Nr. 17
JUGEND
1901
Gedanken
Nil humani a me alienum puto! So hörte ich
6inen prahlen. Ich sah ihn an und fand nicht
einen liebenswürdigen Zug an ihm - er hatte mit
jenem göttlichen Ulorte nur seine Terkelcien be-
gründet.
Ulie kleine Männer die grossen, schönen Uleiber
lieben und sich nicht schämen, sogar solche zu
haben« ähnlich lieben und haben die schwächsten
Naturen die stärksten Philosophien.
Ein Leben ohne Grausamkeit und Leiden wollen,
heisst vorn Teuer verlangen, dass es nicht brenne.
Um eine höhere Kultur hervorzubringen, war
es ganz gut, Ulilden und Halbwilden, die unter-
schiedslos alles „Andre“ totschlugen, zu predigen:
Du sollst nicht töten! einer Hocbkultur des Ge-
fühls aber, die in krankhafter Ueberspannung das
Schädlichste noch schont, das Kränkste, Hässlichste
noch pflegt, und selbst dem schmerzhaftest Lei-
denden nicht zum lindernden Code verhütt, der
kann man eher wieder das Messer in die Rand
drücken.
Hab ich ein Ding erkannt, so hat es seinen
Stachel verloren.
Das feinste und reichste Hochzeithemd ist —
die blühende Haut darunter.
Aufregung ist keine Kraft; für die starken
Dinge, die sie uns zu thun befähigt, sind wir
hinterher zu schwach. — So ist auch die Leiden-
schaft für ein geliebtes Kiesen ein schlechter Grund
— es zu heirathen.
Dixü wagt mir einer zu sagen, der gesprochen
hat. Aber erst; vixii welch ein köstliches Wort,
vom letzten Hauche eines wirklichen Lebens hin-
ausgetragen! Zeno
Einem Dichter
Glaube nicht, dass du erklommen
Den Parnass mit deinem Singen,
'Ulenn die Besten zu dir kommen
Um den Lorbeer dir zu bringen.
Glaube nicht, dass du am Ziele,
Uleil dir jung ward hoher Ruhm —
Ob auch huld’gend nahen Viele,
Crau’ nicht deinem Dichterthum!
Ach! Du wähnst Dein Merk gelungen.
Uleil die Ulelt dich preist — du irrst;
Höchstes hast du erst errungen,
Ulenn du angepöbelt wirst.
ArlHur pfungst
6in ffiärchcn
Von HTultatuli
in zufrieden aussehender, fein gekleideter Herr
mit einer goldenen Uhrkette ging behag-
lich eine der „Grachten" Amsterdams entlang. Er
war dort geschäftlich thätig. lvelcher Art diese Ge-
schäfte waren, werdet Ihr später erfahren, vor
ihm her ging eine Dame mit ihrem Rinde, Durch
irgend einen plötzlichen Zufall fiel das Rind in's
lvaffer. Die INutter stieß einen Schrei aus , . ,
sprang dem Rind nach und rettete es.
Der Mann sah sich das Alles ruhig an, zog
fein Taschenbuch hervor und schickte sich an, etwas
darin aufzuschreiben.
„Gnädige Frau, darf ich mir erlauben, Sie
nach Ihrem Namen und Ihrer Adresse zu fragen?"
„Mein Rind, mein Rind, ich habe mein Rind
zurück!"
„Sehr schön, aber darf ich so frei sein . ,
„Ich habe mein Rind zurück," wiederholte die
Mutter immer auf's neue, die es gar nicht verstand,
daß man sie nach etwas Anderem fragen konnte
als nach ihrem Rinde,
„Mit der Fra» ist nichts anzu-
fangen," brummte der neugierige Frager
vor sich hin, — „Du, Freundchen, ich
werde Dich reichlich entschädigen, wenn
Du mir morgen Namen und Adresse
jener Dame nennst,"
So sprach der Fremde zu Einem
der Umstehenden, und es scheint, daß
er dieses Mal erfuhr, was er zu erfahren
wünschte, Ivenigstens ließ er sich am
darauffolgenden Tage bei der glücklichen
Mutier melden,
„Gnädige Frau, ich hatte die Ehre,
gegenwärtig zu fein, als. . ."
„So, waren Sie dort, mein Herr?
Haben Sie's gesehen? Ich sah nichts,
ich hörte nichts, ich sprang . .
„Verzeihung, gnädige Frau, ich
habe gehört. . ."
„Gehört?"
„Jawohl, gnädige Frau, ich habe gehört,
wie Sie, . ."
„Gehört? Aber was denn eigentlich?"
„Ich habe gehört, wie Sie geschrieen haben,
gnädige Frau ... ich komme um Ihnen ein
Engagement an einer Bühne anzubieten."
Arme Mutterl
Jener Mann war ein Impresario, welcher ge-
eignete Rräfte suchte. Er hieß Pub likum,
(Aus dem Holländischen von L. Diten.)
Der Lebemann im Fimmel
Petrus: „Na, Herr Baron, wie gefällt's
Ihnen denn bei »ns im Himmel?"
Baron: „Ach Iott, es würde mir vielleicht
jefallen haben, wenn's da unten im irdischen
Iammerthale nich' jar zu nett jewesen
Aus der Jnstruktionsstunde
Der Unteroffizier: „Der Raiser von Ruß-
land gehört dem Geschlechte der Romanow an,
der Raiser von Desterreich dem Geschlechte der
Habsburger. — Und welchem Geschlechte gehört
Seine Majestät unser Raiser an ? — Na, Schnitze?"
„Dem männlichen Geschlechte."
kindliche Einfalt
Ein Hofprediger kommt zu seinem kleinen
Neffen und erzählt ihm, wie die drei Iveisen aus
dem Morgenlande das Lhristuskind mit weih-
rauch und Myrrhen beschenkten. Da beuierkt der
kleine Hans: „Du, Gnkel Hofprediger, ich glaub'
dem Ehristuskindche' wär' ein Trompetche' auch
lieber gewefe'."
Juristisches Examen
Examinator: was verstehen Sie unter
arliculus imperünens?
Landidat: Darunter ist wohl zu begreifen
ein „unverschämter Zeitungsartikel!"
Neues von Serenissimus
Serenissimus besucht einen Künstler, der mit
einem Bild, eine Kentaurenfamilie darstellend, be-
schäftigt ist.
Serenissimus: „So, so, lieber Professor,
wußte noch gar nicht, daß es auch weibliche Ken-
tauren gegeben hat."
Maler: „Ja. Hoheit, wie sollte sich denn
sonst das mythologische Gesindel fortpflanzen'?"
Serenissimus: „Ja so, äh! — äh! ganz
recht, sehr schön — mag wohl auch io gewesen
sein — aber sage» Sie, äh! mein Lieber! warum
malt man io was
Julius Diez (München)
266
JUGEND
1901
Gedanken
Nil humani a me alienum puto! So hörte ich
6inen prahlen. Ich sah ihn an und fand nicht
einen liebenswürdigen Zug an ihm - er hatte mit
jenem göttlichen Ulorte nur seine Terkelcien be-
gründet.
Ulie kleine Männer die grossen, schönen Uleiber
lieben und sich nicht schämen, sogar solche zu
haben« ähnlich lieben und haben die schwächsten
Naturen die stärksten Philosophien.
Ein Leben ohne Grausamkeit und Leiden wollen,
heisst vorn Teuer verlangen, dass es nicht brenne.
Um eine höhere Kultur hervorzubringen, war
es ganz gut, Ulilden und Halbwilden, die unter-
schiedslos alles „Andre“ totschlugen, zu predigen:
Du sollst nicht töten! einer Hocbkultur des Ge-
fühls aber, die in krankhafter Ueberspannung das
Schädlichste noch schont, das Kränkste, Hässlichste
noch pflegt, und selbst dem schmerzhaftest Lei-
denden nicht zum lindernden Code verhütt, der
kann man eher wieder das Messer in die Rand
drücken.
Hab ich ein Ding erkannt, so hat es seinen
Stachel verloren.
Das feinste und reichste Hochzeithemd ist —
die blühende Haut darunter.
Aufregung ist keine Kraft; für die starken
Dinge, die sie uns zu thun befähigt, sind wir
hinterher zu schwach. — So ist auch die Leiden-
schaft für ein geliebtes Kiesen ein schlechter Grund
— es zu heirathen.
Dixü wagt mir einer zu sagen, der gesprochen
hat. Aber erst; vixii welch ein köstliches Wort,
vom letzten Hauche eines wirklichen Lebens hin-
ausgetragen! Zeno
Einem Dichter
Glaube nicht, dass du erklommen
Den Parnass mit deinem Singen,
'Ulenn die Besten zu dir kommen
Um den Lorbeer dir zu bringen.
Glaube nicht, dass du am Ziele,
Uleil dir jung ward hoher Ruhm —
Ob auch huld’gend nahen Viele,
Crau’ nicht deinem Dichterthum!
Ach! Du wähnst Dein Merk gelungen.
Uleil die Ulelt dich preist — du irrst;
Höchstes hast du erst errungen,
Ulenn du angepöbelt wirst.
ArlHur pfungst
6in ffiärchcn
Von HTultatuli
in zufrieden aussehender, fein gekleideter Herr
mit einer goldenen Uhrkette ging behag-
lich eine der „Grachten" Amsterdams entlang. Er
war dort geschäftlich thätig. lvelcher Art diese Ge-
schäfte waren, werdet Ihr später erfahren, vor
ihm her ging eine Dame mit ihrem Rinde, Durch
irgend einen plötzlichen Zufall fiel das Rind in's
lvaffer. Die INutter stieß einen Schrei aus , . ,
sprang dem Rind nach und rettete es.
Der Mann sah sich das Alles ruhig an, zog
fein Taschenbuch hervor und schickte sich an, etwas
darin aufzuschreiben.
„Gnädige Frau, darf ich mir erlauben, Sie
nach Ihrem Namen und Ihrer Adresse zu fragen?"
„Mein Rind, mein Rind, ich habe mein Rind
zurück!"
„Sehr schön, aber darf ich so frei sein . ,
„Ich habe mein Rind zurück," wiederholte die
Mutter immer auf's neue, die es gar nicht verstand,
daß man sie nach etwas Anderem fragen konnte
als nach ihrem Rinde,
„Mit der Fra» ist nichts anzu-
fangen," brummte der neugierige Frager
vor sich hin, — „Du, Freundchen, ich
werde Dich reichlich entschädigen, wenn
Du mir morgen Namen und Adresse
jener Dame nennst,"
So sprach der Fremde zu Einem
der Umstehenden, und es scheint, daß
er dieses Mal erfuhr, was er zu erfahren
wünschte, Ivenigstens ließ er sich am
darauffolgenden Tage bei der glücklichen
Mutier melden,
„Gnädige Frau, ich hatte die Ehre,
gegenwärtig zu fein, als. . ."
„So, waren Sie dort, mein Herr?
Haben Sie's gesehen? Ich sah nichts,
ich hörte nichts, ich sprang . .
„Verzeihung, gnädige Frau, ich
habe gehört. . ."
„Gehört?"
„Jawohl, gnädige Frau, ich habe gehört,
wie Sie, . ."
„Gehört? Aber was denn eigentlich?"
„Ich habe gehört, wie Sie geschrieen haben,
gnädige Frau ... ich komme um Ihnen ein
Engagement an einer Bühne anzubieten."
Arme Mutterl
Jener Mann war ein Impresario, welcher ge-
eignete Rräfte suchte. Er hieß Pub likum,
(Aus dem Holländischen von L. Diten.)
Der Lebemann im Fimmel
Petrus: „Na, Herr Baron, wie gefällt's
Ihnen denn bei »ns im Himmel?"
Baron: „Ach Iott, es würde mir vielleicht
jefallen haben, wenn's da unten im irdischen
Iammerthale nich' jar zu nett jewesen
Aus der Jnstruktionsstunde
Der Unteroffizier: „Der Raiser von Ruß-
land gehört dem Geschlechte der Romanow an,
der Raiser von Desterreich dem Geschlechte der
Habsburger. — Und welchem Geschlechte gehört
Seine Majestät unser Raiser an ? — Na, Schnitze?"
„Dem männlichen Geschlechte."
kindliche Einfalt
Ein Hofprediger kommt zu seinem kleinen
Neffen und erzählt ihm, wie die drei Iveisen aus
dem Morgenlande das Lhristuskind mit weih-
rauch und Myrrhen beschenkten. Da beuierkt der
kleine Hans: „Du, Gnkel Hofprediger, ich glaub'
dem Ehristuskindche' wär' ein Trompetche' auch
lieber gewefe'."
Juristisches Examen
Examinator: was verstehen Sie unter
arliculus imperünens?
Landidat: Darunter ist wohl zu begreifen
ein „unverschämter Zeitungsartikel!"
Neues von Serenissimus
Serenissimus besucht einen Künstler, der mit
einem Bild, eine Kentaurenfamilie darstellend, be-
schäftigt ist.
Serenissimus: „So, so, lieber Professor,
wußte noch gar nicht, daß es auch weibliche Ken-
tauren gegeben hat."
Maler: „Ja. Hoheit, wie sollte sich denn
sonst das mythologische Gesindel fortpflanzen'?"
Serenissimus: „Ja so, äh! — äh! ganz
recht, sehr schön — mag wohl auch io gewesen
sein — aber sage» Sie, äh! mein Lieber! warum
malt man io was
Julius Diez (München)
266
Multatuli: Ein Märchen
Arthur Pfungst: Einem Dichter
[nicht signierter Beitrag]: Neues von Serenissimus
Zeno: Gedanken
Julius Diez: Zeichnung ohne Titel
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[nicht signierter Beitrag]: Kindliche Einfalt
[nicht signierter Beitrag]: Der Lebemann im Himmel
[nicht signierter Beitrag]: Aus der Instruktionsstunde
Arthur Pfungst: Einem Dichter
[nicht signierter Beitrag]: Neues von Serenissimus
Zeno: Gedanken
Julius Diez: Zeichnung ohne Titel
[nicht signierter Beitrag]: Juristisches Examen
[nicht signierter Beitrag]: Kindliche Einfalt
[nicht signierter Beitrag]: Der Lebemann im Himmel
[nicht signierter Beitrag]: Aus der Instruktionsstunde