Nr. 19
JUGEND -
i901
Der Hus$ug der Chartreuse
Sine französische Ballade
hu einem neuentdeckten Freskogemälde)
Der Abt in der Karthause
Erhob ein groß Geplärr:
„Rlan ist in seiner Klause
seicht mehr der eigne Herr.
Wer hinter Klostermauern
Den Frieden einst erbat,
Wie einen Dieb belauern
Wird künftig ihn der Racker Staat!
Herr Wolbeck-Rousseau lacht sich
vor Freude lahm und krumm.
Der Geist von SS
Geht wieder grinsend um.
Der Priester wird geknebelt.
Die Rönne wird verlacht,
Der Rlönch wird angepöbelt —
D schnödes Frankreich, gute Rächt!"
Die Kirchensahnen flattern
Zm Rlorgensonnenglanz,
Und durch die Finger knattern
Hört man den Rosenkranz.
„Erlös' uns, Herr, erlöse!"
Erschallt es rings im Lhor,
Und steh! an der Lhartreuse
That weit sich auf das Lichenthor.
Und durch die offne Pforte
Äommt's zitternd hergetappt;
Gespenstisch ohne Worte
Erscheint der greise Abt,
Das Haupt bestreut mit Aschen,
Die hohlen Augen blind,
Und eine große Flaschen
In jedem Arm als Wickelkind.
„D Rlutter Frankreich, heute
Sag' ich mich los von Dir.
Doch mit uns zieht ins Weite
Dein Lebenselirier.
Zur Donau oder Elbe,
Das sei der Rlönche Dank,
Begleitet uns der gelbe
Und grüne, süße Zaubertrank."
„Du aber, die so schnöde
Zerschnitt das Tafeltuch,
vernimm als letzte Rede
Der stummen Mönche Fluch!
verbittert sei Luch allen
Der Gaumen und der Schlund!
An grün' und gelber Gallen
Lrlehe sich Dein Lästermund!"
Die Kirchenfahnen flattern
Zm Rlorgensonnenglan;
Und durch die Finger knattern
Hört man den Rosenkranz.
Und in den blauen Lüften
Entschwebt des Abtes Hand
Lin wunderlieblich Düften
Und führt sie ins gelobte Land.
Tarub
Kleine Gespräche
Der Runstfchriststeller Rosenhagen wurde
gefragt, ob er mehr glatte oder pastose Mal-
weise bevorzuge.
„Ein bißchen dick austragen," erwiderte
er, „ist mehr nach meinem Geschmack!"
„Das fragt sich noch sehr," eiferte ein Agra-
rier, „ob wir den Ranal schlucken werden!"
„Habt ihr auch gar nicht nöthig," lächelte
ein Zuhörer „der liegt euch ja schon längst
im Magen!"
Kelignalion
Ein Prinz, der wie die Sonne
Aus blauem Wolkenriß
Verklärt' mit goldener Wonne
Dies Land der Finstcrniß, —
Und der aus Feindes Klauen
Das Reich am Donaustrom
In kühnem Vorwärtsschauen
Einst führte — los von Rom -
Welch Jubel ihn umrauschte,
Wenn der Befreier käm',
Der Nacht mit Morgen tauschte
Trotz Bann und Anathem,
Und trotz Rampollas Harme
Der schwarzen, todten Hand
Mit starkem Arm dies arme
Halbtodte Land entwand....
Doch wozu Hypothesen
Und leere Träumerei'n?
Es wär' zu schön gewesen —,
Es hat nicht sollen sein. . .!
_ M. E.
7ung gefreut — alt bereut
oder die Ulunder der Besinnung
Line Geschichte für die reifere Jugend
Im grauen Mittelalter lebte in Mitteleuropa
eine junge Großherzogin, welche sich einem äußerst
mittelmäßigen Lebenswandel, der schon
beinahe keiner mehr genannt werden
konnte, ergeben hatte. Obwohl man in
ihrem Lande, dem „Lande der Ueber-
raschungen", in dieser Beziehung an
vielerlei gewöhnt war, schlug man doch
ob ihrer Streiche die Hände über den
respektiven Köpfen zusammen, zumal sie
ja nach menschlichem Ermessen einmal,
mangels männlicher Erben, auf den Thron
kommen sollte. Wenn das Volk von ihren
zahlreichen Liebschaften und Lüderlich-
Oem Väterchen, dem ganz perfiden, F- Scholl
Möcht er das Naschen gern verbieten.
;o6
JUGEND -
i901
Der Hus$ug der Chartreuse
Sine französische Ballade
hu einem neuentdeckten Freskogemälde)
Der Abt in der Karthause
Erhob ein groß Geplärr:
„Rlan ist in seiner Klause
seicht mehr der eigne Herr.
Wer hinter Klostermauern
Den Frieden einst erbat,
Wie einen Dieb belauern
Wird künftig ihn der Racker Staat!
Herr Wolbeck-Rousseau lacht sich
vor Freude lahm und krumm.
Der Geist von SS
Geht wieder grinsend um.
Der Priester wird geknebelt.
Die Rönne wird verlacht,
Der Rlönch wird angepöbelt —
D schnödes Frankreich, gute Rächt!"
Die Kirchensahnen flattern
Zm Rlorgensonnenglanz,
Und durch die Finger knattern
Hört man den Rosenkranz.
„Erlös' uns, Herr, erlöse!"
Erschallt es rings im Lhor,
Und steh! an der Lhartreuse
That weit sich auf das Lichenthor.
Und durch die offne Pforte
Äommt's zitternd hergetappt;
Gespenstisch ohne Worte
Erscheint der greise Abt,
Das Haupt bestreut mit Aschen,
Die hohlen Augen blind,
Und eine große Flaschen
In jedem Arm als Wickelkind.
„D Rlutter Frankreich, heute
Sag' ich mich los von Dir.
Doch mit uns zieht ins Weite
Dein Lebenselirier.
Zur Donau oder Elbe,
Das sei der Rlönche Dank,
Begleitet uns der gelbe
Und grüne, süße Zaubertrank."
„Du aber, die so schnöde
Zerschnitt das Tafeltuch,
vernimm als letzte Rede
Der stummen Mönche Fluch!
verbittert sei Luch allen
Der Gaumen und der Schlund!
An grün' und gelber Gallen
Lrlehe sich Dein Lästermund!"
Die Kirchenfahnen flattern
Zm Rlorgensonnenglan;
Und durch die Finger knattern
Hört man den Rosenkranz.
Und in den blauen Lüften
Entschwebt des Abtes Hand
Lin wunderlieblich Düften
Und führt sie ins gelobte Land.
Tarub
Kleine Gespräche
Der Runstfchriststeller Rosenhagen wurde
gefragt, ob er mehr glatte oder pastose Mal-
weise bevorzuge.
„Ein bißchen dick austragen," erwiderte
er, „ist mehr nach meinem Geschmack!"
„Das fragt sich noch sehr," eiferte ein Agra-
rier, „ob wir den Ranal schlucken werden!"
„Habt ihr auch gar nicht nöthig," lächelte
ein Zuhörer „der liegt euch ja schon längst
im Magen!"
Kelignalion
Ein Prinz, der wie die Sonne
Aus blauem Wolkenriß
Verklärt' mit goldener Wonne
Dies Land der Finstcrniß, —
Und der aus Feindes Klauen
Das Reich am Donaustrom
In kühnem Vorwärtsschauen
Einst führte — los von Rom -
Welch Jubel ihn umrauschte,
Wenn der Befreier käm',
Der Nacht mit Morgen tauschte
Trotz Bann und Anathem,
Und trotz Rampollas Harme
Der schwarzen, todten Hand
Mit starkem Arm dies arme
Halbtodte Land entwand....
Doch wozu Hypothesen
Und leere Träumerei'n?
Es wär' zu schön gewesen —,
Es hat nicht sollen sein. . .!
_ M. E.
7ung gefreut — alt bereut
oder die Ulunder der Besinnung
Line Geschichte für die reifere Jugend
Im grauen Mittelalter lebte in Mitteleuropa
eine junge Großherzogin, welche sich einem äußerst
mittelmäßigen Lebenswandel, der schon
beinahe keiner mehr genannt werden
konnte, ergeben hatte. Obwohl man in
ihrem Lande, dem „Lande der Ueber-
raschungen", in dieser Beziehung an
vielerlei gewöhnt war, schlug man doch
ob ihrer Streiche die Hände über den
respektiven Köpfen zusammen, zumal sie
ja nach menschlichem Ermessen einmal,
mangels männlicher Erben, auf den Thron
kommen sollte. Wenn das Volk von ihren
zahlreichen Liebschaften und Lüderlich-
Oem Väterchen, dem ganz perfiden, F- Scholl
Möcht er das Naschen gern verbieten.
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