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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 6.1901, Band 1 (Nr. 1-26)

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Nr. 2
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Nr. 2

. JUGEND

1901


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staurant betreten, „weil einen derKellner so anschaut,"
Das war aus die Dauer nicht durchzuführen. Und
schließlich, das mit dem Ehering ist ja doch nur eine
Formalität, Wenn's ihr eine Freude macht, dachte
der Spreckelmeyer, und kaufte zwei solide, vierzchn-
karütige Eheringe. Bedenklicher wurde die Sache,
als er ihr eine Wohnung einrichtete, und sie daraus
bestand, daß er sie als Frau Doktor Spreckelmeyer
melde, „weil einen sonst der Hausmeister so anschant,"
Er, der den Zwängen der guten Gesellschaft trotzen
wollte, gericth nun unter die Gewaltherrschaft der
schlechten. Dem Kellner und dem Hausbesorger mußte
er seine Freiheit opfern. Das war eigentlich eine
sehr sade Sache, Noch einmal that er ihr ihren
Willen und meldete sie als Frau Doktor, Aber ganz
im Geheimen begann er sich sehr unbehaglich zu fühle».

Zudem veränderte sich auch die Scenerie in der
Salesianergnsse, Eines Tages empfing der Viktor
nicht mehr, und kurze Zeit nachher erzählte man, daß
er seine Blumenmacherin auf Knall und Fall gc-
heirathet hätte. Nur hieß es, er ließe seine junge
Frau französisch lernen, weil er sich ihrer krassen Ig-
noranz in der Gesellschaft schäme. Er, der sich im-
mer so grausam darüber erlustigt hatte, daß die
Mädchen aus gutem Hause französisch lernen! —
Dem Rudi lvar es eigentlich noch schlimmer er-
gangen, Als er wieder einmal, seiner Gewohnheit
gemäß, mit der Braut eines anderen nach Schön-
brunu fuhr, überraschte sie der Verlobte, dem das
nicht recht war, und der.dem SJubi zwei Ohrfeige»
gab. Weiterhin war aus dem Verlobten nichts hcr-
auszubringen, Eü war das ein ganz ungebildeter
und roher Geselle, der jede Art von ritterlicher Ge-
nugthuung verweigerte. Der schöne Rudi verlor seine
Charge als Reserveossizier, was ohnehin sein einziger
Beruf war, und mußte die Wiener Gesellschaft, die
gute und die schlechte, auf einige Zeit meiden.

All' das gab dem Spreckelmeyer zu denken. Wenn
das so ist, dachte er, daß die Wüstlinge heirathcn
oder geohrfeigt werden, dann ist das ja eigentlich
gar kein Vergnügen, ein Wüstling zn sein. Wo
steckt dann der Witz? Heirathen kann man in der
besten Gesellschaft, Auch geohrfeigt werden kann man
n den besseren Kreisen, Es ist ein wahres Glück,
dachte er weiter, daß ich noch nicht soweit bin. Und
>r beschloß, sich schleunigst zurückzuziehen. Wenn cs
auch richtig ist, daß die gute Gesellschaft nicht viel
werth ist, die schlechte ist eigentlich auch nicht besser.
Er beschloß, mit der Poldi zu brechen,

Aber er halte ein so weiches Herz. Und die Poldi
hing so treu an ihm. Sie gehörte zu jener Sorte
von Wiener Mädeln, die, wenn sie sich einmal ein-
hängen, sich mit ihrem ganzen Gewicht einhängen,
anhängen,, ,, Und sie ließ sich gar nichts zu Schul-
den kommen, weshalb man mit ihr hätte brechen
können. Sie war so lieb, so sonst, so brav, U.id

ihre erste Liebe war er auch, und jetzt sollte er bre-
chen, Aber da Hilst nichts, so ist das Leben, Das
mit dem Ehering paßte ihm ohnehin nicht, und die
Titulatur „Frau Doktor" paßte ihm noch weniger,
und daß ihn ihr Onkel, der Fiaker, in ganz Wien
so cordial vom Bock herab grüßte, paßte ihm schon
gar nicht. Da Hilst nichts, da hilft nichts, er wird
mit ihr brechen.

Er unternahm also einen Ausflug mit ihr, so wie
er cs vom Rudi gelernt hatte. Allein auf diesem
Ausflug fand er nicht das richtige Wort, Er unter-
nahm noch einen Ausflug, und dann wieder einen,
umsonst. Schon kannte er sämmtliche Ausflugsorte
in der ganzen Umgebung von Wien, und noch immer
nicht hatte er den Muth gesunden, ihr zu sagen, daß
er eine Herrennatur sei.

Aber um dieselbe Zeit lernte er ein feines blon-
des Mädchen aus gutem Hanse kennen, die ihm sehr
gefiel. Sie sprach französisch, sie spielte Chopin und
im Sommer trug sie sein gestreifte Blvi'scn aus Fou-
lard, die viel hübscher waren als die Blousen der
Poldi, Und sie war ihm in Ehren geneigt, obwohl
er so klein und mager war. Sie liebte ihn sogar,
vorausgesetzt, daß die Verhältnisse stimmten. Und
die Verhältnisse stimmten wüklich. — Er fuhr mit
der Poldi ein letztes Mal aus den Kahlenberg,

Als sie dann am Abend zurückfuhren, ganz allein,
und die herbstlichen Felder, die bräunlichen Reb-
gärten und die bunten Wälder au ihnen vorüber-
zogen in den Schimmern des sinkenden Tages und
Abcndlichter in dem Blondhaar der Poldi spielten
und sie ihm leise die Hände drückte mit zärtlich zuck-
enden Fingern, da wurde dem Spreckelmeyer butter-
tveich um's Herz, und wenn er kein Wüstling ge-
wesen wäre, jetzt hätte er am liebsten weinen mögen.
Fräulein Margit tvar hübsch, gewiß, aber die Poldi
war auch sehr hübsch. Und wenn sie keine so seinen
Seidenblousen hatte, was konnte sie dafür! Dafür
hat sie ihn lieb, viel lieber vielleicht als das kühle
Fräulein Margit, Und er ist an sie schon so ge-
wöhnt , ,,, Aber er kämpfte diese Versuchungen
herrisch nieder. Jetzt oder nie, sagte er sich, als sic
ausstiegen. Er kannte sich: Wenn er heute nicht
brach, so würde er nie brechen. Und es wäre doch
wirklich zu dumm, wenn er da hängen bleiben sollte.
Nein, nein, er muß brechen. Er hielt sich die Ohren
zu allen sentimentalen Einwürfen gegenüber, er biß
die Zähne zusammen und wiederholte sich auf der
ganzen noch übrigen Heimfahrt: Ich breche, ich breche,
ich breche... bis er davon überzeugt war.

Bei ihrem Hausthor, als sie ihm den Mund zum
Kusse reichte, ging er los:

„Du," sagte er, und schlug die Augen nieder, „wir
scheu uns heut' zum letztenmal,"

Sie schaute ihm verständnißlos in's Gesicht,

„Nein, wirklich Du," erklärte er ihr, „Wirklich,
wir sehen uns heut' zum letztem» al, es ist kein Spaß,
mein Wort darauf,"

Sie wurde ernst: „Ja, warum denn auf einmal?"
fragte sie.

Er antwortete nach dem System Rudi.

„Weil's mich nicht mehr freut, ,." er zitterte und
schluckte, „weil mir eine andere besser g'fallt, weil
ich mich nicht zivingen kann, — weil ich eine Hcrben-
natur bin,,.

Weiter kam er nicht. Ein Funkenregen stob vor
seinen Augen auf, wie ivenn eine große Rakete ge-
platzt wäre. Und das Schallgeräusch war auch
ganz ähnlich. Und die Vorübergehenden lachten ganz
curios, wie man lacht, wenn man unwillkürlich Zeuge
einer ganz intimen Familienscene ist, und die Poldi
stand vor ihm mit geballter Faust und flammenden
Augen, wie er sie noch nie gesehen.

Er war eine so weiche Natur, und vor allem
konute er es nicht mit ansehen, wenn jemand seinet-
wegen sich aufregte. Und sein erster Gedanke war:
Eigentlich hat sie ja Recht,

Er verzog seine brennenden Wangen, wie ein
Mensch, der lachen will. Und dann lachte er wirk-
lich, Es war das ein vergnügliches Lachen eines
Menschen, dem ein sehr guter Spaß gelungen ist
und der sich unbändig darüber freut,

„Bist mir richtig hereing'sallen," jubelte er, „bist
mir richtig hereing'sallen! Ich Hab ,,. haha , ,. Ich
Hab' ja nur einen Witz gemacht,"

„Ein Witz, ah so!" sagte die Poldi nach einer
kleinen Pause, „na, dann >var das," sie machte eine
kleine Bewegung mit der Hand, „auch nur ein Witz,"
Er war eine so surchtbar weiche Natur, lind den
Ehering hatte sie schon, und als Frau Doktor war
sie bereits gemeldet, bei seinen Bekannten war er be-
reits compromittirt, und die wesentlichsten Voraus-
setzungen einer guten Ehe lagen beinahe auch schon
vor — er heirathete die Poldi,

Einige von den Wüstlingen wunderten sich wohl
darüber, aber der schöne Rudi, der wieder heiler
war, als wäre er nie geohrfeigt worden, sagte fein
und gelassen:

„Aber >vas ivollt's denn? ES muß doch auch
Leut' geben, die die Mädeln heiratheu, mit denen
wir die Verhältnisse g'habt haben,"

Vierzeiler

Bring niemals Helden auf die Bühne,
Wenn dir der Beifall etwas gilt.

Am Liebsten schaut der Aff' im Spiegel
Sein eignes Bild. rnax Schlierbach

Aurnichtverzagt und nur nicht gleich gezittert,
Thut Zrau Zortuna einen Schritt zurück:
IsterstDeln Gl au be an das Glück erschüttert,
Ist's in den meisten Zöllen auch rein Glück,

«orr Towska

umiuuuw


J. Diez
Register
Fidus: Seesturm
Julius Diez: Teufel
Kory Towska: Vierzeiler
Max Schlierbach: Vierzeiler
 
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