Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
1901

JUGEND

Nr. 28

Bibamus

®tama in drei Akten von Bprnstjem Bjornson
'Ins dein Deutschen verdeutlicht von Otto 6rich

Personen
olle ehrliche Whisky
§°rgny, seine Tochter ar

„ Tochter ans erster Ehe

Lydia, seine Frau zweiter Ehe
Langsried, ein Componist

Kann, sein Onkel und Vormund.

1. Akt

Hotel ersten Ranges, Zimmer zu 20 Mk.

Aus dem Sofa ein Brautkleid

Whisky (in einem bis über die Füße reichen-
ku Schlasrock, sitzt in einem Sessel und stumpf-
Unnt vor sich hi„).

t , Erdia (sehr fidel, sehr elegant, im Straßen-
wfium, tritt auf): Hurra! Guten Morgen, Alter-
Zn- .-5in ~ schon auf? Hast Tu gut geschlafen?
^Lle i^t cs Dir denn bekommen?

Whisky (bleibt undeutlich).

Lydia: )tu ja. Es ist ja doch immer ne
«ache für jou ollen Herrn I Aber weißt Du,
ue»g nett find ich es von Dir. daß Du mich ge-
hcirathet hast. Schneidig. Wirklich, ich bin sehr
>roy darüber I Und das; ich nun nicht mehr das
Klavier zu schlagen brauche.. - Und wofür ich
, Jr !° ganz besonders dankbar bi», daß Du nicht
Mt einen verständige» Menschen um Rath gefragt
»c>lt, sondern einfach: „Willst Du meine Frau
werden?'- „Jgwoll I" Fertig „ist die Lande.
w0 richtig, was man 'ne besoffene Verlobung
»cnnt. Famos I (Sie lacht aus vollem Herzen.)
VDtysfy (blriht ernst und undeutlich).

Lrdja:^ Fa, aber was ist denn mit Dir? Du
'"chlt za son betrübtes Gesicht. Verkatert? Soll
^ (rl1 Cognac bestellen?
w^h'5tT (schüttelt den Kopf und deutet auf
as Buffet, wo bereits Alles bereit steht).

V™a schenkt ihin eilt): So, hier.. (Er trinkt
^"'er ) Nun hör mal, aber das sag' ich
, V Du nu nicht etwa nachträglich doch
,ch "^längst »ach meiner werthcn Vergangenheit
^"llen. Das war doch nun zu dumm, denn
* V"nn rauskommen?

Whisky (nickt schwer): Ich — versprcch' es Dir.

Glicht wahr, das siehst Du ein. 9tie
«[(.!,. ■®11 mich befragen u. s. w. Von gestern
^ivend ab, nur Du und ich! Nur Du und ich l
"nichts Altes dazwischen kommen!
rvhisky (unruhig): Woher. . weißt Du?
Lpd.a: Was? - Ist Dir nicht wohl?
bwky-. Woher weißt Du.. von dem?

Last-v ^ "eiß nichts. Was ist? - Ach!

Tu wieder Männerchen geseh'n?

Whisky (düster): Nichts — Männerchen?

Lydia: Aha! Tann ist Dir ivohl Deine ver-
storbene Frau erschienen? Nu ja: Tu hattst ja
auch wieder einen Mordszacken. — Hin. Na,
was sagte sie den»?

Whisky (bleibt undeutlich).

Lydia: Wie? — Hat sie was von mir gesagt?

Whisky (heftig): Weg! Weg! — So! (Er
streicht mit der einen flachen Hand über die an-
dere Handfläche, dann mit dieser wieder über die
erste. Und so weiter, jedesmal mit einem starken):
So!

Lydia (mitleidig zu ihm herabsehend): Na,
ja... Aeh! (Sie seufzt.) Also, was hat sie
denn gesagt? Von mir?

Whisky (sckiweigt).

Lydia: Willst Du's mir nicht sagen?

Whisky (nach einigem Nachdenken): Nein.

Lydia: Na, dann läßt es bleiben. Aber jetzt
mußt Du Dich anzich'n. Geh' hinein. Du mußt
zum Frühschoppen. (Sie schiebt ihn rechts ab.)

Vorhang.

2 Akt

Hotel ersten Ranges, Zimmer zu 35 Mk.

Links ein prachtvoller Schrank

Whisky (tritt herein mit einer Visitenkarte
in der Hand. Hinter ihm ein Hoteldiener. Er
murmelt diesem etwas in's Ohr).

Der Diener: Oni, Monstern1 (ab).

Whisky (geht zu dem prachtvollen Schrank,
in dem man eine Reihe Karaffen und Gläser sieht
Er nimmt eine Karaffe und ein Glas und schenkt
sich rasch hintereinander zwei Gläser ein. Tann
schließt er den prachtvollen Schrank).

De. Rann (mit einem großen Etui unter dem
Arm. sie drücken sich stumm die Hände. De. Kann
stellt das Etui vorsichtig auf den Tisch). Er ist
auch da ?

Whisky: Woher wissen Sie?

Dr. Rann: Ich bin ja sein Onkel und Vor-
mund. — Hat er das Vcrhältniß mit Ihrer Frau
schon lange?

Whisky (mürrisch): Woher soll ich das wissen?

Dr. Rann: Na, Sie sind doch ihr Mannl

Whisky: Ja, aber nur so... Sagen Sie
mal, was war eigentlich die Person früher?

Dr. Rann: Sie — hatte immer etwas gegen
das Clavier. .

Whisky (sicht sich ängstlich um): Wer ist sie?

Dr. Rann: Lahm ist sie auch. Manchmal.

Whisky: Lahm?

Dr. Rann: Ja. Ach, das ist eine furchtbar
komische Geschichte. Eines Tages tauchte sie in
einem Badeort auf als berühmte Pianistin —
aber lahm. Das heißt blos an den Füßen. Sie
konnte das Pedal nicht mehr treten.

wh-sky: Ach so.

Dr. Rann: Sie können sich vorstellen, w>.
gern die Herren ihr halfen. Alles wollte Pedal
für sie treten. Man schlug, sich darum. Beson
ders einer, der jüngste Badearzt, der Vernarrteste
von Allen, hatte schon ganz zerschundene Knie-
scheiben. Er hatte in dem Hotel, in dein sie wohnte
— einem Hotel ersten Ranges — ein Zimmer
neben ihrem genommen — das Zimmer zu 5 M. 70.
Er lag und lauschte, ob sie sich rührte — da
hörte er sie aufsteh'n, herumgeh'n — er sah durch's
Schlüsselloch — sie tanzte.

Whisky: Tanzte?

Dr. Rann: Tanzte den perfektesten Cancan
der Welt — als ob sie sich niemals in anderen
Formen bewegt hätte. Ist das nicht amüsant?

Whisky (düster): Ergreifend. (Er springt ans
und geht erregt umher. Mit einem Male denki
er an den prachtvollen Schrank, geht hin und
öffnet. Aber es fällt ihm ein, daß jemand da
ist. Er wirft die Thür wieder zu, eilt wieder zu
seinen! Stuhl und setzt sich. Ueberwältigt). Warum
haben Sie mir nichts gesagt?

Dr. Rann: Ich wollte Sie schonen. — Na
und dann: kann man einem so fidelen Mädchen
böse sein?

Whisky: Hm. . -

Dr Rann: Die Geschichte fand ich auch noch
gar nicht so schlimm, aber daß sie Ihre verstorbene
Frau Gemahlin umgebracht hat, das — muß ich
sagen — sind ich schon etwas stärker.

Whisky: Meine. . . Amalia?!

Dr. Rann: Nu ja ... es ist ja eigentlich noch
viel komischer.

Whisky: Aber: ich saß ja immer dabei.

Dr. Rann: Eben, deshalb! (Er lacht ) Nicht
mit Dolch oder Gift oder sowas — mit den Augen,
mit dem Willen — und mit dem Clavier. Sie
wollte den Platz Ihrer Frau haben. Ja. So
war es, ein Idyll: sie spielte, Sie tranken und
die Frau wurde immer weniger. Bis ich dann
dazwischen kam und die Clavierspielerin an die
Luft setzte.

Whisky: Aber sie war doch dazu engagirt. .

Dr. Rann (lacht): Eben! Das war ja das
Komische.

Whisky: Die Krankheit war doch eine an-
steckende . . .

Dr. Rann: Ja, ja.

Whisky: Und Borgny war doch deßhalb nach
Amerika gefloh'n.

Dr. Rann: Eben, die Liebe überwindet Alles.
Sie ist übrigens wieder hier.

Whisky: Hier? Im Hotel?

Dr. Rann: Jawohl. Nr. 32. Zimmerpreis
6 Mk. Kolossal, wie ähnlich sie Ihrer Frau steht!
Kleidet sich auch so. — Adieu. (Ab )

Alois Kolb (München)
Index
Björnstjerne Björnson: Bibamus
Alois Kolb: Zeichnung ohne Titel
 
Annotationen