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Nr. 28

JUGEND

1901

Langfricd: Sie töbtetc sie! Denke Dir! Ist
das nicht ein großartiger Stoff für meine Oper..
Denke Dir jetzt die Orchesterführung um diese
neue böse gelbe Stimme herum .. Dann wieder
die weiße Klage und dann die porterbraune,
dunkle Stimme des scheuen Mannes.

Lydia: Ach, das war ja ganz anders. Wer
hat es Dir denn erzählt? Natürlich Vr. Kanu..

Langfricd: Wovon sprichst Du?

Lydia: Ach natürlich von Deiner todtklavirtcn
Fra». Verstehst Du denn nicht, daß einem das
schließlich bis zum Sterben langweilig . werden
mußte? Immer dieselbe Situation: da die kranke
Madame, in der Ecke der benebelte Gatte hinter
seiner Flasche und hier ich am Klavier — spielend
und spielend — stunden-, tagelang. Man kriegt
es ja bezahlt! Aber verstehst Du nicht, daß man
schließlich mal daneben haute, aus bloßem lieber-
muth • - bloö um sich mal Luft z>y machen —
na, und was merkt ich da? Der Herr Gemahl
quietschte jedesmal vor Vergnügen — es inachte
ihm einen diebischen Spaß. Halt, dacht' ich, das
ist doch eine kleine Abwechslung und haute nun
öfter und gerade an besonders schönen Stellen da-
neben. Daß es der kranken Frau unangenehm
auf die Nerven gefallen ist, glaub' ich gerne, aber
— du lieber Gott, an der war doch nichts mehr
zu verlieren. Er aber war ganz selig, ganz weg und
ich habe mich keinen Augenblick gewundert, daß
er mich nach Ableben der Frau stehenden Fußes
zu ehelichen wünschte.

Langfried: Lydia, ich fürchte, Du bist un-
moralisch!

Lydia: Und von Dir, mein lieber Langfricd,
merke ich immer mehr, daß man Dich einen Stiesel
nennen muß..

Langfricd (sinnend): Stiesel? Meinst Du?

Lydia (aufhorchend): Hier ist Jemand! Je-
mand, der an der Thür lauscht! (Sie öffnet die
Thür links und weicht mit einem Schrei zurück.)

Der p:ccolo(erscheint): Mademoiselle Whisky
est lii. .. (Er grinst.)

Borgny (erscheint hinter dem Piccolo, den sie
hinauswirft).

Lydia: Wer sind Sie?!

Bsrgny: Die Tochter meiner Mutter...

Langfricd: Was?! Der todtkla ...

Lydia (mit schneidendem Lachen): Ha. ha...
Nun ja, jetzt haben Sie ja keine Ansteckung mehr
zu befürchten...

De. Rann (führt den etwas schwankenden
Whisky herein).

Lydia: Na und da ist ja die übrige werthe
Familie Traurige Gesellschaft! Versimpelte Bandei
Behüt Euch Gott, alle miteinander! (Ab )

De. Rann (geleitet Whisky zu einem Sessel).

Borgny: Vater! — O jetzt ist wieder reine
Luft in den Stuben.

Whisky (weinerlich): Ja, mein Kind., wir
haben Alles desinficiren lassen. Aber jetzt.. -
(Er sieht sich hilflos um.)

De. Rann: Jetzt ist der große Moment, in
welchem ich Ihnen eröffnen kann . .. (Er öffnet
sehr sorgfältig das Etui. Man sieht einen ge-
schliffenen Flacon mit Gläschen. In den Deckel
des Etuis sind in Gold gestickt die Worte: „Ergo
bibamus.“) Sehen Sie hier, lieber Freund, dies
bat Ihnen Ihre Tochter aus Amerika mitgebracht.
Diese Flasche enthält goldechten allerfeinsten Ken-
tucky-Whisky. (Er schenkt^sorgsältig vier Gläschen
voll.) Und jetzt, wo die Stuben wieder rein sind,
ivollen wir anstoßen auf das Blühen, Wachsen
und Gedeihen der Familie!

Langfricd (mit einem tiefen Blick auf Borgny):
Ergo — bibamus . . . ?

Borgny (zieht die Uhr, neckisch): Jetzt weiß ich,
was die Uhr geschlagen hat: ich bin siebzehn
Jahre, drei Monate, fünf Tage und anderthalb
Stunden — —

(Umarmung, Verlobung, Schluß.)

Die Grell

Unterm Dache wohnt die Gretel,

Rat jwei Strümpflein und jwei Schuh,
Und ein Studio wohnt daneben,

Lässt der Gretel keine Ruh.

Und die Gretel springt und tanzet
Crepp’ hinab und Crepp’ hinauf,

Und der Studio fängt die Gretel
Oben in den Hrmen auf.

Und ein Rcrjcn und ein Küssen,

Um die Chüren, auf dem Gang,
ßndlicb auch beim Studio drinnen, —
„Liebes Gretel, sei nicht bang-!“

Liebes, gutes, kleines Gretel,

Warum warst Du gar so schwach!
Ganzest, singest, springest nimmer.
Wohnst allein nun unterm Dach —I

Cöhnberg

Das {ßissverständmss

(«ine etwas starke, aber wahre Geschichte)

Die Inhaberin einer Fremdenpension in einem
sehr bekannten Kurorte erhielt im vorigen Jahre
ein Schreiben ans England, worin eine Miß Brown
sich nach den Verhältnisse» der Ladestadt, und ins-
besondere ihrer Pension, erkundigte; letztere sei ihr
von Bekannten empfohlen worden, und sie sei nicht
abgeneigt, für längere Zeit dort Aufenthalt zu
nehmen, d. h. wenn ihre Fragen zufriedenstellend
beantwortet werden könnten. Eine Ranptbeding-
ung sei die bequeme Lage des W. C. Umgehende
Antwort dringend erwünscht.

Frau M., unsere Pensionsbesitzerin, hatte nun
merkwürdiger Meise noch nie gehört, daß man in
England, und wohl auch anderswo, mit jenen
ominösen Buchstaben zu bezeichnen pflegt: „Die
einsame Klause, stillberühmt im ganzen Raufe."
Sich bei Jemand zu erkundigen, dazu war sie zu
eitel, denn sie hielt sich für gewaltig intelligent,
und verlegte sich deshalb auf's Nachdenken. Sie
glaubte auch bald das Richtige gefunden zu haben.
Engländer sind gewöhnlich sehr religiös, sagte sie
sich; gewiß will die Daine, die alt und kränklich
zu sein scheint, wissen, ob sie nicht zu weit zur
Kirche zu gehen hat. Ans Vorsicht sah sie noch
einmal in einem alten Lexikon nach, wie Kirche
auf englisch heißt. Richtig, das lvort fing mit
L. an, da war ja gar kein Zweifel mehr!

Nachdem Frau M. also die übrigen Fragen der
Miß beantwortet hatte, fuhr sie in ihrem Briefe
fort: „Ich bin sehr glücklich, Ihnen mittheilen zu
können, daß sich ein reizendes Tempelchen ganz
in der Nähe befindet, das sich von meiner lvohn-
ung bequem in 5 Minuten erreichen läßt. Das-
selbe ist aber natürlich nur Sonntags geöffnet,
und da dann der Andrang sehr groß ist, so muß
man früh gehen, um sich einen Platz zu sichern,
worauf ich Sie schon jetzt aufmerksam mache."

Die Antwort der Miß erfolgte auch wieder um-
gehend und lautete höchst entrüstet. Sie finde
diese Zustände haar st raubend und verzichte
darauf, zu kommen.

Frau M. machte große Augen und erkundigte
sich nun doch nachträglich nach der Bedeutung der
mysteriösen Buchstaben. Die Lacher hatte sie na-
türlich nicht auf ihrer Seite.

J. Walter

Bedenkliches Symptom

Hn, i moan allweil, unser Rerr kann wieder d'Rundssteuer net zahl',:." — „So, warum denn?"

Richard Pfeiffer (München)

„Seit vierzehn Tag frißt er d' wursthäut selber."
Register
Löhnberg: Die Grete
J. Walter: Das Mißverständnis
Richard Pfeiffer: Bedenkliches Symptom
 
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