1901
JUGEND
4
Nr. 12
Rechtszustände in China
Der Europäer und im Besonderen der
Deutsche, der sich einer über jedes Lob er-
habenen, unbeeinflußbaren und tüchtigen
Justiz erfreut, kann sich von dem verwickel-
ten und eigenthümlichen Gange chinesischer
Prozesse schwerlich einen Begriff machen. Es
gibt keine Richter in China, die nicht jedem
von oben kommenden Einfluß willig Gehör
schenken. Und das ist leicht verständlich in
einem Reiche von so ausgesprochen monar-
chischer Gesinnung wie Ehina, in dem das
Staatsoberhaupt als eine heilige Person,
als der Sohn des kjimmels, geehrt und ge-
achtet wird. Der Kaiser selbst hält sich für
unfehlbar und allmächtig; und wehe dem
Unterthanen, der diese hohen und höchsten
Eigenschaften anzuzweifeln wagt. Ueber
solche Frevler, die aber — Gott sei Dank —
nur sehr selten auftreten, wird schonungs-
los das Todesurtheil gesprochen.
Jeder junge Chinese, der in den pof-
und Staatsdienst eintritt und Jeder, der
sich um ein noch so kleines Amt streb-
sam bemüht, lernt zuerst, daß er keine
eigene Meinung haben darf, daß alle
Vernunft bei dem himmlischen Lohn
wohnt, und daß er jedes Wort und jede
unfreiwillige und unwillkürliche Ge-
inüthsäußerung seines Kaisers als er-
habene lautere Wahrheit zu preisen hat.
So lernen die jungen Chinesen scheuen
Blickes und jeden Winkes gewärtig zum
Throne aufzublicken, wie es bei sämint-
lichen kjofbcamten der Brauch ist. Ich
glaube, jeder Einsichtige wird nun er-
kennen, daß auf diese weise in Ehina
ein Bofschrauzenthum entsteht, wie wir
cs — Gott sei gepriesen — in de» euro-
päischen Kulturstaaten gar nicht kennen.
Daß in einem solchen Staate auch die
Justiz nicht frei und unabhängig ist, ist
leicht erklärlich. In jedem Rechtsstreit
spielt die Schuidfrage nur eine ganz ver-
schwindende Nebenrolle. Die erste Frage
ist, welches Urtheil, welche Entscheidung
wird dem heiligen Sohne des piuimels
am angenehmsten sein? Der Fall wird
erörtert inid besprochen bis in die höch-
sten Kreise. Diejenigen pofbeamten, die
dem Kaiser an, nächsten stehen, werden
ausgehorcht; und sie geben dann die
Instruktioiien, sie sprechen das Schuldig
und Unschuldig aus. Das Volk, das in
China sehr dumm sein soll, hat sich um
so etwas gar nicht zu kümmern. Ist
der Angeklagte in den himmlisch er-
habenen Kreisen anrüchig, so wird er
verurtheilt. Die chinesischen Richter sa-
gen, es gehe niemand etwas an, wen
sie und warum sie jemanden oernr-
theilen; sie hätten schon ihre Gründe.
Das sind aber wirklich sehr schlimme
Zustände; und deshalb ist es gut, wenn
recht bald Europa China mit der christ-
lichen Kultur beglückt, damit so etwas
nicht wieder vorkommt. Otto
Klassisches Zeugniß
„Wer mich „verbei ttct", ich
haß ihn."
l o p st o ck, Oden „Unsere Sprache
an uns “)
Neues von Serenissimus
Serenissimus geht mit Kindermann
im Wald spazieren und fühlt ver-
schiedene Stämme an.
„Aeh," fragt er endlich, „sagen
Sie mal, lieber Kindermann, welches
ist eigentlich hartes und welches
Iv eich es Holz?"
Warnung
Nach dem Ost, nach dem Ost, zieh nicht
nach dem Ost,
Mein Sohn, ich rarhc dir gut!
Nicht jeden erfreut die polnische Rost,
Nicht jeden der polnische Nluth.
Und merkt man in Posen, daß deutsch du hist,
Spricht szcz deine Zunge nicht rein
Mir scheuer wuth ruft man Hakanst,
Dieb, Mörder hinter dir drei».
Und blickst du den Sokols erst aus den Grund
Und dem „Heiligthum der Nation",
So flüsterst du heimlich mit bleichem Mund:
O, Ostmark, sie haben dich schon I
vor Morrp, Iazdzewski, den Schlachziyen
sein,
Entsetzen saßt dich und Graus.
Du singst nur immer: Laßt mich sein, laßt
mich sein,
Ich fahre umgehend nach Häusl f.
Menn . . .
Menn ich einmal der Ceufel war’,
{Klein Erstes wäre dies:
3cb nahm’ den Cbamberlain mir her
Und stecht’ ihn an den Spiess.
Mas er durch Geld- und Ländergier
Gesündigt in der Zeit,
Dafür sollt’ er nun schmoren mir
3n alle Ewigheit!
Menn ich einmal der Ceufel wär’,
{Klein Zweites wäre dann :
Ich nähme Cecil Rbodes her:
„Du bist so ganz mein (Klann!
Huf Erden schon mein Compagnon,
Dir kam nicht einer gleich;
Drum gründe Dir bei mir zum Lohn
Ein neu’ ,Rhodesia-Reich!’ “
Menn ich einmal der Ceufel wär’,
{Klein Drittes wär’ zuletzt:
3cb hätte „Bobs“ und Kitebener
Recht schnell zu mir „versetzt.“
3a, wär' die ganze I>öll’ gefüllt
fKlit brit’scben Elstern, Dohlen,
Dann wär’ der Munsch der Melt gestillt:
„Der Ceufel soll sie holen.“
Doch wenn ich einmal h errg o 11 wär’,
Und wär’s nur eine Stund’ —-
Dann rief’ ich mir die Engel her
Vom weiten hirnmeisrund;
„Huf! helft der wachem Burenscharl
Der Brit’ sei Geiers KKlabl!
Es lebt ein Gott, gerecht und wahr!
Beil, Sieg und Fried’ Cransvaal!“
Bernhard Fendt
In der H'asreiizric
Unter den viel geschmähten
Pfarrersköchinnen gibt es gar
viele treubesorgte Personen.
„Lassen S’ den Herrn Pfarrer
fei’ net gar z’viel fasten l" scherzte
einst ein Herr bei Beginn der
Fastenzeit.
„Der macht den Speiszettel
schon selber!" erwiderte die Kp-
chin erröthend.
Ekrgeh
„Egentlich könnt’ick ooch n Iedenkblatt beanspruchen, denn ick
bin jleich kanonenvoll beim ersten chinesischen Siegesrausch jesal lenl"
JUGEND
4
Nr. 12
Rechtszustände in China
Der Europäer und im Besonderen der
Deutsche, der sich einer über jedes Lob er-
habenen, unbeeinflußbaren und tüchtigen
Justiz erfreut, kann sich von dem verwickel-
ten und eigenthümlichen Gange chinesischer
Prozesse schwerlich einen Begriff machen. Es
gibt keine Richter in China, die nicht jedem
von oben kommenden Einfluß willig Gehör
schenken. Und das ist leicht verständlich in
einem Reiche von so ausgesprochen monar-
chischer Gesinnung wie Ehina, in dem das
Staatsoberhaupt als eine heilige Person,
als der Sohn des kjimmels, geehrt und ge-
achtet wird. Der Kaiser selbst hält sich für
unfehlbar und allmächtig; und wehe dem
Unterthanen, der diese hohen und höchsten
Eigenschaften anzuzweifeln wagt. Ueber
solche Frevler, die aber — Gott sei Dank —
nur sehr selten auftreten, wird schonungs-
los das Todesurtheil gesprochen.
Jeder junge Chinese, der in den pof-
und Staatsdienst eintritt und Jeder, der
sich um ein noch so kleines Amt streb-
sam bemüht, lernt zuerst, daß er keine
eigene Meinung haben darf, daß alle
Vernunft bei dem himmlischen Lohn
wohnt, und daß er jedes Wort und jede
unfreiwillige und unwillkürliche Ge-
inüthsäußerung seines Kaisers als er-
habene lautere Wahrheit zu preisen hat.
So lernen die jungen Chinesen scheuen
Blickes und jeden Winkes gewärtig zum
Throne aufzublicken, wie es bei sämint-
lichen kjofbcamten der Brauch ist. Ich
glaube, jeder Einsichtige wird nun er-
kennen, daß auf diese weise in Ehina
ein Bofschrauzenthum entsteht, wie wir
cs — Gott sei gepriesen — in de» euro-
päischen Kulturstaaten gar nicht kennen.
Daß in einem solchen Staate auch die
Justiz nicht frei und unabhängig ist, ist
leicht erklärlich. In jedem Rechtsstreit
spielt die Schuidfrage nur eine ganz ver-
schwindende Nebenrolle. Die erste Frage
ist, welches Urtheil, welche Entscheidung
wird dem heiligen Sohne des piuimels
am angenehmsten sein? Der Fall wird
erörtert inid besprochen bis in die höch-
sten Kreise. Diejenigen pofbeamten, die
dem Kaiser an, nächsten stehen, werden
ausgehorcht; und sie geben dann die
Instruktioiien, sie sprechen das Schuldig
und Unschuldig aus. Das Volk, das in
China sehr dumm sein soll, hat sich um
so etwas gar nicht zu kümmern. Ist
der Angeklagte in den himmlisch er-
habenen Kreisen anrüchig, so wird er
verurtheilt. Die chinesischen Richter sa-
gen, es gehe niemand etwas an, wen
sie und warum sie jemanden oernr-
theilen; sie hätten schon ihre Gründe.
Das sind aber wirklich sehr schlimme
Zustände; und deshalb ist es gut, wenn
recht bald Europa China mit der christ-
lichen Kultur beglückt, damit so etwas
nicht wieder vorkommt. Otto
Klassisches Zeugniß
„Wer mich „verbei ttct", ich
haß ihn."
l o p st o ck, Oden „Unsere Sprache
an uns “)
Neues von Serenissimus
Serenissimus geht mit Kindermann
im Wald spazieren und fühlt ver-
schiedene Stämme an.
„Aeh," fragt er endlich, „sagen
Sie mal, lieber Kindermann, welches
ist eigentlich hartes und welches
Iv eich es Holz?"
Warnung
Nach dem Ost, nach dem Ost, zieh nicht
nach dem Ost,
Mein Sohn, ich rarhc dir gut!
Nicht jeden erfreut die polnische Rost,
Nicht jeden der polnische Nluth.
Und merkt man in Posen, daß deutsch du hist,
Spricht szcz deine Zunge nicht rein
Mir scheuer wuth ruft man Hakanst,
Dieb, Mörder hinter dir drei».
Und blickst du den Sokols erst aus den Grund
Und dem „Heiligthum der Nation",
So flüsterst du heimlich mit bleichem Mund:
O, Ostmark, sie haben dich schon I
vor Morrp, Iazdzewski, den Schlachziyen
sein,
Entsetzen saßt dich und Graus.
Du singst nur immer: Laßt mich sein, laßt
mich sein,
Ich fahre umgehend nach Häusl f.
Menn . . .
Menn ich einmal der Ceufel war’,
{Klein Erstes wäre dies:
3cb nahm’ den Cbamberlain mir her
Und stecht’ ihn an den Spiess.
Mas er durch Geld- und Ländergier
Gesündigt in der Zeit,
Dafür sollt’ er nun schmoren mir
3n alle Ewigheit!
Menn ich einmal der Ceufel wär’,
{Klein Zweites wäre dann :
Ich nähme Cecil Rbodes her:
„Du bist so ganz mein (Klann!
Huf Erden schon mein Compagnon,
Dir kam nicht einer gleich;
Drum gründe Dir bei mir zum Lohn
Ein neu’ ,Rhodesia-Reich!’ “
Menn ich einmal der Ceufel wär’,
{Klein Drittes wär’ zuletzt:
3cb hätte „Bobs“ und Kitebener
Recht schnell zu mir „versetzt.“
3a, wär' die ganze I>öll’ gefüllt
fKlit brit’scben Elstern, Dohlen,
Dann wär’ der Munsch der Melt gestillt:
„Der Ceufel soll sie holen.“
Doch wenn ich einmal h errg o 11 wär’,
Und wär’s nur eine Stund’ —-
Dann rief’ ich mir die Engel her
Vom weiten hirnmeisrund;
„Huf! helft der wachem Burenscharl
Der Brit’ sei Geiers KKlabl!
Es lebt ein Gott, gerecht und wahr!
Beil, Sieg und Fried’ Cransvaal!“
Bernhard Fendt
In der H'asreiizric
Unter den viel geschmähten
Pfarrersköchinnen gibt es gar
viele treubesorgte Personen.
„Lassen S’ den Herrn Pfarrer
fei’ net gar z’viel fasten l" scherzte
einst ein Herr bei Beginn der
Fastenzeit.
„Der macht den Speiszettel
schon selber!" erwiderte die Kp-
chin erröthend.
Ekrgeh
„Egentlich könnt’ick ooch n Iedenkblatt beanspruchen, denn ick
bin jleich kanonenvoll beim ersten chinesischen Siegesrausch jesal lenl"