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Nr. 29

JUGEND

1901

.mors“ Imperator

Scholl

Mas glänzt dort vom Malde wir Sonnenschein?
Hör's näher und näher brausen;

Es zieht sich herunter in düster» Reih'n,

Ein gräulich Getute erschallet darein
Und erfüllet die Seele mit Grausen —

Und wenn ihr die schwarzen Gesellen fragt:
Das ist, das ist Töff-töffs wilde, verwegene

Jagd!

Mer scheidet dort röchelnd vom Sonnenlicht,
Unter winselnde Thiere gebettet?

Es zuckt der Tod auf dem Angesicht,

Doch die wackern Herzen erzittern nicht,

Der Sportsruhm ist ja gerettet!

Und wenn ihr die blutigen Gpfer fragt:

Das war, das war Töff-töffs wilde,

verwegene Jagd!
sIrei nach Theodor Körner)

Die „5Iu1omobilmackung"

Lin Dokument deutscher ....

Welch Geschrei, daß Gott erbarme! ob des närrischen Galopp's!
Jauchzend sinken in die Arme sich die Schmocks und sich die Snobs,-
Weil auf ihrem Rassclwagcn, der geladen niit Benzin,

Jetzt die H- -rn Franzosen jagen allergnädigst nach Berlin!

Ein Triumph des Menschengeistes, hcißt's in toller Phantasie,

Ein Triumph des Friedens, heißt es, ein Triumph der Industrie!
Generale und Minister reißt es mit in wildem Schwung,

Börsianer und Philister brüllen vor Begeisterung;

Purpurn glühen chre Glatzen, wie vom Feuer jungen Weins,

Und französisch thun sie schwatzen — Großer Gott, und was für eins!
Fahnen, Blechmusik und. Böller! Ein Diner im feinsten Haus !
Toastend reißt Minister Möller sich ein Bein ums Andre aus!

Von den Austern bis zum Käse regnets Reden ohne Zahl,

Und man spielt die Marseillaise und von Beifall dröhnt der Saal,
Und zuletzt, lvie Alles voll is imb verloren die Balance,

Trinkt der gute Michel Smollis mit der schönen madame France.
Thränlein in den Augen blinken ihm vor lauter Zärtlichkeit,

Alle Schranken wollen sinken, die ihn lang mit ihr entzweit!

Träumt wohl von der Hochzeitskammer und so süßen Dingen mehr —
Leider folgt der Katzenjammer unausbleiblich hinterher!

Leutchen, wahrt Euch die Besinnung: ist der Fall den Jubel werth,
Daß die Müßiggängerinnung von Paris nach Preußen fährt?

Daß ein Dutzend Wagenbauer mit Reklame für's Geschäft,

Mit gewissenloser, schlauer, Eure Schau- und Sportlust äfft?

Daß man tagelang die Straßen ihren guten Zwecken raubt
Und die Lungen und die Nasen uns verstänkert und verstaubt?

Daß man gar mit jähem Tode und mit Rädern und Tortur
Fremde Menschen frech bedrohte, kleine Kinder niederfnhr?

Hat nicht jeder Düngerkarren auf die Straßen bessres Recht,

Als der ganze Zug der Narren im verrückten Sportsgefecht?

Und für dies den ganzen Trubel, dieses überlaute Schrei'n?

Nein! Euch fehlt der Grund znm Jubel — zieht die Flaggen wieder ein!

Daß der Franzmann an Versöhnung denkt,

o glaubet nicht daran,
Viel zu alt ist die Gewöhnung an den

liebgewordnen Wahn!

Seine Sanftmuth und sein Lieben währt genau

so lange Zeit,

Vis ein Gassenjunge drüben wiederum

„Revanche!" schreit.
Bis ihm die Sircnenlicder der „unsterblichen Idee"
Singt ein glatter Streber wieder, wie der

edle Oelcasse!

Dann erst dürft Ihr ihnen trauen — aber eher

wahrlich nicht! —

Wenn sie Jeden dort verhauen, der vom Elsaß

schreibt und spricht!

Michel! Für Dein ehrlich Hoffen fehlt noch

jedes sichre Pfand,

Darum trag' Dein Herz so offen nicht auf

Deiner breiten Hand,

Mußt das Sprüche! nie vergessen, das ein

kluger Mann erdacht:

Daß den Mann die Ziegen fressen, der sich

gar zu grün gemacht.

Herrn an n

Die Geleistet! der Ration

Ein feudaler Herr und hochgradiger Agrarier
besichtigte das neue Denkmal des großen Kurfürsten in
Kiel und las am Sockel die Morte: „Seefahrt und
Handel find die fllrnehmsten Säulen eines Staates."

„Seit der Ranalgeschichte scheinen wir erkannt zu sein!"
lächelte der konservative Herr.

Schnitzel

Immer gebieterischer wird für Deutschland die Noth-
wendigkeit, den Wankdirektoren ein eigenes geräumiges Iucht-
hans zu errichten.

Die Luft in Afrika ist so rein, dasz. wenn in Marokko
die Gewehre losgehen sollten, man es im Transvaal ganz gut
hören würde.

Hirt nach Kleinbaucblitz!

Im „Döbelner Anzeiger" findet sich folgendes Inserat: Herraths-
ge such! Ich bin Schneiderin, mit guter Kundschaft, in der Lage,
einen Mann sehr gut zu ernähren, suche ich auf diesem nicht mehr
ungewöhnlichen Wege einen Mann. Rest. bitte ich, sich morgen,
Freitag von 8 Uhr an im Garten der weißen Taube zu Kleinbauchliy
einzufinden.

Lebst, lieber Leser, Du in Rümmernilsen,

Dan» tröste Dich, und lies dies Inserat!

Ist noch so sehr Dein wundes Herz zerrflsen,

Verzweifle nicht, denn Deine Rettung naht —

Sie nähr, Du nahst — sie zieht Dich aus dem Staube!

Auf nach Rleinbauchlitz in die weiße Daube!

Ja, auf und eilends fort! Und kannst Du radeln,

Benütz' Dein Rad, damit Du eher koinmst.

Die gute Schneid'rin sitzt schon wie auf Nadeln,

Und möglich wär's, daß Du ihr nicht mehr frommst,

Daß sie bereits unter die Haube

Ram zu RIeinbauchlitz in der weißen Daube!

Drum fort, nur fort! Zerreißt Du auch die Hosen —
was kümmert's Dich? Sei nur in guter Ruhl
Beginnst Du erst vertraut mit ihr zu kosen,

Dann näht sie alle Deine Wunden zu —

Und volles Glück sprießt in der Gartenlaube
Dir zu Rleinbauchlitz in der weißen Daube.

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SiS"
Index
Ludwig Bauer: Schnitzel
Fritz Scholl: Zeichnung zum Gedicht "'Mors' Imperator"
Hermann, Herrmann [Ostini]: Die "Automobilmachung"
Sigs: Auf nach Kleinbauchlitz!
[nicht signierter Beitrag]: Die Edelsten der Nation
[nicht signierter Beitrag]: "Mors" Imperator
 
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