Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben (6.1901, Band 1 (Nr. 1-26))

Nr. 9 . JUGEND .

(Redaktionsschluss: 13. Februar 1901.)

Beim

billigen Jakob

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herein, nur immer herein spaziert,

Meine Herrn und Damen, nicht geniert!
Trippelt ihr Mädchen, ihr Buben lauft!
Beim billigen Jakob wird ausverkauft.

Der alte Jakob, Jakob der gute,

Rriegt eine nagelneue Bude,

Drum gibt er den ganzen Trödel fort,
Verlohnt sich ja nicht der weite Transport.
Der Jakob hat etwas für Jeden:

Rari>, Novi- und Antiquitäten,

Soliden Urväterhausrath und
Modernen kunstgewerblichen Schund,

Fräcke, beinahe noch warm vom Schneider,
Abgelegte Damenkleider,

Lebend'ges und ausgestopftes Vieh,

Echte Brillanten und Qimilt,

Bildwerk, frommes und profanes-

Zum Beispiel hier, der heil'ge Johannes,
Meine Gnädige, sehen Sie nur,
welch' eine wunderschöne Figur,
welche bibeltreue Gestalt,

Aus Holz geschnitzelt und angemalt I
wär' eine reizende Dekoration,
wie gemacht für Ihren Salon.

Um einen Spottpreis geb ich ihn her,

Mein Wort, er kostet mich selber mehr
Mit Postament und Heiligenschein;

Im Nothfall Heizen Sie damit ein,

Gibt ein ganz hübsches Johannisfeuer
Jetzt, wo die Rshlen so sündhaft theuer.

Sie machen gewiß keinen schlechten Rauf; —
Die drei Aeiherfedern geb' ich noch drauf.

Und Sie, mein lieber Herr, wo fehlt'«?
Entspricht vielleicht hier der Biberpelz?
Er ist an den Aermeln und am Lragen
Ein kleines bischen abgetragen.

Sonst aber ein ganz famoser Flaus.

Sie schneiden die besten Stücke aus

Und machen sich noch ein completes Gewand;

Merkt keiner, daß es aus zweiter Hand.

Verehrtes Fräulein, treten Sie zu!
wie gefällt Ihnen dieser Rakadu?

Für einzelne Damen, der Ansprache wegen,
wär' so ein Papcrl ein rechter Segen,

Und wie lange könnten Sie sich dran freuen!
Sie wissen ja, die Papageien,

Besonders die grünen, werden leicht
Hundert Jahre und mehr, wenn'« reicht;

Ja, es soll sich sogar begeben,

Daß solche Viecher sich selbst überleben.

Sie mögen ihn nicht? Dann haben Sie
Vielleicht lieber ein heimisches Federvieh?

Die Haubenlerche wäre ganz nett,
wenn sie sänge und eine Haube hält';

So kostet das Vögerl gar nicht viel —

Geb' es um einen Pappenstiel.

Noch einen Vogel, mehr Herrensport,

Eine zahme Wildente Hab' ich dort;

Ist schon etwas kraupig und verzupft
Und die schönsten Federn sind ausgerupft,
Doch bleiben noch hübsche genug daran,

Mit denen sich einer schmücken kann.

was möchtest denn Du, mein süßer Bengel?
Wohl gar den versunkenen Glocken-
schwengel?

Ein feiner Rlöppel von früher her,

So was macht heute kein Gießer mehr;

Doch weil ich der billige Jakob bin
Und um aufzuräumen, verkauf ich ihn
wie altes Eisen nach dem Gewicht,

Die schöne Form berechne ich nicht.




Haben Sie schon mein Prachtstück bewundert.
Den zerbrochen en Rrüg aus dem vor'ge»

Jahrhundert?

Genial gekleistert meiner Treu!

Rein Sprüngchen zu sehen, schöner wie neu.
Ist auch zehnmal mehr werth, Madam,

Als mein ganzer übriger Rram,

Und nur weil Sie es sind, ausnahmsweis,
Geb' ich ihn um den halben Preis.

Fräuleinchen, kommen Sie immer heran!
was sagen Sie zu dem Talisman?

Ist zwar durchaus keine Hexerei,

Nichts Uebernatürliches dabei,

Aber das Ding ist wundernett,

Ein reizendes kleines Amulett,

Sie sollten es am Schnürchen haben l
In Fulda wurde es ausgegraben
Oder in Schilda, weiß nicht mehr recht,

Auf jeden Fall aber ist es echt.

Es liegt noch so manches Hübsche herum,
Mein hochzuverehrendes Publikum;

Lassen Sie sich nur ruhig Zeit
Und betrachten Sie die Herrlichkeit!

Die ganze Bude von A bis Zer
Zu Ihrer geneigten Verfügung steht,

Billiger als um ein Linsengericht —

Nur meinen Schimmel verkauf ich nicht;

Den nehm' ich mit, und wär's so zu sagen
Bis dort, wo die Welt ist mit Brettern ver-
schlagen

wer sollte mir sonst durch Dick und Dünn
Jahraus jahrein den Rarren zieh'»?

Um Geld ist dem Jakob alles feil,

Wenns fein muß, sogar sein Seelenheil
Nur sein geliebtes, treues, alte»,

Sein weiße« Rössel nicht — Gott erhalt es!

A Mo.

Herausgeber: Dr. GEORG HIRTH; verantwortliche» Redakteur: F. von OSTINI; G. HlRTH’s Kunstverlag, verantwortlich für den Inseratentheil: G. EICHMANN, simmtlich in München

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