JUGEND
Nr. S
I
Was würde sie wohl sagen, wenn sie kam?
Und was würde er sagen? Das wußte er
ebenso wenig. Wenn er Reißaus nähme? —
kam's plötzlich verlockend über ihn. Es wäre
so leicht, jetzt sortzugehcn. Wenn die Beiden
erst wieder da waren, wurde es viel schwerer.
Er erhob sich, öffnete die Thüre, setzte sei-
nen Hut auf und blickte, die Hände in den
Taschen, um sich. Es war Niemand zu sehen,
b>e Lust war rein. Er schaute nach Links, wo
der Weg nach Hause, in den sichern Hafen,
luhrte. Vorsichtig that er einige Schritte, es
störte ihn Keiner bei seinem männlichen Vor-
baben und sein zögernder Gang wurde rascher
llnd energischer. Eben hatte er den Dung-
hausen hinter sich, der die ganze Front des
Hauses entlang lief, da kam Betsy um die Ecke
gerannt, geradewegs auf ihn zu. Betsy, die
Nicht ahnte/daß ihre Mutter nichts davon
wußte, fand nichts Auffallendes dabei, daß
John fvrtgehen wollte. John dagegen glaubte,
er sei ertappt. Er versuchte, sich den Anschein
zu geben, als treibe er sich nur zum Ver-
gnügen aus dem Hofe umher. Betsy, sei es,
weil sic verdutzt darüber war, sei cs aus
Verstimmung oder aus kindischem Eigensinn
oder aus all diesen drei Gründen zusammen,
ging, ohne ein Wort zu sagen, an. ihm vor-
über und verschwand im Hause. John sah
ihr nach, wurde roth, nahm seinen Hut ab,
setzte ihn wieder aus, machte wieder einige
Schritte dem heimathlichen Pfade zu, kam bis
an den Hofzaun, .blieb von Neuem stehen,
schließlich ließ er sich hier nieder, um über
sein ferneres Verhalten nachzudenken.
Im Hause traf Betsy die Mutter.
„Hast Du ihn heimgeschickt?" fragte diese,
in der Meinung, die Beiden hätten sich
draußen ausgesprochen.
„Nein," sagte die. Tochter.
„Hast Du ihn nicht gesehen?" fragte die
Mutter erstaunt.
„Doch."
„Was hast Du denn mit ihm angefangen?"
„Nichts."
. Mrs. Gee ging zur Thüre hin und blickte
>n die helle Juninacht hinaus.
„Dort sitzt er ja, ans dem Zaun!" rief sie.
„Und ich geh' zu Bett," sagte Betsy.
.. --Das läßt Du gefälligst bleiben!" eiferte
?!e Mutter. Meinst' vielleicht, ich bleib' allein
,'dr und guck' dem dummen Bengel zu, ivie
r die halbe Nacht da drüben hockt?"
"Dann hol' ihn doch 'rein!"
stblte noch! Du hast ihn hergebracht,
wt sieh' selber zu, was aus ihm wird."
„Aber Betsy wollte natürlich nicht hinaus-
» Yen. Die Sache war zu einem Stillstand
u wininen. Die beiden Frauen saßen drinnen
Lutetias ^öcbter
(Zw Zeichnung von Ws>k Münrrr)
Die IWünchnerin und die Berlinerin,
Sie sind so übel nicht, ich bann nicht Klagen.
3edoch, ich weiss nicht recht, wie soll ich s sagen
Vielleicht ein wenig philiströs von Sinn.
So unhellenisch: gar Kein Sonnenschein,
So gar Kein Kunstverständniss steckt da rinne
Dagegen — P>imrr»el! — Die Pariserinnen! ^
Wie anders wirkt dies Zeichen auf mich ein
Da schwindet all der nord’sche Nebeldunst,
Wir stehen vor Hspasien und phrynen,
Und Kunst wird alles: Sprache, Sang und Mienen.
Haar, Hüften, tippen, Zähne alles UTI^
Kory Towsk»
im Haus, John draußen aus dem Zaun. Je
länger er dort saß, um so verzwickter wurde
seine Lage. Wenn die im Hause die Thüre
zugemacht hätten, dann hätte es auch ihm
stei gestanden, sich zurückzuziehen.
Das thaten sie aber nicht, denn das ver-
trug sich nicht mit ihren Begriffen von An-
stand und guter Sitte.
-Alles war still, nur ein ruhe-
loser Kiebitz hüpfte mit Nagendem Wen—wit!
Wen—wit! aus dem Felde hinter ihm, hin
und her.
Schläfrig stieg der Mond empor und als
er John erblickte, verzog er sein pausbacki-
ges Gesicht zu einem verächtlichen Grinsen.
Die Hauskatze schlich sich zu ihm hin, mit
hocherhobenem Schwanz und schnurrte, sich an
seinen Beinen reibend: Kommt sie wohl bald?
Im Hause drin gähnte man..
„Ich möcht' in's Bett," sagte Mrs. Gee.
„Ich auch," sagte Betsy.
„So hol' ihn doch!"
„Ich kann ihm doch nicht nachlaufen."
Allgemach begann Mrs. Gee, sich auf einen
Ausweg aus ihrer stolzen Neutralität zu be-
sinnen. Sie konnte zu keinem Entschlüsse kom-
men. John, der einzige Sohn eines wohl-
habenden Mannes, war eine gute Partie.
Aber der ganze Hochmuth ihrer Kaste empörte
sich dagegen, auch nur einen Finger zu rühren,
um ihn für ihre Betsy zu sichern.
Aus der Ferne tönte ein Pfiff und das
Klappern von Holzschuhen unterbrach das
Schtveigen der Nacht. Betsy wußte sofort,
was diese Töne zu bedeuten hatten. Man
kam, um John zu holen. Oder wenigstens,
um bei ihnen zu fragen, ob sie nicht wüßte»,
was aus ihm geworden.
Sie huschte aus dem Hause und über den
Hof zu John hinüber.
„Du einfältiger Mensch," raunte sie
ihm zu, „hörst denn gar nichts? Man
sucht Dich, gleich werden sie da sein!
Hast vielleicht Lust, hier getroffen
zu werden?"
John stand auf.
„Ich brauch' nicht fortzu-
gehen, eh' ich nicht mit Dir
im Reinen bin. Willst meine
Frau werden?"
„Ja," flüsterte es kaum
hörbar erst, dann energischer:
„Ja, wenn D'machst, daß
D'sortkommst!"
Und John ging.
iAus dem Englischen
von Hans Jürgens.)
Adolf Münzer
7>
Nr. S
I
Was würde sie wohl sagen, wenn sie kam?
Und was würde er sagen? Das wußte er
ebenso wenig. Wenn er Reißaus nähme? —
kam's plötzlich verlockend über ihn. Es wäre
so leicht, jetzt sortzugehcn. Wenn die Beiden
erst wieder da waren, wurde es viel schwerer.
Er erhob sich, öffnete die Thüre, setzte sei-
nen Hut auf und blickte, die Hände in den
Taschen, um sich. Es war Niemand zu sehen,
b>e Lust war rein. Er schaute nach Links, wo
der Weg nach Hause, in den sichern Hafen,
luhrte. Vorsichtig that er einige Schritte, es
störte ihn Keiner bei seinem männlichen Vor-
baben und sein zögernder Gang wurde rascher
llnd energischer. Eben hatte er den Dung-
hausen hinter sich, der die ganze Front des
Hauses entlang lief, da kam Betsy um die Ecke
gerannt, geradewegs auf ihn zu. Betsy, die
Nicht ahnte/daß ihre Mutter nichts davon
wußte, fand nichts Auffallendes dabei, daß
John fvrtgehen wollte. John dagegen glaubte,
er sei ertappt. Er versuchte, sich den Anschein
zu geben, als treibe er sich nur zum Ver-
gnügen aus dem Hofe umher. Betsy, sei es,
weil sic verdutzt darüber war, sei cs aus
Verstimmung oder aus kindischem Eigensinn
oder aus all diesen drei Gründen zusammen,
ging, ohne ein Wort zu sagen, an. ihm vor-
über und verschwand im Hause. John sah
ihr nach, wurde roth, nahm seinen Hut ab,
setzte ihn wieder aus, machte wieder einige
Schritte dem heimathlichen Pfade zu, kam bis
an den Hofzaun, .blieb von Neuem stehen,
schließlich ließ er sich hier nieder, um über
sein ferneres Verhalten nachzudenken.
Im Hause traf Betsy die Mutter.
„Hast Du ihn heimgeschickt?" fragte diese,
in der Meinung, die Beiden hätten sich
draußen ausgesprochen.
„Nein," sagte die. Tochter.
„Hast Du ihn nicht gesehen?" fragte die
Mutter erstaunt.
„Doch."
„Was hast Du denn mit ihm angefangen?"
„Nichts."
. Mrs. Gee ging zur Thüre hin und blickte
>n die helle Juninacht hinaus.
„Dort sitzt er ja, ans dem Zaun!" rief sie.
„Und ich geh' zu Bett," sagte Betsy.
.. --Das läßt Du gefälligst bleiben!" eiferte
?!e Mutter. Meinst' vielleicht, ich bleib' allein
,'dr und guck' dem dummen Bengel zu, ivie
r die halbe Nacht da drüben hockt?"
"Dann hol' ihn doch 'rein!"
stblte noch! Du hast ihn hergebracht,
wt sieh' selber zu, was aus ihm wird."
„Aber Betsy wollte natürlich nicht hinaus-
» Yen. Die Sache war zu einem Stillstand
u wininen. Die beiden Frauen saßen drinnen
Lutetias ^öcbter
(Zw Zeichnung von Ws>k Münrrr)
Die IWünchnerin und die Berlinerin,
Sie sind so übel nicht, ich bann nicht Klagen.
3edoch, ich weiss nicht recht, wie soll ich s sagen
Vielleicht ein wenig philiströs von Sinn.
So unhellenisch: gar Kein Sonnenschein,
So gar Kein Kunstverständniss steckt da rinne
Dagegen — P>imrr»el! — Die Pariserinnen! ^
Wie anders wirkt dies Zeichen auf mich ein
Da schwindet all der nord’sche Nebeldunst,
Wir stehen vor Hspasien und phrynen,
Und Kunst wird alles: Sprache, Sang und Mienen.
Haar, Hüften, tippen, Zähne alles UTI^
Kory Towsk»
im Haus, John draußen aus dem Zaun. Je
länger er dort saß, um so verzwickter wurde
seine Lage. Wenn die im Hause die Thüre
zugemacht hätten, dann hätte es auch ihm
stei gestanden, sich zurückzuziehen.
Das thaten sie aber nicht, denn das ver-
trug sich nicht mit ihren Begriffen von An-
stand und guter Sitte.
-Alles war still, nur ein ruhe-
loser Kiebitz hüpfte mit Nagendem Wen—wit!
Wen—wit! aus dem Felde hinter ihm, hin
und her.
Schläfrig stieg der Mond empor und als
er John erblickte, verzog er sein pausbacki-
ges Gesicht zu einem verächtlichen Grinsen.
Die Hauskatze schlich sich zu ihm hin, mit
hocherhobenem Schwanz und schnurrte, sich an
seinen Beinen reibend: Kommt sie wohl bald?
Im Hause drin gähnte man..
„Ich möcht' in's Bett," sagte Mrs. Gee.
„Ich auch," sagte Betsy.
„So hol' ihn doch!"
„Ich kann ihm doch nicht nachlaufen."
Allgemach begann Mrs. Gee, sich auf einen
Ausweg aus ihrer stolzen Neutralität zu be-
sinnen. Sie konnte zu keinem Entschlüsse kom-
men. John, der einzige Sohn eines wohl-
habenden Mannes, war eine gute Partie.
Aber der ganze Hochmuth ihrer Kaste empörte
sich dagegen, auch nur einen Finger zu rühren,
um ihn für ihre Betsy zu sichern.
Aus der Ferne tönte ein Pfiff und das
Klappern von Holzschuhen unterbrach das
Schtveigen der Nacht. Betsy wußte sofort,
was diese Töne zu bedeuten hatten. Man
kam, um John zu holen. Oder wenigstens,
um bei ihnen zu fragen, ob sie nicht wüßte»,
was aus ihm geworden.
Sie huschte aus dem Hause und über den
Hof zu John hinüber.
„Du einfältiger Mensch," raunte sie
ihm zu, „hörst denn gar nichts? Man
sucht Dich, gleich werden sie da sein!
Hast vielleicht Lust, hier getroffen
zu werden?"
John stand auf.
„Ich brauch' nicht fortzu-
gehen, eh' ich nicht mit Dir
im Reinen bin. Willst meine
Frau werden?"
„Ja," flüsterte es kaum
hörbar erst, dann energischer:
„Ja, wenn D'machst, daß
D'sortkommst!"
Und John ging.
iAus dem Englischen
von Hans Jürgens.)
Adolf Münzer
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