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. JUGEND

eine Spielhahngescbicbte

E. L. Hoess

(JrWtn warmer Regen fiel den Abend, die Birken
strömten zum ersten Male ihren eigenthüm-
lichen, herben Duft ans, das fahle Braun
der Moosboschen erglühte im wässrigen Sonnen-
gold; ans den trockenen Stellen rang sich ein
violetter Schimmer hindurch.

Auf den silbergrauen Dächern der Torfhütten
wurde gezimmert und gehämmert bis in die Nacht
hinein; überall blitzten frische Bretter heraus.
Und nach dem Zimmern und pämmern schlug
erst die große Dommel und die Bimmelsziege
nieckerte noch, als der Mond schon heraufgezogen
,var zwischen den schwarzen Föhren.

Es war irgend etwas vorgegangen, irgend
etwas Entscheidendes. Etwas Schlummerndes
,var erwacht, oder etwas Todtes auferstanden;
irgend etwas Festliches, Freudiges bereitete sich
vor, Großes vielleicht. Und dabei doch wieder
eine keusche Erwartung allerort, ein ehrfürchtiges
Zurückhalten.

pakl voni Berg, der junge Mooshahn, fühlte
das auch auf seinem Birkenast. Es überkam ihn
ein förmliches Zittern, immer wieder mußte er
seine zwei Bakenfedern ansspreizen, auf die er
so stolz war, nicht nur er, sondern sein ganzes
Geschlecht, einfach weil sie das Abzeichen waren
einer höheren Abkunft, von den blauen Bergen
dort, die in weiter Ferne den porizont abschlossen.

Ja, er mußte, ein förmlicher Krampf befiel
ihn, und dabei reckte er den schillernden pals und
flüsterte ganz leise: tschiu — tsch —. Aber nur
ganz leise. Mehr traute er sich nicht. In der Zeit
kann sich ein vornehmer nicht genug in Acht neh-
men —, das hatte er in seinem kurzen Leben schon
gelernt; besonders wenn man mitten unter solchem
hakenlosen Moosgelichter lebt; und am Ende wußte
er ja selbst gar nicht, was er mit dem „tschiu"
eigentlich sagen wollte.

Richtig, da brauste schon einer daher, aber er
erkannte ihn gleich an den paken als Seines-
gleichen. Es gab überhaupt nur mehr drei außer

ihm im ganzen Moor, — zwei Brüder und der
sich eben ober ihm in die Birke schwang, — der
Gnkel.

„Was fällt Dir denn ein," begann der zornig
sich plndernd, „mit Deinem ,tschiu'?"

„Das weiß ich selber nicht, lieber Gnkel, cs ist
mir grad' so kommen," meinte der Junge.

„Aber ich weiß es, der alte Tanz geht wieder
los morgen, um das Weibsvolk, da mußt Du na-
türlich den Anfang machen."

„Aber, lieber Gnkel, — Du warst doch auch
einmal —*

„War ich auch, mein Junge, war ich," —
der Gnkel stellte unwillkürlich die weitgeschwung-
enen paken auf, und sein rother Kamm er-
glühte,— „aber hier nicht, hier nicht unter dem
Gesindel — Puh! poch oben im Schnee, bei den
Sternen, blntroth die Felsen, tief unten die Welt
— und die Gesellen! — hei! war das ein Kämpfen
und Schlagen, und die pennen! Die pennen! tschiu
hui!" — Ganz laut drang es ihm aus der Kehle,
und von allen Seiten erscholl Antwort aus den:
Moor, obwohl der Mond schon zwischen den
Föhren stand.

„Da hast Du leicht reden," meinte der Junge.
„Was soll aber ich —"

„Du? Was ich thät', hätt' ich noch Deine
Schwingen. — Siehst Du dort die weiße Kante,
gerade über dem dürren Fichtenstamme?"

Starr, weit vorgebeugt blickte der Junge in
die Ferne.

„Der Mond scheint gerade darauf. Da war
ich jung, poch oben im Schnee bei den Sternen,
blntroth der Felsen, tief unten die Welt."

Der junge pakl vom Berg gab keinen Laut
von sich, starr blickte er auf die leuchtende Kante
gerade über dein Fichtenstamme.

Der Gnkel aber meitite, er sei eingeschlafen
über seiner Erzählung.

„Was weiß der arme Junge von der Liebe der
pöhen, tschiu — tsch" — — verdrossen strich er
hinaus in das Moor.

Wolken verhüllten den Mond, rabenfinster ward
es und mäuschenstill rings heruin.

Der junge pakl voni Berg saß regungslos auf
seinem Birkenaste und starrte nach der weißen
Kante, welche die Nacht verschlungen.

Sonderbare, fremdartige Bilder woben sich in
seinem pirne. Liir schmerzvolles Sehnen stieg her-
auf in seiner schillernden Brust.

Da plötzlich tauchte es wieder auf hinter dem
schwarzen Stamin, aber nicht mehr weiß, blntroth,
und eine ganze lange Kette flammte auf, Kanten
nnd Spitzen, und in ihm ein wildes, stolzes ver-
langen.

Ringsum lockte es im Moor — lululu — und
dazwischen tschiuhui — tsch — voll lüsternen Ver-
langens. Er achtete nicht daraus, er breitete die
Schwingen, stieß sich kräftig ab und fort ging cs
über das erwachende Liebesgetümmel des Suinxfes
deur blutrothen Felsen zu.

Wie das täuschte! Die Sonne stand schon hoch,
er war über Wald und Felder und Wasser ge-
flogen, die weiße Schneid' wollte nicht näher kommen.

Dabei war unter ihm jeden Augenblick etwas
anderes los, daß er gar nicht wagte, sich niederzu-
lassen. Bald schrie es, bald schnaubte und fauchte
und qualmte es. Ständiger Lärm und Bewegung.
Einmal schoß man gar ans ihn, die Lisenstiicke
prasselten nur so auf seine Schwingen.

Plötzlich packte ihn die Müdigkeit, der Blick
verschwamm ihm, er fühlte sich sinken, gerade daß
er sich im Falle irgendwo einkrallte.

Ein fremdartiger Laut weckte ihn aus seiner
Betäubung, und als er die Augen öffnete, erschrak
er nicht wenig. Er saß auf einem Strohdach und
dicht vor ihm stolzirte ein grauer Vogel mit dick-
geblähtem pals um einen schneeweißen — rugu —
durugu. Der Schneeweiße duckte sich, wandte das
Köpfchen.

;6o
Register
Anton Frh. v. Perfall: Hakl vom Berg. Eine Spielhahngeschichte
Eugen Ludwig Hoess (Höß, Hoeß): Titelbild zum Text "Hakl vom Berg"
 
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