
Fuß zum Tanze heben zu können.
„Tanzet nun, wenn es Euch gelüstet," sagte der
Pfarrer, „tanzet nun, Ihr wisset jetzt, wohin Ihr
tanzet."
Einige schlichen sich stumm von dannen, Andere
standen verlegen da und suchten sich tapfer zu hal-
ten, aber begannen bald leise zu schluchzen. Ein
Dirnlein, das eben noch am wildesten getanzt hatte,
siel auf die Kniee und küßte die Hand des Pfarrers.
Keiner wagte ihm zu Widerreden, außer Tora.
Sie, die sonst immer bange war, kam breit und
ihrer Sache sicher heran. „Pfarrer," sagte sie, „hier
haben wir jeden Sonntagabend getanzt, all diese
Jahre, und doch ist dies ein Haus.Gottes. Du
sollst hören, wie Gott heute seinen Segen über mich
ergossen hat."
„Trollweib," sagte der Pfarrer, „willst Du schwei-
gen! Was an Segen zu Dir kommt, das ist des
Teufels Segen. Heute Abend rede ich zu Menschen,
die sich bekehren und bessern können, mit Dir rechne
ich ein andermal ab."
Damit ging der Pfarrer, und in der Hütte
herrschte große Betrübnis;. Arild versuchte ein paar
Striche ans der Geige, aber legte sie gleich wieder
fort. Die Meisten von Denen, die getanzt hatten,
gingen heim.
Tora saß wieder am Herde, sie warf neue Scheite
in die Gluth und schien ebenso froh, als zuvor.
Einige, die sahen, daß sie den Muth nicht verloren
hatte, gingen aus sie zu und begannen, übel vom
Pfarrer zu sprechen.
„Luthers Lehre hat Herrn Ane wild und toll
gemacht," sagte ein Bauer. „Früher, als er noch
dem Papste zugehörte, durfte man selbst im Pfarr-
hof tanzen."
„Er ist nicht so gut, wie er sich stellt, Du, Tora,"
sagte ein Anderer.
„Thut er mir ettvas, dann werde ich schon er-
zählen, wie er zu seinem Gelde gekommen ist,"
sagte Tora.
Und da nun Biele sie fragten, was sie meinte,
erzählte sie: „Der Pfarrer, Herr Ane, war einmal
sehr arm, aber er hatte einen Bruder, der ein Groß-
bauer war und sehr reich.
Der Bauer starb und Herr Ane zog in seinen
Hof, der näher zur Kirche lag, als sein eigener.
Und sobald er in den Hof gekommen war, fing er
an, nach dem Gelde des Bruders zu suchen, aber
konnte es nicht finden. Er grub in der Erde, und riß
die Kellermauer und die Küchenwand ein, um das
Geld zu finden, aber es tvollte sich ihm nicht zeigen.
Das Geld kam nicht zu Herrn Ane, obgleich er
in langen Gebeten zu Gott darum flehte. Und Herr
Ane ward krank und verzweifelt vom Suchen und
Nichtfinden.
Und in der ganzen Umgegend lachte man Herrn
Ane aus, weil er seinen Kummer nicht verhehlte.
„Hast Du meines Bruders Geld gesehen?" konnte
er den ärmsten Bettler fragen.
Da kam meine Mutter, die nichts mehr war,
als ein armes Bettelweib, das von Hof zu Hof
zog, eines Abends in das Pfarrhaus und bat Herrn
Ane um Herberge für die Nacht.
„Du sollst keine Herberge haben, wenn Du mir
nicht sagen kannst, >vo mein Bruder sein Geld ver-
wahrt hat," sagte Herr Ane zu ihr.
„Wenn ich das wüßte, Herr Ane," sagte Mutter,
„dann brauchte ich wohl nicht auf der Landstraße
umherzuziehen und mein Brot zu erbetteln."
Und sie bat ihn um Gottes Barmherzigkeit willen
er möge ihr Obdach gewähren, denn es war nicht
gut für sie, in ihrem hohen Alter draußen unter
freiem Himmel zu liegen.
Aber Herr Ane erwiderte, bei dem, was er ge-
sagt, sollte es sein Bewenden haben, und sie konnte
kein Obdach bekommen, wenn sie ihm nicht das
Geld verschaffte.
„Aber wenn mir das gelingt, kann ich Obdach
int Pfarrhof haben, bis zu meiner Todesstunde,"
sagte Mutter. — „Das sollst Du," sagte Herr Ane.
Da bat Mutter, der sehr bange wurde vor dem,
was sie auf sich genommen, Herr Ane möge ihr
große Linnenlaken geben, und die hüllte sie um sich,
als wäre sie eine Leiche. Dann ging sie auf den
Kirchhof und nahm Graberde und streute sie über
sich, und dann ließ sie sich von Herrn Ane die Kir-
chenthür öffnen, und er folgte ihr in die Kirche
und hals ihr auf einen Dachbalken.
Und da lag nun Mutter auf dem Balken unter
dem Dache. Aber sie ging durch Alles mit fröh-
lichem Muthe, in der Hoffnung, sich dadurch ein
geschütztes Alter zu erringen.
Nun, es mochte gegen Mitternacht fein. Da
wurde es hell in . der Kirche und ein paar Steine
im Boden erhoben sich, und einer der Todten kam
hinauf in die Kirche. Es war ein großer, derber
Mann, er ging mehrere Male um die Kirche herum,
da erblickte er meine Mutter. „Bist Du tvdt?"
sagte er zu ihr. Und sie wagte nicht zu antworten.
Da hatte es den Anschein, als wollte er zu ihr
hinausklettern. Und Mutter sagte mit heiserer Stim-
nte: „Ja, ich bin todt." Und da ließ er sie sein.
Aber dieser Todte war des Pfarrers Bruder,
>tnd er ging nun wieder zu seinem Grabe. Er-
holte daraus eine Tonne hervor, die voll Silber
und Gold war, und Mutter sagte, daß sie sah, wie
er die Gold- und. Silbermünzen nahm und mit
ihnen spielte, er warf sie über sich, als säße er im
Bade und bespritzte sich mit Wasser.
Der Rabenkönig L- Hohlwein
„Schau, schau, wie bSs Viecher! fchö' kriech» kann,
Krad wie meine Minister!"
Aber als er sich müde gespielt hatte, schüttete er das
Geld ins Grab hinab und stieg in seinen Sarg und
die Steine legten sich von selbst auf ihren Platz zurecht.
Mutter blieb bis zum Morgen auf ihre»! Balken
hängen, und dann kam der Pfarrer, Herr Ane, und
fragte, ob sie noch am Leben sei. Jawohl, Mutter
war frisch und gesund. „Dann komm und iß einen
Bissen," sagte der Pfarrer. „Nein, zuerst will ich
mir ein Obdach verdienen, für meine alten Tage,"
sagte Mutter.
Sie bat den Pfarrer, Leute zu schicken, und
so ließ sie den Boden über seines Bruders Grab
aufbrechen und den Sarg herausheben. Und als
sie dies thaten, war nichts Wunderliches zu merken:
aber als Mutter sagte: „Seht nun nach, was noch
in dem Grabe liegt", da begann der Todte sich in seinem
Sarge hin und herzuwälzen. Aber Mutter bedeutete
den Burschen nur, sich mit der Arbeit zu sputen.
Mutter hielt ihre Hand auf dem Sargdeckel, d enn
sie hörte, wie der Todte dort drinnen arbeitete. Sv
holteir sie aus dem Grabe eine große Tonne voll
Gold- und Silbergeld. Und Mutter >var froh, als
sie den Todten wieder unten im Grabe hatten
und der Kirchenboden über ihm geschlossen war.
„Gieb mir zu essen," sagte meine Mutter dann
zum Pfarrer, „ich habe jetzt ein tüchtiges Stück Arbeit
für Dich gethan."
Und der Pfarrer gab ihr zu essen und behielt sie
bei sich sieben Tage, dann hieß er sie wieder gehen.
Als Mutter so von Neuein auf die Straße ge-
lvorfen war, verfluchte sie ihn und sagte: „Das Geld,
das ich Dir errungen habe, sollDein Unglück werden."
Und Mutter erzählte, daß der Pfarrer ihr sagte,
er fürchte sich vor Nichts, was ein Bettelweib ihm
anhaben könne.
„Die Rache bleibt nicht aus," sagte Mutter. Das
war Mutters Sprichwort, dieses, daß die Rache nicht
ausbleibe.
Aberihre Rache an dem Pfarrer blieb aus, fuhr Tora
fort, und nun heißt er ihre Tochter ein Trollweib.
„Er würde die große Kiste neben seinem Bett
nicht so vollgepfropft mit Geld haben, wenn meine
Mutter nicht gewesen wäre," fuhr Tora fort und
richtete sich ans. „Er würde nicht dasitzen können
und Geld über sich werfen und wälzen, wie er es
zu thun pflegt, er geradeso wie der Todte, wenn
meine Mutter ihm nicht geholfen hätte."
Wie Tora dies sagte, hörte man ein sachtes
Scharren. Es war nicht ganz nahe, aber auch nicht
weit weg. Niemand wußte, was es sein konnte. Es
war, als versuchte Jemand, ein Loch in die Haus-
wand zu feilen.
„Wer schleift Messer in meinem Haus?" ries Tora
plötzlich.
Nun wurde es ganz stille. Aber als das Gespräch
wieder in Fluß gekommen war, begann es aufs
Reue zu knirschen und zu scharren.
Tora nahm einen Kienspan, ging zum Bette hin
und sah hinein. Da lagen die drei Wanderer aus-
gestreckt und schliefen, so wie sie den ganzen Abend
geschlafen hatten.
Nun war es wieder eine Weile stille, dann be-
gann das Unwesen abermals. Jeder hörte deutlich,
wie Messer gegen Stein und Leder gerieben und ge-
schliffen wurden. „Gott helfe uns, das ist ein Omen,"
sagte Tora. „Möge uns nichts Böses tviderfahren,
weil wir Uebles vom Pfarrer gesprochen haben!"
Aber am nächsten Morgen lag der Pfarrer, Herr
Ane, ermordet in seinem Bett, und sein großer Geld-
schrein war verschwunden. Und es wurde allsvgleich
bekannt, daß die drei wandernden Gesellen, die bei
Arild dem Köhler gelegen und ihre Müdigkeit aus-
geschlafen hatten, die Urheber des Mordes waren.
Sie'hatten Tora vom Gelde des Pfarrers erzählen
hören, während sie dalagen undt haten, als schliefen
sie. Und sie hatten sofort den Mord geplant und
sich daran gemacht, ihre Messer zu schleifen.
Und seit diesem Tage gingen die Worte des alten
Bettelweibes wie ein Wahrspruch durch die Umgegend.
„Die Rache bleibt nicht aus," sagt man. „Gott
kann init einer Sage füllen. Gott kann mit einem
Traume schlagen. Die Rache bleibt nicht aus."
(A. d. Schwedischen von Francis Maro.)