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1901

JUGEND

Nr. 4

^'humoristische Theil des Programms zeichnete
. °urch amüsante Vielseitigkeit aus. In gewohn-
s nrdrolliger Weise wirkten der unverwüstliche
„-tngnst" Bebel, der Charakterkomiker Sigl als
^ terlands-Vertheidiger, der literarische Ep
t'Ntnc R. Dehmel, sowie die sranzösischcn Clowns
mochesort und Dervulede ans das Zwerchfell
nllrr Hörer.

. Um endlich noch des „gemischten Genres"

gedenken, so sei kurz das musikalische „High
-'re Trio" (Wales, Monaco, Milan) erwähnt,
deicn „Spiel" bekanntlich alles Dagewesene über-
tnfst.

.. -T-er „Clou" der modernen Specialitäten aber
>n unbestreitbar der Kincmatograph, an dem
me genialsten Erfinder deS „Tages" noch rastlos
<>crbenerungeir über Verbesserungen anbringe». —
Wciitc ist dieser Wunderapparat bereits zu einer der-
artigen Vollkommenheit gediehen, daß er die Ei"
eignitse schon jahrelang vor dem Geschehen sixirt!.'
'r" snhen vorgestern drei hochgelungene Proben
dreier Zukunftsbilder, nämlich: „Herbstparade
des l. Bahcrischcn Armeekorps in schwar-
zer (Preußischer) Hose i. I. 1903„Einzug
des Kaisers von Rußland in seine zweite
Hauptstadt Peking, am 13. Juli 1906;" „Sr.
Millner, der letzte Engländer in Südafrika,
wird auf einem Burcnkreuzer in Capstadl
»ach England verladen 1907." — F T M

hervorragende Schlaumeier

Das englische Kriegsamt veröffentlichte vor
kurzem ein Telegramm in welchem es heißt:

„Clements hielt es für räthlich, die
Zure» nicht aus ihren Stellungen zu
vertreiben."

Diesem „berühmten Muster" lassen sich die
folgenden Analogien an die Seite stellen:

Mathias Kneißl hielt es für räthlich, die
Aufstellung seiner Büste in der Walhalla nicht
zu beantragen.

Phryne hielt es für räthlich, die Vorstand-
schaft des Jungfernbnndes nicht zu beanspruchen.

Herr Bankier Gold stein hielt es für
räthlich, den betreffenden Orden in diesem Jahre
iroch nicht anzunehmen.

Waldersec hielt es für räthlich, mit der
Kaiserin von China nichtpersönlichzu konferiren.

Unsere paritätische Lcke

In Barmen hat der Vorstand des evan-
gelischen Waisenhauses seinen Zöglingen
untersagt, eine Weihnachts-Kindervorstellung zu
besuchen. welche der Theaterdircktor Gregor den
ärmen Kindern gratis anbot. Denn: ..Die Waisen-
kinder kämen meist aus den allerärmsten Ver-
hältnissen und gingen nach der Entlassung aus
dein Waisenhause wieder in ärmliche Verhältnisse
hinein. Die Kinder gehörten in die Kirche;
der Besuch des Theaters sei sündhaft und
rege die Sinnenlust anl" Der Barmcner Gc-
"nithsmensch wurde in eine Besserungsanstalt
eher passen, als in ein Waisenhaus — natürlich
»ks Direktor I

Der katholische Kaplan Villinger in Heß-
knch hat etliche Schulkinder verhauen, weil sie
einer Weihnachts-Beschecrung bei den
Altkatholiken beiwohnten. Nun rechtfertigt
er sich damit, daß er den Besuch dieses Festes
bei Strafe verboten hatte. Das ist was
Anderes I Dann waren allerdings Prügel am
Platze — aber an die falsche Adresse sind sie ge-

>ommen.

Hau de Cologne

Eine ganz verflucht gescheite Seele
erhebt in der „Kölnischen Zeitung"
ihre Stimme und warnt das deutsche
Volk vor dem Beispiel, das gewisse
Kommandanten und Kapitäne deutscher
Schiffe gegeben haben, indem sie, ailstatt
so klug und verständig wie die Seele
der „Kölnischen Zeitung" zu sein, lieber
„ohne verständigen Grund" mit
ihrem Schiffe zu Grunde ginge». Die
verflucht gescheite Seele spricht zwar ihre
Anerkennung für „die ehrenvolle Tapfer-
keit" solcher Donchijote aus, kan» aber
weder die „Nothwendigkcit" noch
den „Nutzen" solcher „nutzloser Selbst-
vernichtung" einsehen. Ganz richtig:
Praktische Leute mit dem englischen Ge-
schäftssinn der „Kölnischen Zeitung"
sind solche sterbenwollenden Komman-
danten, Offiziere und Kapitäne nicht.
Aber trotzdem — der Nutzen, ja wobl
der Nutzen, den solche Männer durch ihr
Beispiel dem deutschen Volke bringen,
ist ganz unschätzbar und jedenfalls un-
endlich viel größer als alle Millionen
des Großkapitals, welches durch die „Köln-
ische Zeitung" journalistisch vertreten
wird. Man muß nur den Nutzen solchen
Todes begreifen können. Der Geist,
der diese Männer sterben heißt, erzeugt
unsterblich fort die Helden, die wir
nöthig brauchen, wenn wir als ein
großes niächtiges Volk durch die künf-
tigen Jahrhunderte weiterkeben wollen.
Dieser Geist zum Sterben ist wahrhaf-
tig der Geist des höchsten Lebens, von
dem die „Kölnische Zeitung" nur leider
gar nichts zu verstehen scheint, obwohl
sie ihn jedenfalls demnächst — am 18.
Januar — in einem schwunghaften
Leitartikel mit dem Brustton der Ueber-
zeugung feiern wird, als den Geist, der
Preußen und Deutschland groß gemacht
hat. Volker

F)iobsposten

Kam ein Lote zu Hiob und sprach: „Die Rinder pflüg-
ten und die Ssel gingen neben ihnen an der weide. Da
fielen die aus dem Reiche Afrika herein und nahmen die
Rinder und ließen die Esel, Deine Generale und Dffiziere,
wieder laufen; und ich bin entronnen, daß ich Dir's ansagte."

Da der noch redete, kam ein minderer und sprach: „Das
Feuer Gottes fiel vom Fimmel und verbrannte die Schafe
und Kameele, Deine Heerführer. De wet aber entkam über
den Vranjefluß; und ich bin allein entronnen, daß ich Dirs

ansagte."

Da der noch redete, kam Einer und sprach: „Die Buren
machten drei Spitzen und überfielen die Kameele und schlugen
mit der Schärfe des Schwertes, und halten die Drakensberge
besetzt. Und ich bin allein entronnen, daß ich Dirs ansagte."

Da der noch redete, kam Einer und sprach: „Deine
Söhne und Töchter aßen in einer Farm. Und siehe, da
kam ein großer Sturm von der wüste her und setzte alles
in Flammen und rührte die ganze Eapcolonie auf; und ich
bin allein entronnen, daß ich Dirs ansagte." —

Da stand Hiob auf und zerriß sein Kleid und raufte
sein Haar und fiel auf die Erde und rief: „Rir is mit die
Gratulationen für Roberts und mit die Dankgebete...!!"

(Das Buch Hiob >. Lap. 13. bis 20 )

Öalbe 3 „Ingend" ist von der Wiener
Cenfur endlich freigegebeu worden, aber unter
der Bedingung, daß der Pfarrer Hoppe und der
Kaplan Schigorski im Stücke in Protestanten
verwandelt werden. Also wird jetzt die Los
von Rom-Bewegung in Oesterreich sogar
von der Regierung unterstützt!

Der neue Plutarch

Als der große Alexander noch klein war
und von neuen Siegen Philipps hörte, rief er
weinend aus:

„Auweh, mein Alter wird mir nichts mehr

zu erobern übrig lalscn!"

„Sei ner so dalkct," tröstete ihn parmenio-
nerl, „'s bleibt schon noch was über, 's gibt
ja noch keine Engländer!"

A. Schmidhammer

Ein Geschichtsforscher

Genosse Stadthagen hat in der Berliner
Stadtverordnetenversammlung erklärt, „die Ho h e n-
zollern hätten überhaupt nichts gethan, was der
Kulturbewegung, der Größe Preußens oder Deutsch-
lands dienlich gewesen wäre." In der That: wenn
man bedenkt, wie das vorher so gewaltige Preußen-
reich durch die Unfähigkeit des sogenannten großen
Kurfürsten seine Macht einbüßte, wie Friedrich
Wilhelm I. und Friedrich II. es wirthschaftlich
ruinirten und wie schließlich Wilhelm I nicht
nur den letzten Rest von Preußens Herrlichkeit an
Napoleon III. verlor, sondern auch das starke,
einige Deutschland in 36 Kleinstaaten zertrüm-
merte — wenn man das bedenkt, muß man Herrn
Stadthagen eigentlich Recht geben!

GS

Ibsen hat sich als Gegner der Buren „von
wegen der Civilisation" bekannt. Ohm Krüger
nahm sich das tief zu Herzen und soll erklärt
haben, wenn die Buren auf dem Kriegs tb rat er
nichts niehr zu thun hätten, wollte» sie sich bei
dem großen Norweger durch Musterausführungen
von „Klein - Eyolf", „Baumeister Solneß" und
„Wenn wir Todten erwachen" ivieder „heraus-
pauken"!

6Z
Register
[nicht signierter Beitrag]: Ibsen hat sich als Gegner...
[nicht signierter Beitrag]: Halbe's "Jugend" ist von der Wiener Censur...
[nicht signierter Beitrag]: Der katholische Kaplan Villinger
Plutarch [Pseud.]: Der neue Plutarch
Monogrammist Frosch: Hiobsposten
Arpad Schmidhammer: Illustration zum Text "Der neue Plutarch"
Reinhard Volker: Eau de Cologne
[nicht signierter Beitrag]: Hiobsposten
[nicht signierter Beitrag]: Ein Geschichtsforscher
[nicht signierter Beitrag]: Hervorragende Schlaumeier
[nicht signierter Beitrag]: Unsere paritätische Ecke
 
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