JMd)ied
vom Horden
Nr. 22
. JUGEND .
1901
7Jm Tage, da ich Abschied nehmen
»rl muhte vom Norden, zog der Früh-
ling ein.
Und dar Nt etwas gar Zeltiames
für den, der'r zum ersten Male erlebt.
Ich hatte ihn kommen sehen, ach!
wer weih wie oft! in meinen heimatlichen
Bergen. Das war ein Triumphzug! Kein
Zmperator der Weltgeschichte hat sich je mit
so viel Spektakel dekorirt. Gin Brausen und
ein Donnern in den Binnen der 8turzbäche, ein
5töhnen und Brüllen in uralten Tannen, ein
Hetzen und Jagen der zerfetzten Wolken und
Nebelkloren — und ein greller Angstschrei der
Kleinen Leute, wenn die braungrünen Zchnee-
wässer sich tobend über hänge und Felder
wälzten, Brücken und Zcheunen fortfpülten und
mit der unwiderstehlichen Werbekraft der Wassers
dem Himmel abtrotzten, was er an ZZuthen-
reichthum umklammert hielt. Wie grausam
war dies Imperium, und — ach! wie kurz!
Die Wolken wichen und die Ztröme hemmten
ihre wilde Fahrt, und die Tannen schwiegen,
und eines Morgens klirrte und flirrte es in der
Luft, ein strahlend blauer Himmel lachte her-
nieder, und Mutter Grde lag stumm in blendend
weiher Keuschheit — der Winter war wieder da
mit seiner eisigen Buhe und wartete gemächlich
der zweiten Bampter ... Und wer die Menschen
gern einmal so recht gallig und ver-
ärgert sehen, so recht fluchen und
schimpfen und keifen hören möchte, der
steige nicht an sengenden Zulimittagen
und nicht bei heulenden 8chneeltürmen
der Dezembers und nicht in den glitzern-
den FroNnLchten der Jänner und nicht
an grauen Bieselregentagen im November
hinauf in die Berge, sondern im wunder-
schönen Lenzmonat März, wenn die Grd-
göttin Auferstehung feiert. . .
Dort oben im Norden geht'r anders zu.
Leise kommt da der Frühling, ganz leise, aus
den Juhspitzen schwebt er heran, und wer die
Augen und Ohren nicht zu öffnen gelernt hat,
der sieht und hört ihn nicht, wenn er längst
da Nt, und weih am Gnde gar nicht, dah er
da ist, wühte er nicht, wenn er'r nicht fühlte.
Denn auch die Blinden, die den Zchnee nicht
schmelzen und die Knospen nicht schwellen sehen,
und auch die Tauben, die dar Meer nicht
raunen und die Möven nicht rufen hören —
auch Ne erleben den Frühling, Ne fühlen ihn,
wie er zu ihnen in'r Ztübchen schleicht und
schmeichelt und zärtelt und koN . . .
Denn hier ilt der Frühling mehr als der
Sieg über Gis und Zchnee. ZN mehr als ein
bischen Thauwetter mit grundlosen Ztrahen und
triefenden Geldern, hier Nt der Frühling der
vom Horden
Nr. 22
. JUGEND .
1901
7Jm Tage, da ich Abschied nehmen
»rl muhte vom Norden, zog der Früh-
ling ein.
Und dar Nt etwas gar Zeltiames
für den, der'r zum ersten Male erlebt.
Ich hatte ihn kommen sehen, ach!
wer weih wie oft! in meinen heimatlichen
Bergen. Das war ein Triumphzug! Kein
Zmperator der Weltgeschichte hat sich je mit
so viel Spektakel dekorirt. Gin Brausen und
ein Donnern in den Binnen der 8turzbäche, ein
5töhnen und Brüllen in uralten Tannen, ein
Hetzen und Jagen der zerfetzten Wolken und
Nebelkloren — und ein greller Angstschrei der
Kleinen Leute, wenn die braungrünen Zchnee-
wässer sich tobend über hänge und Felder
wälzten, Brücken und Zcheunen fortfpülten und
mit der unwiderstehlichen Werbekraft der Wassers
dem Himmel abtrotzten, was er an ZZuthen-
reichthum umklammert hielt. Wie grausam
war dies Imperium, und — ach! wie kurz!
Die Wolken wichen und die Ztröme hemmten
ihre wilde Fahrt, und die Tannen schwiegen,
und eines Morgens klirrte und flirrte es in der
Luft, ein strahlend blauer Himmel lachte her-
nieder, und Mutter Grde lag stumm in blendend
weiher Keuschheit — der Winter war wieder da
mit seiner eisigen Buhe und wartete gemächlich
der zweiten Bampter ... Und wer die Menschen
gern einmal so recht gallig und ver-
ärgert sehen, so recht fluchen und
schimpfen und keifen hören möchte, der
steige nicht an sengenden Zulimittagen
und nicht bei heulenden 8chneeltürmen
der Dezembers und nicht in den glitzern-
den FroNnLchten der Jänner und nicht
an grauen Bieselregentagen im November
hinauf in die Berge, sondern im wunder-
schönen Lenzmonat März, wenn die Grd-
göttin Auferstehung feiert. . .
Dort oben im Norden geht'r anders zu.
Leise kommt da der Frühling, ganz leise, aus
den Juhspitzen schwebt er heran, und wer die
Augen und Ohren nicht zu öffnen gelernt hat,
der sieht und hört ihn nicht, wenn er längst
da Nt, und weih am Gnde gar nicht, dah er
da ist, wühte er nicht, wenn er'r nicht fühlte.
Denn auch die Blinden, die den Zchnee nicht
schmelzen und die Knospen nicht schwellen sehen,
und auch die Tauben, die dar Meer nicht
raunen und die Möven nicht rufen hören —
auch Ne erleben den Frühling, Ne fühlen ihn,
wie er zu ihnen in'r Ztübchen schleicht und
schmeichelt und zärtelt und koN . . .
Denn hier ilt der Frühling mehr als der
Sieg über Gis und Zchnee. ZN mehr als ein
bischen Thauwetter mit grundlosen Ztrahen und
triefenden Geldern, hier Nt der Frühling der