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Nr. 13

JUGEND -

1901

B. Pankok

bin ja net musikalisch" und nicht das Drama: „is
viel z'anstrengend, wenn man einen solch verant-
ivortungsvollen Dianscht hat," eher wohl das Lust-
spiel, besonders in Theatern vierten Ranges, die
Operette, oder er frequentirte die Etablissements, in
denen weniger aus Kunst als aus Genuß hingewirkt
wird, die Tingeltangels, „wo die körperlichen
Frauenzimmer sein" wie er sich ausdrücktc, wo der
schwer beschäftigte Geist sich in leichtere Regionen
heben konnte.

Den Nachgenuß theilte er gewissenhast mit dem
Mariederl, das zwar nicht so vollständig hingerissen
war, wie er wohl gemeint hatte, aber wenigstens
keine so dummen Fragen stellte wie die Rosa, die
ihn einmal — o Hirnverbranntheit! — srug, wa-
rum er denn seine Frau nicht mit dahin nähme?
Da war er aber ausgcsahren! Sic meinte wohl, er
wisse nicht, was Anstand sei? Er war doch ein ge-
bildeter Mann, er hatte — ich bitte! in Hall studiert!
Ihm wurde zugcmuthet, seiner Frau so was zu zei-
gen! Nein, Sittenreinheit über alles, und die Fa-
milie, daran durfte man nicht rühren. Seine gute
Frau! Die ächte deutsche Hausfrau >var sie, die sich
mit dem freudigen Gedanken zu Bett legte, daß der
Gatte in der Hauptstadt seinen Geist erhob, ihn rein-
badete von der Plackerei und dem Schmutz des Dien-
stes — und so war's auch, so war's recht und so
blicb's. Sein Haus wurde rein gehalten von
neuen und schlechten Ideen, er hielt's mit dem
guten Alten, überhaupt — plötzlich kam das
wüthende Mopperlgesicht zum Vorschein, und
in einem, ihn rapid llberkommende» heftigen
Zorn, schrje er die allzu schlanke Rosa an:

„Sie sollten sich schämen, daß Sie's nur
wisse», überhaupt so was zu fragen, Sie, eine
unbescholtene Versöhn! Schamen's Ihnen!"

Und mit einer großen Geberde hing er den
Wettermantel um, nahm den Hut vom Nagel
und stapfte, ohne die unmoralische Rosa
weiter zu beachten, durch's Bauernzimmer,
von lautem Hallvh begleitet, in tiefster Seele
entrüstet, heim znr deutschen Hausfrau.

Schuihmnor

Lehrer: wer hat die Ehe eingesetzt?
Schüler: Gott!

Lehrer: Recht so! Und wo hat Gott
Sic Ehe eingesetzt?

Schäle r: Im Paradies!

Lehrer: Mit welchen Worten?
Schüler: Ich will Feindschaft
setzen zw isch en vir und d ein weib e!

„Auf dcr Hur"

Llärchcn und Gretl unterhalten sich in
der Pferdebahn französisch, um den Mit>
reisenden zu imponieren, plötzlich bemerkt
Gretl das lachende Gesicht des vor ihr
sitzenden kcrrn und flüstert:

„6Iara, il kaut ötrs sur son cha-
peau — il me semble que ce mossiö
nous comprencl.“ —

Der große Mann

von Zritz v. Briefen

ss war einmal ein Mann, dcr schwelgte in
Rcichrhum und in Macht, Er harre Alles
und er konnte Alles, was sein Herz begehrte.
Er wohnte an jedem Tage in einem andern
seiner unzähligen Lustschlösser, die an tiefblauen
Seen und in trauten, gchcimnißvollen Wäldern,
in berauschenden paradiesgärten und auf wild-
romantischen Bergen lagen. Seine Hände
wühlten in Gold und Demanten. Alles war
ihm unrcrrhan: von den kleinsten Zwergen bis
zu den gewaltigsten Riesen; von de» gewöhn-
lichen Mensche» ganz zu schweigen. Aber die,
mit denen er es am liebsten hatte — denn er
war eine schönhcitsfrohe, poetische, sehnsüchtig-
leidenschaftliche Natur — das waren die Feen,
die Nixen und Nymphen, alle die jungfräuliche»
Märchengöttinncn, die unter den Wasserrosen
am Mondsee und bei den Lilien auf der wald-
wicsc wohnen. So manche traute Mitternacht
verbrachte er bei seinen Freundinnen mir den
wundceholden Leibern, dem schwellenden Gold-
haar und den licbescligcn Augen . . . Tags
ritt er mir großem Gefolg bei Hallt und Hallo
durch den Hag zur wilden Jagd auf Eber
und Einhörner. Und Abends gab er rau-
schende, prächtige, blendende Bankette, wie sic
bei keinem 'Laiscr, Röntg und Papst je gesehen
wurden .... Alles beugte sich ihm; ja, er-
gab seine» Menschenkindern, seinen Halbgöttern
und Wundcrwesen selbst die Gedanken ein;

,Na,

L. Hohlwein (München)
Jenseits von Gut und Schlecht

Kleiner, sthmeckt's?" — „I woaß net, i friß halt so nei!"

er leitete ste und verband sie zu paaren, wie
cs ihm beliebte; er that, wie ein Allvater...

Aber wenn dann die Mirternachrsstundc
vorüber war und die schwere Thurmuhr eins,
zwei, oder auch schon drei geschlagen hatte,
daß es dumpf durch die schweigende Nacht
klang, dann ging der große Mann bciscit in
ein Rämmerlein, holte sich — ein Groschenbrot,
eine Messerspitze Buticr, einen Zipfel Wurst
und eine Flasche Dünnbier hervor, stellte das
Tintenfaß weg und legre sich kauend, und gäh-
nend, müde auf das geflickte Ranapcc.

Dcr große Mann war lNärchendichtcr.

jNfur eine JSrücl^e

Im herbst, auf odern Vege, regengrau verhangen,
Sah ich zuerst pich gehen, still in eigner Schönheit.
Pein fuss verlangte wohl nach grünen plumenviesen
Gnd pein Gewand nach leicht bewegter Vinde Spiel
Gnd auch pein Öhr nach still durchsonntem

Sommerschweigen.

Vie eine grosse frage nach der pinge Schönheit
Gingst pu durch eine Veit, die keine Antwort gab
Ctnd wie ins £eere fiel Pein Schritt und plick

und )\them.

€s war ein )\bgrund zwischen allem Sein und pir,
So brückenlos, — wie Ja und flein es von

einander sind,

Pass Sehnsucht selbst nicht weiss, wohin die

)\rme strecken.

Gnd wie Pu mich erblicktest, der ich traurig ging
Gnd liebend — und pich ein Grröthen überkam,

Je: warmen Veile, die Pir auf zum Herzen stieg,
fkbglanz und Scham — ich wusst' es, ach, so

gut und tief:

€s war doch nur, dass plötzlich pich die

Hoffnung regte,

Ich sei vielleicht die prücke — nur die prücke.

<». M.

Neues von Serenissimus

Serenissimus besieht mit Kindermann ein
Taubstummeninstitut.

Kinder m a n n: Sehen, Durch-
laucht: dieses nette Kind ist taub-
stumm.

Serenissimus: Ach, liebes
Kind, äh, sag' mal, wie lange bist
du denn schon, äh, taubstumm.

Klassische Zeugnisse

Firmung bei den Römern

Paratis omnium animis reversuros
firmaverunt. (Tacitus 2 hist 9 ,

Nachdem aller ljerzen vorbereitet
waren, firmten sie die Zurück-
gekehrten.

Kartenspiel bei den Hebräern

Joab gab ihm keinen Stich mehr.

(2 Sam. 20, 10)

Du hast mir dar Herz genommen.

(Hohelied 4, S>

200
Index
Ludwig Hohlwein: Jenseits von Gut und Schlecht
G. S.: Nur eine Brücke
[nicht signierter Beitrag]: Klassische Zeugnisse
Bernhard Pankok: Zeichnung ohne Titel
[nicht signierter Beitrag]: Neues von Serenissimus
[nicht signierter Beitrag]: Schulhumor
[nicht signierter Beitrag]: Auf der Hut
Fritz v. Briesen: Der große Mann
 
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