1901
JUGEND -
Nr. 19
feiten erfuhr, so dachte es sich „das kann einmal
schön werden!" und die zahlreichen inneren und
äußeren Feinde des Landes der Ueberraschnugen
lachten sich dann in ihre respektiveu Fäustchen,
Später sollte, sic sich standesgemäß verheiraten und
mau dachte, sie würde dem iunern Frieden des
Landes wenigstens dieses Opfer bringen. Statt
dessen aber verliebte sie sich in einen slovakischen
Mansfallenhäudler und heiratete ihn.
So war man sehr böse auf die Großherzogin
gestimmt und die Leute sahen mit ihren respektive»
Angen trübe in die Zukunft.
Aber es kam ganz anders, als mau erwartet
hatte. Ueber Nacht kam einmal etwas über sie,
was noch nie über sie gekommen war, nämlich
die himmlische Gnade.
Und siehe da:
Sie übernahm das Protektorat über den „christ-
lichen Jnngfernbund", stiftete fünf Kirchen und
sieben Klöster und gründete eine Gesellschaft für
Ketzerverbrennungen. Mit scharfer Rede ging sie
dem Unglauben zu Leibel
Jubelnd klatschten die Frommen in ihre re-
spektive» Hände und sagten: Jetzt ist unser Land
gerettet!
Blos einige ganz gemeine Nörgler rümpften
ihre respektiven Nasen und wandten einen Spruch
an, der mit zwei Gedankenstrichen anfängt und
mit „alte BetschwesternI" aufhört.
Historicus
Vas lebende Nadelkissen
oder
ffian gewöhnt sich an Hlles
Aus Paris wird berichtet: Leit Donnerstag ver-
geht kaum eine Stunde, ohne daß der Apotheker
des nahen Städtchens Saint-Germain-en-Laye von
einem jungen Mädchen mit der Bitte in An-
spruch genommen wird, ihr Reißnadeln aus dem
Körper ;u ziehen. Lr hat ihr schon etwa > 20 Ra-
deln, die sie vor Jahren aus Anlaß einer wette
verschluckte, entfernt.
(ö weh..! au.. autsch!.. Da steh nur, thenre Else,
wie sich mein Finger plötzlich rosig färbt...
Du hast nicht bloß die Taille von der Gelse, —
Ls scheint, auch ihren Stachel mitgeerbt...
Schon wieder.. Himmel:.. sind die Gürtelspangen,
was sonst denn los, daß solches mir pasiirt?
Um Gott,.. nun stechen gar auch Kinn und
Wangen...
Hast Du Dich, Mädchen, heut noch nicht rasirt?
Da neigt sie sich zu mir und lächelt ininnig,
Und dann ergießt sich ihrer Rede Schwall:
„Ls war schon hent ein Herr da, von der Klinik,
Und meint', ich sei ein interessanter Fall..!
vor sieben Jahr' Hab' ich mit andern Madeln
Gewettet nämlich.. so zum Zeitvertreib —,
wer von uns schlucken könnt' am meisten Nadeln,
Die stecken nämlich .. drin mir in dem Leib ..
Jetzt thun sie alle wieder ans sich scheiden,
Ls fehlen bloß einhundertsiebenzig .."
Ich hört' es stumm, ich mußt' es eben leiden,
Doch gab's bei jedem Mort mir — einen Stich..!
Mein herzig Llschen — ach! — ein Nadelkissen,...
warum — o weh! — Hab' ich das nicht gewußt?
Nun war' mir . . au! . . das böseste Gewissen
Behaglicher, als Liebchens Arm und Brust..!
Doch allzusehr war ich den armen Nigel
Gewöhnt, — und fand mich mählig still darein ...
Nun nenn' ich kosend sie: Du Herzens Igel, ...
Mein Gold-Skorpion .. ., Du süßes Stachel-
schwein ...!
Mit Salmiaklösung lind're ich mein wehe,
wie's gegen Mücken räthlich auf dem Land,
Und stecke Abends, eh' ich zn ihr gehe,
Fünf Fingerhüte schlau an jede Hand.
Maxi
Max von Seydel f
Und wieder Kat sieb jenem dunklen Land
Ein grosser Mensch auf ewig zugewandt
Und zu den Schaffen wandelt, früh genug.
Der lüissende, der uns die Tackel trug,
Der manches Dunkel fröhlich aufgehellt,
Der reifer meisheit jungen Iftutb gesellt.
Ein Deist so tief und doch krystallen klar ,
Ein Recbtsgelebrter, der -einDichter war!
Er hat den Hacken höfisch nie gebeugt,
Stets das Erkannte stolz und kühn bezeugt,
Tür alles freie Menschenthum entflammt.
Und keine Tessel war ihm Ehr’ und Amt!
Trob lauschte ihm das werdende Geschlecht
Dem hellen Geiste war Gesetz und Recht
Zu todtem Biicberkrame nicht verdorrt.
Und blühend Leben war in seinem mort!
Dem Reer der Tinsterniss im flug' ein Dorn,
Tm Kampfe froh und wundervoll im Zorn,
Ein Rampe, der manch heisse Schlacht
gewann,
Tn jedem nerv ein rechter deutscher Mann —
So soll sein Bild uns im Gedächtniss stehn:
Ihr werdet selten seines Gleichen seh n!
Jugend
Klassisches Seugniß
Das Lorpus juris scheint von einem Agra-
rlev inspirirt zu sein, da es 42, 21 v 2, 2
heißt:
„8i quis novum csnalcrn velil collocare,
hoc interdictum futurum.“
„Wenn einer einen neuen Kanal erbauen
will, soll dies untersagt werden."
Gastsptelrequtstten
Paul Lindau kauft in einem Waffeukadeu
300 Gewehre.
„Herr Lindau rüsten wohl eine Burenexpedition
aus?" fragt ihn der neugierige Kaufmann.
„Das nicht!" antwortet Paul Lindau, „aber
ich gedenke mit meinem Theater in Budapest
zu gastireu."
SS
Unter den neuereirten österreichischen Herren-
hausmitgliederu befindet sich auch der bekannte
Compomst Dvorak.
Der soll wohl die vielen Kontra-Punkte
und Dissonanzen in Oesterreich anftöseu??
f///s
™ V *.
f ortschritt
Maler A: Schau' mal, das ist
doch riesig fein!
Maler 8: Ja! Die Natur
schlängelt sich nun doch so peu
ä peu an die Kunst 'ran!
Die Wasler Masken
Ls standen sechs bornirte Tröpfe
Zu Basel im Museumsbau,
Sie schüttelten die dicken Köpfe
Und ärgerten sich braun und blau:
„Lr ist verrückt! Zum Haselstöcklin
Möcht' Liner greifen voller Wuth:
Lin braver Mann, der alte Böcklin —
Und daß der Sohn jetzt so was thul?
Lr stammt doch aus solidem Stande,
Aus einem alten Seidenhaus.
Und bildet zur Familienschande
Sich nun zum lump'gen Maler aus!
Daß einem Biedermanne weh um
Das Herze vor Entrüstung wird,
So hat er gar jetzt im Museum
Die schönen Wände vollgeschmiert!
Und was für grundverkehrte Sachen,
Wie abgeschmackt, wie toll und wüst,
Man müßte laut darüber lachen,
Wenn man nicht drüber weinen müßt'!
Nichts, nichts Reelles! Blos Gefasel
von Fehlern und Verirrung voll —
Was thut zum Beispiel hier in Basel
Der längst verstorbne Gott Apoll?
Und dort das nackte Frauenzimmer
Auf einer Muschel — ein Skandal!
Ls hapert bei den Malern immer
Am Schamgefühl und der Moral!
Und hier den Kopf! Man könnt' sich bangen,
So schrecklich schaut das Weibsbild drein
Mit der Frisur von Klapperschlangen —
Ls soll 'ne Frau Medusa sein!
wenn man ste steht, so gibt's 'ne Panik
Bei unserm Sonntagspublikum!
Und hier die Göttin der Botanik,
Mit nackten Buben drum herum!
Sie flattern mit ihr um den Hügel
Und haben nicht mal Flügel an —
Weiß doch ein Kind, daß ohne Flügel
Unmöglich einer fliegen kann!
Doch solch ein hirnverbrannter Maler,
Der kümmert sich um dieses nicht!
Dem Bürger, Christen, Steuerzahler,
Dem schlägt er höhnisch in's Gesicht!
Wir müssen doch die Farben zahlen,
Die er verpinselt, solch ein Tropf!
Und will er drum für uns was malen,
So mal' er auch nach unserm Kopf!
Ss wird von uns in nächster Sitzung
Der Antrag dringlich eingebracht,
Daß man vermittels Kalkbesprihung
Die Wände wieder sauber macht l
Man soll nicht gar am Lnde sagen
von uns in Zukunft überall.
Daß Basel mit die Schuld getragen
An dem modernen Äunstverfall!"
So schrie'n die kläglichen Gewächse
Und ärgerten sich blau und braun.
Der Meister Böcklin hat die Sechse
Zn Sandstein später ausgehau'n.-
(Wenden Sie gef. um!)
*07
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feiten erfuhr, so dachte es sich „das kann einmal
schön werden!" und die zahlreichen inneren und
äußeren Feinde des Landes der Ueberraschnugen
lachten sich dann in ihre respektiveu Fäustchen,
Später sollte, sic sich standesgemäß verheiraten und
mau dachte, sie würde dem iunern Frieden des
Landes wenigstens dieses Opfer bringen. Statt
dessen aber verliebte sie sich in einen slovakischen
Mansfallenhäudler und heiratete ihn.
So war man sehr böse auf die Großherzogin
gestimmt und die Leute sahen mit ihren respektive»
Angen trübe in die Zukunft.
Aber es kam ganz anders, als mau erwartet
hatte. Ueber Nacht kam einmal etwas über sie,
was noch nie über sie gekommen war, nämlich
die himmlische Gnade.
Und siehe da:
Sie übernahm das Protektorat über den „christ-
lichen Jnngfernbund", stiftete fünf Kirchen und
sieben Klöster und gründete eine Gesellschaft für
Ketzerverbrennungen. Mit scharfer Rede ging sie
dem Unglauben zu Leibel
Jubelnd klatschten die Frommen in ihre re-
spektive» Hände und sagten: Jetzt ist unser Land
gerettet!
Blos einige ganz gemeine Nörgler rümpften
ihre respektiven Nasen und wandten einen Spruch
an, der mit zwei Gedankenstrichen anfängt und
mit „alte BetschwesternI" aufhört.
Historicus
Vas lebende Nadelkissen
oder
ffian gewöhnt sich an Hlles
Aus Paris wird berichtet: Leit Donnerstag ver-
geht kaum eine Stunde, ohne daß der Apotheker
des nahen Städtchens Saint-Germain-en-Laye von
einem jungen Mädchen mit der Bitte in An-
spruch genommen wird, ihr Reißnadeln aus dem
Körper ;u ziehen. Lr hat ihr schon etwa > 20 Ra-
deln, die sie vor Jahren aus Anlaß einer wette
verschluckte, entfernt.
(ö weh..! au.. autsch!.. Da steh nur, thenre Else,
wie sich mein Finger plötzlich rosig färbt...
Du hast nicht bloß die Taille von der Gelse, —
Ls scheint, auch ihren Stachel mitgeerbt...
Schon wieder.. Himmel:.. sind die Gürtelspangen,
was sonst denn los, daß solches mir pasiirt?
Um Gott,.. nun stechen gar auch Kinn und
Wangen...
Hast Du Dich, Mädchen, heut noch nicht rasirt?
Da neigt sie sich zu mir und lächelt ininnig,
Und dann ergießt sich ihrer Rede Schwall:
„Ls war schon hent ein Herr da, von der Klinik,
Und meint', ich sei ein interessanter Fall..!
vor sieben Jahr' Hab' ich mit andern Madeln
Gewettet nämlich.. so zum Zeitvertreib —,
wer von uns schlucken könnt' am meisten Nadeln,
Die stecken nämlich .. drin mir in dem Leib ..
Jetzt thun sie alle wieder ans sich scheiden,
Ls fehlen bloß einhundertsiebenzig .."
Ich hört' es stumm, ich mußt' es eben leiden,
Doch gab's bei jedem Mort mir — einen Stich..!
Mein herzig Llschen — ach! — ein Nadelkissen,...
warum — o weh! — Hab' ich das nicht gewußt?
Nun war' mir . . au! . . das böseste Gewissen
Behaglicher, als Liebchens Arm und Brust..!
Doch allzusehr war ich den armen Nigel
Gewöhnt, — und fand mich mählig still darein ...
Nun nenn' ich kosend sie: Du Herzens Igel, ...
Mein Gold-Skorpion .. ., Du süßes Stachel-
schwein ...!
Mit Salmiaklösung lind're ich mein wehe,
wie's gegen Mücken räthlich auf dem Land,
Und stecke Abends, eh' ich zn ihr gehe,
Fünf Fingerhüte schlau an jede Hand.
Maxi
Max von Seydel f
Und wieder Kat sieb jenem dunklen Land
Ein grosser Mensch auf ewig zugewandt
Und zu den Schaffen wandelt, früh genug.
Der lüissende, der uns die Tackel trug,
Der manches Dunkel fröhlich aufgehellt,
Der reifer meisheit jungen Iftutb gesellt.
Ein Deist so tief und doch krystallen klar ,
Ein Recbtsgelebrter, der -einDichter war!
Er hat den Hacken höfisch nie gebeugt,
Stets das Erkannte stolz und kühn bezeugt,
Tür alles freie Menschenthum entflammt.
Und keine Tessel war ihm Ehr’ und Amt!
Trob lauschte ihm das werdende Geschlecht
Dem hellen Geiste war Gesetz und Recht
Zu todtem Biicberkrame nicht verdorrt.
Und blühend Leben war in seinem mort!
Dem Reer der Tinsterniss im flug' ein Dorn,
Tm Kampfe froh und wundervoll im Zorn,
Ein Rampe, der manch heisse Schlacht
gewann,
Tn jedem nerv ein rechter deutscher Mann —
So soll sein Bild uns im Gedächtniss stehn:
Ihr werdet selten seines Gleichen seh n!
Jugend
Klassisches Seugniß
Das Lorpus juris scheint von einem Agra-
rlev inspirirt zu sein, da es 42, 21 v 2, 2
heißt:
„8i quis novum csnalcrn velil collocare,
hoc interdictum futurum.“
„Wenn einer einen neuen Kanal erbauen
will, soll dies untersagt werden."
Gastsptelrequtstten
Paul Lindau kauft in einem Waffeukadeu
300 Gewehre.
„Herr Lindau rüsten wohl eine Burenexpedition
aus?" fragt ihn der neugierige Kaufmann.
„Das nicht!" antwortet Paul Lindau, „aber
ich gedenke mit meinem Theater in Budapest
zu gastireu."
SS
Unter den neuereirten österreichischen Herren-
hausmitgliederu befindet sich auch der bekannte
Compomst Dvorak.
Der soll wohl die vielen Kontra-Punkte
und Dissonanzen in Oesterreich anftöseu??
f///s
™ V *.
f ortschritt
Maler A: Schau' mal, das ist
doch riesig fein!
Maler 8: Ja! Die Natur
schlängelt sich nun doch so peu
ä peu an die Kunst 'ran!
Die Wasler Masken
Ls standen sechs bornirte Tröpfe
Zu Basel im Museumsbau,
Sie schüttelten die dicken Köpfe
Und ärgerten sich braun und blau:
„Lr ist verrückt! Zum Haselstöcklin
Möcht' Liner greifen voller Wuth:
Lin braver Mann, der alte Böcklin —
Und daß der Sohn jetzt so was thul?
Lr stammt doch aus solidem Stande,
Aus einem alten Seidenhaus.
Und bildet zur Familienschande
Sich nun zum lump'gen Maler aus!
Daß einem Biedermanne weh um
Das Herze vor Entrüstung wird,
So hat er gar jetzt im Museum
Die schönen Wände vollgeschmiert!
Und was für grundverkehrte Sachen,
Wie abgeschmackt, wie toll und wüst,
Man müßte laut darüber lachen,
Wenn man nicht drüber weinen müßt'!
Nichts, nichts Reelles! Blos Gefasel
von Fehlern und Verirrung voll —
Was thut zum Beispiel hier in Basel
Der längst verstorbne Gott Apoll?
Und dort das nackte Frauenzimmer
Auf einer Muschel — ein Skandal!
Ls hapert bei den Malern immer
Am Schamgefühl und der Moral!
Und hier den Kopf! Man könnt' sich bangen,
So schrecklich schaut das Weibsbild drein
Mit der Frisur von Klapperschlangen —
Ls soll 'ne Frau Medusa sein!
wenn man ste steht, so gibt's 'ne Panik
Bei unserm Sonntagspublikum!
Und hier die Göttin der Botanik,
Mit nackten Buben drum herum!
Sie flattern mit ihr um den Hügel
Und haben nicht mal Flügel an —
Weiß doch ein Kind, daß ohne Flügel
Unmöglich einer fliegen kann!
Doch solch ein hirnverbrannter Maler,
Der kümmert sich um dieses nicht!
Dem Bürger, Christen, Steuerzahler,
Dem schlägt er höhnisch in's Gesicht!
Wir müssen doch die Farben zahlen,
Die er verpinselt, solch ein Tropf!
Und will er drum für uns was malen,
So mal' er auch nach unserm Kopf!
Ss wird von uns in nächster Sitzung
Der Antrag dringlich eingebracht,
Daß man vermittels Kalkbesprihung
Die Wände wieder sauber macht l
Man soll nicht gar am Lnde sagen
von uns in Zukunft überall.
Daß Basel mit die Schuld getragen
An dem modernen Äunstverfall!"
So schrie'n die kläglichen Gewächse
Und ärgerten sich blau und braun.
Der Meister Böcklin hat die Sechse
Zn Sandstein später ausgehau'n.-
(Wenden Sie gef. um!)
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