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Nr- 28

1901

Letzte mode

Plauderei rott Ceon Tanroi
(Auwrisirte Uebersetzuug aus dem Französischen)

Munächst ist das eine ungenaue Bezeichnung,
welche ich schon längst richtig zu stellen be-
abnebtigte: eine letzte Mode existirt nicht und
wird niemals existiren. So lange es Damen
3>bt — und Ehemänner, um deren Schneidcrrech-
"ungen zu bezahlen —, wird niemals eine dieser
Moden den Vorzug genießen, keine Nachsolgerin
öu haben.

Genau genommen, wird nichts Neues aus
dwsem Gebiet crsunden. Eine neue Mode existirt
Edenjowcnig wie eine letzte Mode.

. ^>e glauben, unsere Stammmutter Eva hat
5'ye neue Mode geschossen? Weit gesehlt! . . . -
l>e sich zum ersten Mal einen Nock aus
flattern machte, geschah es in Nachahmung des
Weinstocks, den sie im Paradies gesehen hatte,
und der seine köstlichen Trauben unter Blättern

disk-ret versteckt hält_ Was ihre Töchter

uiilangt, so begnügen sie sich seit vielen Jahr-
hunderten damit, alte Moden wieder auszusrischen
und nur die Bezeichnungen zu ändern. Erst
ueulich hat man dasür einen eklatanten Beweis
schabt bei denAusgrabungen, die man in Grie-
wenjand anstellt.

Man hat Bas-Reliess, Statuetten und be-
utete Vasen entdeckt, aus welchen junge Schön-
hellen des klassischen Allerthums dargestellt waren,
und man hat mit Erstaunen konstatirt, daß ihre
Fußbekleidungen Absätze von 3—4 cm Höhe
?uswiesen! Absätze, welche die Franzosen in
ttzrem Nationalstolz „dlbsätze Ludwigs XV."
nennen! - Bei anderen dieser antiken Figuren
wttnum ganz moderne Bekleidungsstücke wieder,
z.den Bolero! Und nun bedenke man, daß
hat! ^ k’e berühmte Phrhne das crsunden

,,, ^er solchen Umständen rege ich mich nicht
»u lehr über die Neuerung aus, welche man
»,e Mode ankündigt. Es ist nämlich

fühttn ^ ^er die kurzen Röcke einzu-

^°^°"eich hat dieseBewcgung angesangcn.
iwar aus Veranlassung der Aerzte. Diese
Rl!?" behaupten, vielleicht mit Recht, daß die
2?«' eine beständige Gesahr darstellcn,
krok?^ E'ue ganze Menge unbeschäftigter M>-
**en Straßen sammeln und in die
N„j.i tuitbringen, wo sie unter geeigneten

könnl3 9m wachsen und sich vervielsältigen
nen — eine schreckliche, tückische Gesahr.

Uiu Anzahl Wienerinnen — wahrscheinlich
wiemgen, welche die hübschesten Füße besitzen —
derart entzückt, daß sie sich
auf der Stelle alle ihre Kleider verkürzen ließen,
zum grotzen Leidwesen der Straßenseger, denen
üe bisher in überaus liebenswürdiger Weise die
Arbeit abgenomnien hatten, und zur großen
Freude der Schneiderinnen. Diesen Damen ist
es nämlich ganz egal, ob die Röcke kurz oder
wng sind: sie lassen sich stets dieselben Preise
bezahlen. Ihnen kommt die neue Mode also in-
losern gelegen, als sie weniger Stoff brauchen.

Auch nach den Nachbarländern hat diese Re-
form übergegriffen: nach Bayern besonders, wo
sich die Prinzessin Ludwig an die Spitze
ber Bewegung gestellt hat. Welleicht dehnt
ne sich auch bis nach Frankreich aus und gibt den
Franzosen Gelegenheit, die kleinen Füße ihrer
Landsmänninnen zn bewundern, welche die Dich-
ter zu so vielen schönen Versen begeistert haben!

. Amüsant ist ja die Art und Weise, wie man
w Dresden die kurzen Röcke einsühren will.
Statt die großen Schneiderinnen, hübsche Welt-
damen. elegante Künstlerinnen oder die gelesen-
en Modejournale für die Sache zu interesieren,
?at man die Stadtverordneten mit dieser Auge-
Muhest betraut!

M. Fellbauer

Der Scblierseer
„Da Bauer hat mir auskündt. Jetzt moaß i n»t,
soll i in d' Holzarbeit oder zum Theater geh'n."

Ich scherze nicht! Die Stadtverordnetenver-
sammlung von Dresden hat mit 38 gegen 2l
'Stimmen das Tragen von langen Röcken kalt-
blüthig untersagt und bedroht, um dieser Be-
stimmung den nöthigen Nachdruck zu verleihen,
alle Zuwiderhandelnde mit empfindlicher Geld-
strafe.

Ich weiß nicht, wie die Dresdnerinnen diese
Verordnung ausgenommen haben: eine Französin
würde sich jedenfalls köstlich darüber amüsiren.

Wenn-ich die Aussicht hätte, einmal Stadtrath zu
werden, und als solcher den Auftrag erhielte, die
Form der Korsetts, den Ausschnitt der Ballroben
oder die Zahl der an einem Unterrock zulässigen
Volants zu studieren — ich würde plötzlich Ge-
schmack an der Polittk finden und mich unverzüg-
lich um die Stimmen meiner Mitbürger be-
werben. --

Im Allgemeinen, kann man wohl sagen, ent-
ziehen sich die Launen weiblicher Eitelkeit jedem
offiziellen Druck: bisweilen kommen sie sogar
geradezu i» Konflikt mit de» gesetzlichen Bestim-
mungen.

Neulich bemerkte die belgische Postverwaltung
mit Erstaunen, daß die dicken Ledersäcke, in wel-
chen man die Post nach dem Kongostaat beför-
dert, niemals zurückkamen. Man stellte an Ort
und Stelle eine Untersuchung an und entdeckte,
daß die Negerinnen eine warme Vorliebe für diese
Säcke gefaßt hatten. Sie waren auf den Einsall
gekommen, die Böden der Säcke abzuschneiden
und auf diese Weise herrliche Lederröcke herzu-
stellcn, deren Verschlußvorrichtung sich vortreff-
lich dazu eignete, die Taille einzuschnüren. Es
war allgemein Mode geworden, und die schwar-
zen Postbeamten des Kongostaates, die den Bit-
ten ihrer schönen Freundinnen nicht widerstehen
konnteu, stahlen beständig alle erledigte» Säcke,
ivclche nach ihrer Metamorphose auf der Rück-
seite der exotischen Schönen die überraschend-
sten Bezeichnungen sehen ließen, wie: Brüssel-
Centrum, Eingeschrieben, Belgische Kolonien

u. s. w.-

Ein ähnliches Abenteuer, das Mitte Januar
dieses Jahres passirte, hätte für die Eingeborenen
einer der Inseln von Santa-Cruz, südwestlich der
Salomons-Jnseln in Australien, beinahe üble
Folgen haben können.

Ein englisches Kriegsschiff ankerte eines Tages
vor der Insel, und die Offiziere gingen an Land.

Es war gerade Frühstückszeit; und da die eng-
lischen Offiziere vor ihre» Mahlzeiten immer et-
>vas nehmen müssen, so nahmen sie die Insel im
Namen der Königin in Besitz: um der Sache die
nöthige Feierlichkeit zu geben, ivurde ein großer
Mast gepflanzt und die englische Fahne gehißt.
Dann setzte man die Reise fort.

Als sie einige Zeit später wieder vorbeikamen,
sahen die Engländer ihre Fahne nicht mehr.
Wüthend gingen sie an Land: hinter dieser Be-
schimpfung steckten sicherlich wieder die Franzosen,
diese Spitzbuben, deren tückische, treulose Machen-
schaften man in allen englischen Kolonieen zur

Genüge kennt.

Um die Sache aufzuklären, ließ man den zit-
ternden Gouverneur der Insel kommen und be-
fahl ihm, auf der Stelle die verschwundene Fahne
wiederhcrzuschaffen, falls er nicht mit einem Theil
seiner Unterthanen über die Klinge springen
wollte.

Alsbald führte er eine junge, schwarze Schöne
herbei, deren Eitelkeit dem Verlangen nicht hatte
widerstehen können, die ehrivürdige Fahne her-
unterzuholen und sich daraus ein höchst origi-
nelles Kleid zu machen — wahrscheinlich für den
nächsten „Erauck Prix“ dort zu Lande.

Sie weinte bitterlich, als man ihr die Fahne
abnahm, welche sie zierlich um ihre Hüsten dra-
Pirt hatte, und man hatte alle mögliche Mühe,
ihr begreiflich zu machen, daß Fahnen dazu da
sind, in der Lust zu flattern, und nicht, kleinen
Negerinnen als Prunkrobe zu dienen!
Register
Léon Alfred Fourneau gen. Xanrof: Letzte Mode
Max Feldbauer: Der Schlierseer
 
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