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Du kennst den Gott, der seine Jäckel sendet.
Gr ist der Gott, der jeden Kummer heilt,

Gr ist der Gott, der jede Diebe endet....

Dies ist mein ■Dbfcbicdsbrief. Die Stunde eilt.
Drei Kreuze setz' ich drunter, eins für mich;
Gin kleiner JriedhoN Jld), wie liebt’ ich dich!

fiugo Salus

"Vom Hörensagen

(1853)

l^uhig lag der ©olf von I}apel,

Den das flQarktschiff sacht durchschnitt.
Jlber drei napoletan’sche
Küchenjungen fuhren mit.

GCCährend sie Qitronen kauten,

/Sprachen sie von ihrem Kach,

JXnd im €{ssen auch und Trinken
l-^ühmten sie sich Grosses nach.

K>it dem Oberkoch des Prinzen
^Kettet’ feiner von den Drei’n,
/Sechsunddreissig Apfelsinen
Zu verzehren, ohne CCCein.

Beider ass er schon am CQorgen
selben Tages Baccalä,

TTnd der Kisch hat seine Tücken,

Deren er sich nicht versah.

^einundzwanzig, neunundzwanzig
X/ahm die Bestie noch nicht krumm;

Da es kam an dreissig, dreht sie
Aich wie toll im Grab herum.

Denkt euch, sprach er, meinen £E>agen!
Und beschrieb ihn nun aufs Haar,

Bis von blossem Hörensagen
Ich denn richtig seekrank war.

Paul fieyse

es gibt unendliche Stufen des Lebens, von
der, welche dem Schlaf und Tod zunächst
ist, bis zu der des steten Wachens, der Unstcrb>
lid)fdt. Man darf nicht den Mcnfchcn mit
dem Menschen verwechseln. Leider muß id)
annchmcn, daß die große Masse niemals so
über sich selbst erhoben wird, daß sic ihre
Bestimmung groß und schön durchleuchten sicht.

Bist du krank und muthlos, so gehe im Win-
ter hinaus und steh, wie die rothcn Erlcn-
käychen am Ende aller Zweige gleich langen,
harten lNaulbccrcn in der Winterluft baumeln
und uns einen neuen Frühling und die Erfüllung
alt unserer Hoffnungen versprechen. Imwintcr
schäyen wir alles Zarte, Weiche, Vogelnester,
Insektcnlcbcn; vor allem lieb ist mir das maul
bccrrothc Erlcnkätzchcn, in dem ein Leben schlum-
mern mag, das kräftiger ist, als das meine.

Die Erle ist im Winter einer der hübschesten
Bäume und Sträuchcr, sic ist so augenscheinlich
voller Leben mit ihren auffallenden, netten,
rothcn 'üäychen, die sie auf alle» Seite» um-
baumeln. Sic scheint den Winter weniger zu
fürchten als andere Pflanzen, und dabei so
ein gewisses fidclcs Hcisasajuchcausschen, we-
niger Steifheit als die meisten andern, mehr
von der biegsamen Grazie des Sommers. Mit
ihren stiegcndcn Räychenbüscheln, die sie dem
Winter ins Gesicht schlenkert, thut sie groß
im Namen aller Vegetation. Die Rälte schreckt
sic nidjt, anmuthig neigt sic sich über den ge-
frorenen Strom. ^ .

lz. Cborcau

Seine „Jugend"

von Kart Rosner

war am Tage der Eröffnung der letzten
großen Kunstausstellung, und wir saßen, ein
Kreis von Malern um einen runden Tisch im
Lase und sprachen gerade über die Plätze, welche
die pängekommission unseren Bildern gegeben,
lind wie wir da waren, — fünf Mann hoch,
deren jeder seine Leinwand beigesteuert hatte, —
war ein einziger von uns zufrieden mit der Stelle,
dahin man ihn gehenkt. Dieser Line war der seit
Kurzem zum königlichen Professor ernannte Maler
Korff und sein Bild war das Porträt einer der
sehr heiratsfähigen Töchter des allerhöchsten pauses.
Namentlich der Landschafter Schreiner schimpfte
mächtig über den ganz unmöglichen Platz, den
man seinem „Thauwind" angewiesen, und that-

Rehm (München)

sächlich hing das prächtige, stimmungsvolle Bild-
d?cit so unglücklich, daß sein ganzer frischer und
eigenartiger Reiz verloren ging.

So kamen wir besonders darauf zu sprechen,
wie groß der Linfluß sei, den die Art des pängens
auf die Wirkung eines Bildes übe, und wie dieser
Linfluß das Bild unter Umständen geradezu bis
zur Unkenntlichkeit verändern könnte. Und da
waren wir ungefähr mit unserer Weisheit ange-
langt, als dein Professor als Beispiel dafür eine
Geschichte „von damals" eiufiel, die er uns in
seiner ein wenig ironischen Art zum Besten gab.

„Ich war damals," — so erzählte er, — „noch
ein sehr junger Vogel, — so gerade flügge ge-
worden, und hatte eben die letzten Reste der aka-
demischen Lierschalen aus meinem Neste geworfen.
Nun war id? im Begriffe, zunächst im Geiste jene
unsterblichen Werke zu schaffen, mit denen ich den
alten perren, die id? übrigens damals ungemein
verad?tetc, einmal zeigen wollte, was wir uns
unter „Kunst" zu denken haben.

Na, — wenn nid?ts Anderes, aber Mnth habe
ich gehabt, und Leinwandred?nungen hat mein
alter perr für und? bezahlen können, - soviel
braucht man heute uid?t mehr für eine neue Segel-
yacht. wenn id? so gegen meine damaligen For-
mate meine jetzigen Arbeiten anschau', — ja,
Kinder, man wird alt, und ich glaube wir Maler
merken das am besten an der Größe unserer Bilder.
Immer kleiner werden wir, — immer näher
rücken wir unser bisd?en Können zusammen auf
der Leinwand, und die große Zuversicht geht
immer mehr in die Binsen.

Also das war so zu Mitte der achtziger Jahre,
damals hatte man ja- wieder das Lid?t entdeckt
und damit die Farben. Mir jungen Leute haben
uns »atürlid? darin gar nicht genug thun können
und hätten unsere Pariser Führer am Liebste»
nod? übertrumpft mit diesen Lxperimentalbildern
und Atelierkunststückerln: Line berlinerblaue Dame,
— natürlich ohne Kleidage, — auf einer spinat-
grünen wiesen in ziegelrother Beleuchtung, oder
veilcheufarbige Bäume unter einem grünen Pim-
mel, — das waren so unsere Ziele. Aber ernst
waren wir dabei, — ich sage Lud?, mit aufein-
andergebissenen Zähnen.

Aber um zur peldin meiner Gesd?ichte zu kom-
men: Ich hatte damals eine kleine Bekanntschaft,
ein nettes, zierliches Ding, mit dem id? meine ma-
teriellen und idealen Besitzthümer theilte. Id? be-
sorgte ihre nid?t allzukostspieligc Toilette, führte
sie aus, nad? Starnberg oder nad? Nymphenburg
und im klebrigen hob id? ste krampfhaft zu mir
empor. Id? weiß, daß id? ihr meine Theorien
mit eindringlichem Lrnst vortrug, und daß sie
alles was ich malte mit einer blinden Lrgebeu-
heit bewunderte, die von ihrem sonstigen Ueber-
muth sid? seltsam abhob, und die mich an ihr ent-
zückte. Diese, meine Lenta, sd?wang in ihren nicht
stellenlosen Zeiten, — die jedoch vor meiner Lpoche
liegen müssen, — den ehrbaren Beruf eines Näh-
mädchens. Daß davon nicht mehr die Rede sein
konnte, nachdem ste sich der Kunst zngcwendet, und
Register
Fritz Rehm: Zeichnung ohne Titel
Paul Heyse: Vom Hörensagen
Hugo Salus: Abschiedsbrief
Karl Rosner: Seine "Jugend"
Henry David Thoreau: Gedanken
 
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