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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 5.1900, Band 2 (Nr. 27-52)

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Nr. 52 (??. Dezember 1900)
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https://doi.org/10.11588/diglit.3411#0429
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Nr. 52

1900

. JUGEND .

3it der europäischen Kinderstube Pani Rieth

6 r e t b cb e n und Marianne: „Mir haben Dieb ja so lieb, Onkel Paul aber die ©rossmama darf nichts davon wissen:“

Mutter Germania spricht;

Ein Träumer warst Du, Michel, vordem
Ein Schwärmer, ehrlich und weich,

Da Du in Wolken, noch heimatlos,

Dir bautest der Sehnsucht Reich.

Bis endlich der eiserne Recke Dir,
Bezwingend den alten Bann,

Gefügt auf grünender Erde ein Heim —
Da wardst Du, Michel, ein Mannl

Und als Du trotzig, gestützt auf's Schwert,
Dich hobst in schimmernder wehr;

Und als mein Adler die Schwingen gedehnt
Zum freien Flug übers Meer;

Und als Du kühnlich bedrohtem Recht
verhießest den starken Schild —

Da, Michel — da, war ich stolz auf Dich,
Da schien mein Träumen erfüllt!

Doch als Du heimlich, in falscher Gier,
2ln 2llbion band'st Dein Geschick,

Da suchte besorgt das Muttcraug
Den alten frei-offenen Blick.

Und als Du gestern den greifen Mann,
Den Du einst Bruder genannt,

Den Pilger, der um die Heimat ringt,

Mit kühlen Worten verbannt,

2lls von der jungen Schwelle Du kalt
Des Alten Leid hast verfehmt,

Da, Michel, Hab ich zum ersten Mal
Mich bitter Deiner geschämt! Vollen-

verschiedene Larrieren

wer gut und genau die Bibel kennt,
lind für sich den Spruch den frommen:
„Lasset die Rlcinen zu mir kommen!"

In einer gewissen Variation vcrwend't,

Der wird Intimus vom Herrn Polizeipräsident,
wer durch und durch nichts als ein Lump,
2lber wenigstens lügen kann noch so plump,
Dem winkt im Reich der Mitte drin
Eine glänzende Stellung als Mandarin.
Versteht er aber das Ausschneiden genial,
Dann wird er drunten im Goldland Transvaal
Zum Mindesten britischer General,

Doch wer das Lügen-Metier so virtuos betreibt,
Daß er an lauter Majestäten gefälschte Briefe

schreibt,

Die vor Ergebenheit wie a Dachtrauf'n rinna,
Den macht man einstimmig zum Raiscr von China.

Iti-aut

Hhttonär Cbamberlatn

„C’est la guerre!“

Der verkannte Feldherr

Mehrere Nationen führten einst gleichzeitig Krieg
mit China. Zum Oberkommandirenden wurde ein
gewisser Wälder see ernannt.

Als vorsichtiger Mann berichtete der nun gar-
wenig über die eigentlichen Kriegsereignisse, schrieb
aber in einem Privatbrief an seine Angehörigen,
daß er keine schlechte Klinge schlage, tüch-
tig aufräume und schon zum Frühstück ein
halbes Dutzend Mandarinen verspeise.

Darob entstand nun in Europa ein groß Ge-
zeter über die barbarische, mehr als hunnische Krieg-
führung.

Man bedachte eben nicht, daß „Mandarinen"
eine Art kleiner Orangen seien.

Durch Unverstand geht manches schief,
Entsteht sogar ein „Hunnenbrief"! Kilian

Unlängst fanden wieder in allen Hauptstädte»
des Kontinents Simultan-Ballonfahrten an
einem und demselben Tage statt. Die bayrischen
Abgeordneten Pichler und Kohl haben eine ge
harnischte Verwahrung an das bayrische Kultus-
ministerium geschickt, des Inhalts, daß das über-
wiegend katholische Bayern sich au solchen simul-
tanen Ballonfahrten nicht betheiligen dürfe. Sic
verlangen konfessionell getrennte Luftschifffahrt für
Bayern unter ausschließlicher Aufsicht der Kirche,
in deren Ressort alles Ueberirditchc gehöre.

876
Register
Reinhard Volker: Mutter Germania spricht
[nicht signierter Beitrag]: C'est la guerre!
Kilian: Der verkannte Feldherr
Sebastian Brant: Verschiedene Carrièren
Paul Rieth: In der europäischen Kinderstube
 
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