1901
JUGEND
Nr. 20
Endlich, da ich mein Buch weglege, bietet er
wir seine Sportzeitung an:
»Wird Sie vielleicht interesfiren: DieBoltaway
von Burnside aus der Brindavoine ist plötzlich
eingegangen. Harter Schlag für Graditz. Hätte
seit Jahren das erste sichere Gewinnpferd fnr's
deutsche Derby wie für Baden-Baden abgegeben."
Nun mag ja der Pferdesport ein ganz schönes
Ding sein, aber mir fehlt nun einmal der soge-
nannte Pferdeverstand gänzlich, und das Hippo-
litisiren verursacht mir Gähnkrämpse. Ich nahm
also seine Sportzeitung mit sehr geringer Freude
entgegen, und bot ihm dagegen meine Zeitungen
an; er lehnte aber dankend ab, und rückte sich wie
zum Schlafen zurecht.
Meine Flasche war leer, ich hatte eine ange-
nehme „Bettschwere" erreicht, und faltete daher
sehr bald das Pferdeblatt zusammen. Die finstere
Gegend draußen interessirte mich nicht, mein Rcisc-
genosse nach weniger, — kurz, ich war bereit,
Morpheus zu empfangen, — wenn er kommen
wollte.
Nach längerer Zeit schien mir's, als führe der
Zug wieder in eine größere Station ein; durch
die schlafbeschwerten Augenlider blinzelnd, ge-
wahrte ich, wie einige schwerbepackte Reisende hin-
und herliefen, ein langer, zerknittert aussehcnder
Kellner rannte mit seinem Tablett auf und ab:
„Cognak, Cigarren, Streichhölzer I"
Mein Reisegenosse war aufgesianden und sah
über mich weg zum Fenster hinaus.
„Der Kellncr hat keinen Zuspruch; hat auch
wenig Auswahl," murmelte er dann.
„Doch hat er drei von den vier Ersten Dingen,
die man auf Reisen braucht," sagte ich.
„Welche? Wie?"
„Nun, die vier ersten Erfordernisse sind: Ci-
garren, Streichhölzer, Cognak und — Geld. Mit
diesen ausgerüstet, wage ich alle Reisestrapazen."
„Die vier ersten Ding-," murmelte lächelnd der
Andre. „Die Meisten schleppen aber mehr mit."
„Alle. Nur einer nicht, — sehen Sie den da,
der so eilig heranläuft."
„O doch," — sagte da der Fremde, und zwar
mit einer merkwürdigen Betonung, — indem er
sich wieder zurechtsetzte. „Der hat zwei Stücke Ge-
päck, die ihn nicht verlassen: einen bleiernen Kasten
voll Sorgen, und einen riesengroßen leichten Korb
voll Hoffnungen."
Ich drehte mich überrascht zu meinem Nachbar
um. Der Ton, die Worte, alles hatte mich ganz
wunderlich getroffen. Der Mann war jedenfalls
fetn oberflächlicher Dutzendmensch; er sah die Dinge,
»nd die Menschen, wie sie sind, und nicht, wie sie
scheinen. Ich thaute förmlich auf und sah ihn
freundlich an. — Er aber, mit ewig gleichbleiben-
der Ruhe, blickte vor sich hin in's Leere, und schien
weiterschweigen zu wollen.
Doch das litt ich nun nicht mehr; warum soll
rr jetzt, da er mir interessant geworden, schlafen,
nachdem er mich mehrere Stunden lang sträf-
lich angeschwiegen?
Ich packte mein Cognakflacon aus, und >
bot es ihm: „eins von den vier ersten
Dingen gefällig?"
Er schüttelte den Kopf langsam und wenig,
immer ohne mich anzusehen; dann sagte er mit
»och weit ernsterer Stimme:
„Die B i e r L e tz t e n D i n g e ständen uns näher."
Mein Cognakstacon verschwand langsam wie-
der in der Reisetasche. Verdutzt grübelte ich dabei
über den sonderbaren Menschen; endlich, etwas un-
gehalten, sagte ich:
„Weiß schon kaum mehr, welches die Mer Letz-
ten Dinge sind! — Zum Vergnügen scheinen Sie
übrigens nicht zu reisen," brummte ich dann.
„Nein. Ich bin Geschäftsreisender."
Ich staunte immer mehr; von einem Reiseonkel
war an dem Fremden nichts zu errathen.
„Und in was — wenn ich fragen darf?" wagte
ich endlich, nicht ohne etwas Uebermuth, zu sagen.
„In — eben den Vier Letzten Dingen," gab
er zur Antwort, so ruhig und einfach, als sei das
eine ausgebreitete Geschäftsbräuche; seine Augen
hatte er jetzt, unter dem Kappenschirm, geschlossen,
und lehnte wie im Schlaf, am Rückenpolster in
seiner Ecke. Dann aber entschloß er sich zum Weiter-
sprechen:
„Oder, aufrichtiger, — vielleicht begreiflicher
gesprochen, — ich bereite den Jüngsten Tag vor."
— Jetzt dachte ich einen Moment, ich hätte
einen Irrsinnigen vor mir; doch nur einen Mo-
ment. Seine ruhige Würde verscheuchte den Ge-
danken. Ich beugte mich ein wenig vor, um ihm
genauer in's Gesicht zu sehen. Er schien's zu füh-
len, öffnete die Augen wieder und sah mich an.
Bisher hatte ich ihm nicht ins Auge gesehen,
so schiens, denn in welche Augen sah ich jetzt!
Das waren keine Augen, das waren Abgründe
voll dunklen Lichtes — kein Mcnschenauge strahlt
so ernst und doch so warm ....
„Sie wundern sich," sagte er dann, mich weiter
unverwandt anblickend, — „und möchten wissen,
ob der Jüngste Tag so nahe ist, daß die Vorbe-
reitung nöthig wird?"
Ich nickte, athemlos gespannt, immer noch in
vollster Verwirrung, aber wie gelähmt durch diesen
Blick ....
„Ob er nahe ist? Wer kann darauf antworten,
und was heißt nahe! Er ist immer nahe. Auch
weiß ich nur, was mich angeht; nicht, was Sie
angeht."
Ein sonderbares Grausen, eine tiefe Ergriffen-
heit fesselte mich; aber irgendwelche Furcht hatte
ich nicht vor ihm; das machte sein Blick.
Könnt' ich diesen Blick schildern in seiner ganzen
weltumfassenden Größe, in seiner Wärme und
Erhabenheit.... Ein ähnlicher strahlt aus den
Augen, die Rafael der Sixtina gab ... Aber
dort ists nur Menschenwerk; dieser Blick hier aber
war eines Höheren Werk.
Lange schwieg ich, ihn anschauend. Zuletzt
wurde mir ganz warm; in der tiefen Nacht dieser
Augen brannte eine warme, stille Flamme der
Güte und Liebe.
Dann sprach er wieder — es schien immer,
als läse er meine Gedanken, als brauchte ich nicht
zu fragen:
„Doch glauben Sie nicht, daß ich gekommen
bin, Ihnen das zu verkünden. Ter jüngste Tag
wird sich selbst verkünden, allüberall in aller Welt,
in allen Welten. Ueberall wird jeder die Ver-
kündigung hören können und verstehen können,
wenn er — hören und verstehen nicht verlernt
hat. Nur wenige werden es ganz begreifen."-
— „Und wie verkündet sich's?" dachte oder
fragte ich endlich.
Er sann einen Augenblick nach. Dann:
„Also wirds geschehen. Ich gebe ein Ihnen
begreifliches Bild. — Folgendes wird sich ereig-
nen: —"
Und nun, indem er weiter sprach, richtete er
sich unmerklich auf, und seine Stimme nahm
einen weichen, klingenden Ton an.
„Unerwartet, an einem Tage, der gerade so
ist wie andere, wenn nichts Besonderes sonst sich
ereignet, wird auf der Straße oder sonstwo, ein
Einzelner von Entrückung befallen; er tritt hervor,
gehobnen Angesichts, mit ausgestreckten Armen
steht er da, und beginnt einen leisen, eintönigen
ekstatischen Gesang in unbekannter Sprache. Seine
Miene ist ernst, er sieht und hört nichts. Kaum
aber wird er beachtet im hastenden Getriebe der
Gasse. Nur Kinder und Thiere erschaudern bei
dem Gesang und fühlen, daß etwas Gewaltiges
;.aht. — Endlich aber wird doch die Welt auf-
merken, denn von überallher wird Nachricht kommen,
daß überall dort auch die gleiche Erscheinung zur
selben Zeit, die gleichen Worte und Töne erklangen.
Tie Befallenen selbst aber werden nachdem nichts
wissen von ihrer Ekstase. Auch wird dann noch
eine Zeit kommen, in der die Welt die große
Mahnung wieder vergißt, denn nicht gleich folgt
der Verkündigung der Jüngste Tag; die Ewigkeit
hat lange Minuten."-
Er schwieg. Ich wartete lange, ob er weiter
sprechen wollte. Aber er lehnte sich wieder zurück,
und wollte die Augen schließen. Ta fiel ich ihm
ins Schweigen:
„Nein, — nicht also! . . . Wann wird es
sein? Nur das noch möcht' ich wissen!"
„Das geht Sie nichts an," erwiederte er, wieder
in seiner frühem ruhigen, mild-ernsten Meise; —
„denn Sie sterben vorher."
Hier wollte mich ein neuer Schauder packen:
sollte er mir in so schöner, unpersönlicher Art
den Tod verkünden wollen?
„Wann aber — sterbe ich?!"
„Auf Ihrer Stirn stehts geschrieben seit Ihrer
Geburt. Genau: Tag und Stunde!"
Verwirrt fuhr ich mit den Augen umher, ja
ich gestehe, daß ich einen Augenblick mich im
Spiegel ansah, um vielleicht zu entziffern ....
Das sah er und lächelte mild: „Nein, Sie
können die Schrift nicht lesen."
„Und — Sie?"
„Auch nicht gut. Es ist — glaube ich —"
dabei fixirte er mich scharf, — „es wird
sein — am — —"
Hier packte mich die wildeste Unruhe — ich
holte heftig Athem ....
Es war bereits Morgen. Mein Begleiter
war nicht mehr da; nur sein Sportblntt lag noch
gefaltet neben mir. — Ich rief den Schaffner:
„Wo ist der Herr, der hier saß?"
„Der ist schon in der Nacht ausgettiegen.
War Erich Kleinhempel
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JUGEND
Nr. 20
Endlich, da ich mein Buch weglege, bietet er
wir seine Sportzeitung an:
»Wird Sie vielleicht interesfiren: DieBoltaway
von Burnside aus der Brindavoine ist plötzlich
eingegangen. Harter Schlag für Graditz. Hätte
seit Jahren das erste sichere Gewinnpferd fnr's
deutsche Derby wie für Baden-Baden abgegeben."
Nun mag ja der Pferdesport ein ganz schönes
Ding sein, aber mir fehlt nun einmal der soge-
nannte Pferdeverstand gänzlich, und das Hippo-
litisiren verursacht mir Gähnkrämpse. Ich nahm
also seine Sportzeitung mit sehr geringer Freude
entgegen, und bot ihm dagegen meine Zeitungen
an; er lehnte aber dankend ab, und rückte sich wie
zum Schlafen zurecht.
Meine Flasche war leer, ich hatte eine ange-
nehme „Bettschwere" erreicht, und faltete daher
sehr bald das Pferdeblatt zusammen. Die finstere
Gegend draußen interessirte mich nicht, mein Rcisc-
genosse nach weniger, — kurz, ich war bereit,
Morpheus zu empfangen, — wenn er kommen
wollte.
Nach längerer Zeit schien mir's, als führe der
Zug wieder in eine größere Station ein; durch
die schlafbeschwerten Augenlider blinzelnd, ge-
wahrte ich, wie einige schwerbepackte Reisende hin-
und herliefen, ein langer, zerknittert aussehcnder
Kellner rannte mit seinem Tablett auf und ab:
„Cognak, Cigarren, Streichhölzer I"
Mein Reisegenosse war aufgesianden und sah
über mich weg zum Fenster hinaus.
„Der Kellncr hat keinen Zuspruch; hat auch
wenig Auswahl," murmelte er dann.
„Doch hat er drei von den vier Ersten Dingen,
die man auf Reisen braucht," sagte ich.
„Welche? Wie?"
„Nun, die vier ersten Erfordernisse sind: Ci-
garren, Streichhölzer, Cognak und — Geld. Mit
diesen ausgerüstet, wage ich alle Reisestrapazen."
„Die vier ersten Ding-," murmelte lächelnd der
Andre. „Die Meisten schleppen aber mehr mit."
„Alle. Nur einer nicht, — sehen Sie den da,
der so eilig heranläuft."
„O doch," — sagte da der Fremde, und zwar
mit einer merkwürdigen Betonung, — indem er
sich wieder zurechtsetzte. „Der hat zwei Stücke Ge-
päck, die ihn nicht verlassen: einen bleiernen Kasten
voll Sorgen, und einen riesengroßen leichten Korb
voll Hoffnungen."
Ich drehte mich überrascht zu meinem Nachbar
um. Der Ton, die Worte, alles hatte mich ganz
wunderlich getroffen. Der Mann war jedenfalls
fetn oberflächlicher Dutzendmensch; er sah die Dinge,
»nd die Menschen, wie sie sind, und nicht, wie sie
scheinen. Ich thaute förmlich auf und sah ihn
freundlich an. — Er aber, mit ewig gleichbleiben-
der Ruhe, blickte vor sich hin in's Leere, und schien
weiterschweigen zu wollen.
Doch das litt ich nun nicht mehr; warum soll
rr jetzt, da er mir interessant geworden, schlafen,
nachdem er mich mehrere Stunden lang sträf-
lich angeschwiegen?
Ich packte mein Cognakflacon aus, und >
bot es ihm: „eins von den vier ersten
Dingen gefällig?"
Er schüttelte den Kopf langsam und wenig,
immer ohne mich anzusehen; dann sagte er mit
»och weit ernsterer Stimme:
„Die B i e r L e tz t e n D i n g e ständen uns näher."
Mein Cognakstacon verschwand langsam wie-
der in der Reisetasche. Verdutzt grübelte ich dabei
über den sonderbaren Menschen; endlich, etwas un-
gehalten, sagte ich:
„Weiß schon kaum mehr, welches die Mer Letz-
ten Dinge sind! — Zum Vergnügen scheinen Sie
übrigens nicht zu reisen," brummte ich dann.
„Nein. Ich bin Geschäftsreisender."
Ich staunte immer mehr; von einem Reiseonkel
war an dem Fremden nichts zu errathen.
„Und in was — wenn ich fragen darf?" wagte
ich endlich, nicht ohne etwas Uebermuth, zu sagen.
„In — eben den Vier Letzten Dingen," gab
er zur Antwort, so ruhig und einfach, als sei das
eine ausgebreitete Geschäftsbräuche; seine Augen
hatte er jetzt, unter dem Kappenschirm, geschlossen,
und lehnte wie im Schlaf, am Rückenpolster in
seiner Ecke. Dann aber entschloß er sich zum Weiter-
sprechen:
„Oder, aufrichtiger, — vielleicht begreiflicher
gesprochen, — ich bereite den Jüngsten Tag vor."
— Jetzt dachte ich einen Moment, ich hätte
einen Irrsinnigen vor mir; doch nur einen Mo-
ment. Seine ruhige Würde verscheuchte den Ge-
danken. Ich beugte mich ein wenig vor, um ihm
genauer in's Gesicht zu sehen. Er schien's zu füh-
len, öffnete die Augen wieder und sah mich an.
Bisher hatte ich ihm nicht ins Auge gesehen,
so schiens, denn in welche Augen sah ich jetzt!
Das waren keine Augen, das waren Abgründe
voll dunklen Lichtes — kein Mcnschenauge strahlt
so ernst und doch so warm ....
„Sie wundern sich," sagte er dann, mich weiter
unverwandt anblickend, — „und möchten wissen,
ob der Jüngste Tag so nahe ist, daß die Vorbe-
reitung nöthig wird?"
Ich nickte, athemlos gespannt, immer noch in
vollster Verwirrung, aber wie gelähmt durch diesen
Blick ....
„Ob er nahe ist? Wer kann darauf antworten,
und was heißt nahe! Er ist immer nahe. Auch
weiß ich nur, was mich angeht; nicht, was Sie
angeht."
Ein sonderbares Grausen, eine tiefe Ergriffen-
heit fesselte mich; aber irgendwelche Furcht hatte
ich nicht vor ihm; das machte sein Blick.
Könnt' ich diesen Blick schildern in seiner ganzen
weltumfassenden Größe, in seiner Wärme und
Erhabenheit.... Ein ähnlicher strahlt aus den
Augen, die Rafael der Sixtina gab ... Aber
dort ists nur Menschenwerk; dieser Blick hier aber
war eines Höheren Werk.
Lange schwieg ich, ihn anschauend. Zuletzt
wurde mir ganz warm; in der tiefen Nacht dieser
Augen brannte eine warme, stille Flamme der
Güte und Liebe.
Dann sprach er wieder — es schien immer,
als läse er meine Gedanken, als brauchte ich nicht
zu fragen:
„Doch glauben Sie nicht, daß ich gekommen
bin, Ihnen das zu verkünden. Ter jüngste Tag
wird sich selbst verkünden, allüberall in aller Welt,
in allen Welten. Ueberall wird jeder die Ver-
kündigung hören können und verstehen können,
wenn er — hören und verstehen nicht verlernt
hat. Nur wenige werden es ganz begreifen."-
— „Und wie verkündet sich's?" dachte oder
fragte ich endlich.
Er sann einen Augenblick nach. Dann:
„Also wirds geschehen. Ich gebe ein Ihnen
begreifliches Bild. — Folgendes wird sich ereig-
nen: —"
Und nun, indem er weiter sprach, richtete er
sich unmerklich auf, und seine Stimme nahm
einen weichen, klingenden Ton an.
„Unerwartet, an einem Tage, der gerade so
ist wie andere, wenn nichts Besonderes sonst sich
ereignet, wird auf der Straße oder sonstwo, ein
Einzelner von Entrückung befallen; er tritt hervor,
gehobnen Angesichts, mit ausgestreckten Armen
steht er da, und beginnt einen leisen, eintönigen
ekstatischen Gesang in unbekannter Sprache. Seine
Miene ist ernst, er sieht und hört nichts. Kaum
aber wird er beachtet im hastenden Getriebe der
Gasse. Nur Kinder und Thiere erschaudern bei
dem Gesang und fühlen, daß etwas Gewaltiges
;.aht. — Endlich aber wird doch die Welt auf-
merken, denn von überallher wird Nachricht kommen,
daß überall dort auch die gleiche Erscheinung zur
selben Zeit, die gleichen Worte und Töne erklangen.
Tie Befallenen selbst aber werden nachdem nichts
wissen von ihrer Ekstase. Auch wird dann noch
eine Zeit kommen, in der die Welt die große
Mahnung wieder vergißt, denn nicht gleich folgt
der Verkündigung der Jüngste Tag; die Ewigkeit
hat lange Minuten."-
Er schwieg. Ich wartete lange, ob er weiter
sprechen wollte. Aber er lehnte sich wieder zurück,
und wollte die Augen schließen. Ta fiel ich ihm
ins Schweigen:
„Nein, — nicht also! . . . Wann wird es
sein? Nur das noch möcht' ich wissen!"
„Das geht Sie nichts an," erwiederte er, wieder
in seiner frühem ruhigen, mild-ernsten Meise; —
„denn Sie sterben vorher."
Hier wollte mich ein neuer Schauder packen:
sollte er mir in so schöner, unpersönlicher Art
den Tod verkünden wollen?
„Wann aber — sterbe ich?!"
„Auf Ihrer Stirn stehts geschrieben seit Ihrer
Geburt. Genau: Tag und Stunde!"
Verwirrt fuhr ich mit den Augen umher, ja
ich gestehe, daß ich einen Augenblick mich im
Spiegel ansah, um vielleicht zu entziffern ....
Das sah er und lächelte mild: „Nein, Sie
können die Schrift nicht lesen."
„Und — Sie?"
„Auch nicht gut. Es ist — glaube ich —"
dabei fixirte er mich scharf, — „es wird
sein — am — —"
Hier packte mich die wildeste Unruhe — ich
holte heftig Athem ....
Es war bereits Morgen. Mein Begleiter
war nicht mehr da; nur sein Sportblntt lag noch
gefaltet neben mir. — Ich rief den Schaffner:
„Wo ist der Herr, der hier saß?"
„Der ist schon in der Nacht ausgettiegen.
War Erich Kleinhempel
3 I T