1900
JUGEND
Nr. 52
Das kielensprelzeug Max Peldbaacr 'München)
„ei! artig Spielding!" ruft sie, „das nebm ich mit nach Raus." Und feget mit den fänden, was da sieb alles regt,
Sie fenieet nieder, spreitet bebend ibr €ücblcin aus Zu Raufen in das Cücblein, das sie jusammenscblägt.
(ßbamisso)
sich stumm und mürrisch verhalten oder nichts opfern
wollte, so genügte ein Wink mit dem Reichsapfel
oder ei» kleiner Deuter mit dem Sccpter, um ihn
zu Glück und Freigebigkeit zu bekehren.
Eines Tages, im Monat März war's, da hing
der König, iveil cs so eigenthümlich frostig war,
seinen Purpurmantel um und durchschritt die Stra-
ßen, um sein treues Volk wieder einmal zu be-
glücken. Aber bei dem kühlen Wetter kam es zu
keiner rechten Begeisterung. Plötzlich erhob sich ein
fürchterlicher Sturm; der riß dem armen König
die Krone vom Kopf und hätte ihm fast den Kopf
noch mitgcrisscn, so fest saß der Reif ans alter
Gewohnheit. Im Schrecken ließ der Gute Sceptcr
und Reichsapfel fallen, und ehe er ivußte, wie ihm
geschah, fing sich die Windsbraut in dem weiten
Purpurmantel und führte den König weg, weit
weit hinweg übers Meer, ins Land, wo der Pfeffer
wächst.
Anfangs war der König vom Sturze ganz be-
täubt; als er aber zum Bewußtsein erwachte, kam
ihm der Pfeffer in die Augen und er fing bitter-
lich zu weinen an. Weil er aber nicht ahnte, daß
der Pfeffer an seinen Thränen Schuld sei, so
glaubte er, er weine aus Mitleid um sein armes
verlassenes Volk, und das rührte ihn wiederum zu
neuen Thränen über seine eigene Herzcnsgütc. —
So weinte er fort, und da er schon ziemlich schwach
war, weinte er sich bald zu Tode.
Das Volk aber, undankbar wie die Völker sind,
vergaß se neu guten König, eh' er ihm noch recht
aus den Augen war, und jauchzte einein neuen z».
Der hatte zwar keine Krone auf dem Kopf, son-
dern nur eine Mütze, aber Schellen waren auch
dran, nach denen man tanzen konnte, statt Scepter
und Reichsapfel trug er einen festen Stock mit tüch-
tigen! Knopf, — der war nicht so kostbar, aber
viel praktischer noch zu Lehr und Wehr der Unter»
thanen. Diesen fehlte also nichts und sie lebten,
ivie früher, glückselig und in Frieden."
„Durften sie dem Könige mit der Mütze auch
etwas schenken, Großinntter?" fragten die ivißbe-
gierigen Kleinen.
„Freilich, liebe Kinder! schenken und zahlen
durften sie nach Herzenslust, genau so, nne vorher."
A. Mo.
ZZljantasma
Draußen scheint der große, stille Mond auf
die weißen Schneedächer.
In dem kleinen Zimmer ist Alles zur Nacht
vorbereitet. Die weißen Kissen unter den licht-
grünen Bettvorhängen mit dem Sonneublumen-
mllster sind anfgedeckt und die Fenster sind dicht
verhüllt. Es ist zehn Uhr.
Bon einem niederen Schrank giebt eine Flamme
hinter rothverschleierter Glocke ein gedämpftes, un-
ruhiges Licht. Es fällt in schrägem Streifen auf
den runden Tisch, der vor dein Divan steht und
über welchem sich eine eigenartige Welt aufbaut.
In einer Krystallflasche befindet sich gefärbtes,
grünes Wasser, welches durch eine dahinter bren-
nende Kerze transparent gemacht ivird. Der zittern-
de, magische Lichtschein vertritt das starke Mond-
licht einer Sommernacht.
Der Tisch ist ganz mit buntem Papier bedeckt
und gegen eine Wand von Büchern, welche mit
schimmernden Seidenlnppen behängt sind, lehnen
in willkürlicher Regellosigkeit kleine Papierfiguren,
Puppen aus Modezeitungen, welche nicht ohne
Geschick mit bemalten Kostümen bekleidet sind
Sie tragen alle Zigeunertracht. Auch ein ganz
verzeichneter, ans Pappe gefertigter Zigeunerwagen
ist da mit einem hochbeinigen, unmöglichen Pferd-
chen davor und ein riesiges, grellrotes Feuer aus
demselben Material. Hinter den „Coulissen" liegen
in einem Körbchen Miniatursträußchen aus künst-
lichen Blumen, die mit unendlicher Mühe hergestellt
sein müssen, denn sie sind so winzig , daß man
sie kaum halten kann. Vor dem Tische auf dem
86y
JUGEND
Nr. 52
Das kielensprelzeug Max Peldbaacr 'München)
„ei! artig Spielding!" ruft sie, „das nebm ich mit nach Raus." Und feget mit den fänden, was da sieb alles regt,
Sie fenieet nieder, spreitet bebend ibr €ücblcin aus Zu Raufen in das Cücblein, das sie jusammenscblägt.
(ßbamisso)
sich stumm und mürrisch verhalten oder nichts opfern
wollte, so genügte ein Wink mit dem Reichsapfel
oder ei» kleiner Deuter mit dem Sccpter, um ihn
zu Glück und Freigebigkeit zu bekehren.
Eines Tages, im Monat März war's, da hing
der König, iveil cs so eigenthümlich frostig war,
seinen Purpurmantel um und durchschritt die Stra-
ßen, um sein treues Volk wieder einmal zu be-
glücken. Aber bei dem kühlen Wetter kam es zu
keiner rechten Begeisterung. Plötzlich erhob sich ein
fürchterlicher Sturm; der riß dem armen König
die Krone vom Kopf und hätte ihm fast den Kopf
noch mitgcrisscn, so fest saß der Reif ans alter
Gewohnheit. Im Schrecken ließ der Gute Sceptcr
und Reichsapfel fallen, und ehe er ivußte, wie ihm
geschah, fing sich die Windsbraut in dem weiten
Purpurmantel und führte den König weg, weit
weit hinweg übers Meer, ins Land, wo der Pfeffer
wächst.
Anfangs war der König vom Sturze ganz be-
täubt; als er aber zum Bewußtsein erwachte, kam
ihm der Pfeffer in die Augen und er fing bitter-
lich zu weinen an. Weil er aber nicht ahnte, daß
der Pfeffer an seinen Thränen Schuld sei, so
glaubte er, er weine aus Mitleid um sein armes
verlassenes Volk, und das rührte ihn wiederum zu
neuen Thränen über seine eigene Herzcnsgütc. —
So weinte er fort, und da er schon ziemlich schwach
war, weinte er sich bald zu Tode.
Das Volk aber, undankbar wie die Völker sind,
vergaß se neu guten König, eh' er ihm noch recht
aus den Augen war, und jauchzte einein neuen z».
Der hatte zwar keine Krone auf dem Kopf, son-
dern nur eine Mütze, aber Schellen waren auch
dran, nach denen man tanzen konnte, statt Scepter
und Reichsapfel trug er einen festen Stock mit tüch-
tigen! Knopf, — der war nicht so kostbar, aber
viel praktischer noch zu Lehr und Wehr der Unter»
thanen. Diesen fehlte also nichts und sie lebten,
ivie früher, glückselig und in Frieden."
„Durften sie dem Könige mit der Mütze auch
etwas schenken, Großinntter?" fragten die ivißbe-
gierigen Kleinen.
„Freilich, liebe Kinder! schenken und zahlen
durften sie nach Herzenslust, genau so, nne vorher."
A. Mo.
ZZljantasma
Draußen scheint der große, stille Mond auf
die weißen Schneedächer.
In dem kleinen Zimmer ist Alles zur Nacht
vorbereitet. Die weißen Kissen unter den licht-
grünen Bettvorhängen mit dem Sonneublumen-
mllster sind anfgedeckt und die Fenster sind dicht
verhüllt. Es ist zehn Uhr.
Bon einem niederen Schrank giebt eine Flamme
hinter rothverschleierter Glocke ein gedämpftes, un-
ruhiges Licht. Es fällt in schrägem Streifen auf
den runden Tisch, der vor dein Divan steht und
über welchem sich eine eigenartige Welt aufbaut.
In einer Krystallflasche befindet sich gefärbtes,
grünes Wasser, welches durch eine dahinter bren-
nende Kerze transparent gemacht ivird. Der zittern-
de, magische Lichtschein vertritt das starke Mond-
licht einer Sommernacht.
Der Tisch ist ganz mit buntem Papier bedeckt
und gegen eine Wand von Büchern, welche mit
schimmernden Seidenlnppen behängt sind, lehnen
in willkürlicher Regellosigkeit kleine Papierfiguren,
Puppen aus Modezeitungen, welche nicht ohne
Geschick mit bemalten Kostümen bekleidet sind
Sie tragen alle Zigeunertracht. Auch ein ganz
verzeichneter, ans Pappe gefertigter Zigeunerwagen
ist da mit einem hochbeinigen, unmöglichen Pferd-
chen davor und ein riesiges, grellrotes Feuer aus
demselben Material. Hinter den „Coulissen" liegen
in einem Körbchen Miniatursträußchen aus künst-
lichen Blumen, die mit unendlicher Mühe hergestellt
sein müssen, denn sie sind so winzig , daß man
sie kaum halten kann. Vor dem Tische auf dem
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