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Nr. 33

JUGEND

1901



„Die grossartigen Kunstsammlungen sind doch ein eminenter Uortheil für München." — „Kören $’ auf, mir dam
gar nix davo, als dass alles mögliche «’schwerl herzügelt werd, dös uns ’s Bier wegsauft.“

Kreuz drüber gemacht hat, deswegen gehörst Du
ihm für Zeit und Ewigkeit! Und da hilft Alles nichts,
da kann er Dein Leben verschandeln und verschnitzeln
>vie ein Stück Holz und ein Andrer kann Dich gern
haben bis auf’s Blut, daß er für Dich Alles hin-
schmeißt und liegen laßt — (Er stürzt an’s Fenster)
He, Sie da hinten, kommen Sie mal vor, Mann
mit dem Schießgewehr! Schießen Sie los, lieber
Freund — aber dann zählen Sie Ihre Knochen!
(Er beginnt wüthend zu lachen.) Ah, ah — das ist
ja irgend Einer von der Bahn, wahrscheinlich der
meinige Colleg mit dem Mantel — Natürlich (zum
Fenster hinaus) Was machen Sie denn da?— Die
Laterne ausgegangen, zündet sie eben wieder an.
Das ist die Waffe, das ist der Mann, der Recht hat!

Paula: Sei gut, sei gut, ich bin doch aus ein-
mal aus Allem heraus, von Allem weg — ich bin's
doch nicht gewöhnt, ich bin doch keine von —

Franz: Von was? Was denn? Sind die gar
so schlecht? Die sind wenigstens — waS sie sind!

Paula: Oh — nicht so, nicht. Ich Hab Dich
ja lieb, ich —

Franz (rasend): Aber Du hast ein schlechtes Ge-
wissen? Und er hat Recht? Und eigentlich, wennDu's
ruhig überlegst, bin ich ein Verführer, ein Sünder,
gelt? Vielleicht komm ich in die Hölle, wer weiß?
Ach, ich kenn euch ja, ihr von den feinen Familien!
Und wenn eine mit ihrem Liebhaber durchgeht und
nur ein Nachthemd einpackt, ihr Bettelgewissen wird
mit eingepackt! Und Abends wird das Nachthemd
ausgepackt — und in der Früh das Gewissen!

Paula (steht rasch auf, will gehen).

Franz: Was hast Du denn? Paula! Du bist ja
todtenblaß — (sie schwankt, er sängt sie aus, läßt
sie ans einen Sitz gleiten, wirst sich ihr zu Füßen).
Oh, verzeih' mir. Das Hab' ich nicht sagen wollen.

Nein, nem. Ich Hab' Dich ja
lieb, Du hast mir Alles ge-
geben, Alles mir, Alles —
Du arme Frau. (Sie sieht reg-
ungslos aus ihn nieder.) Pau-
la! Geliebte, Einzige — (er
schlägt sich mit der Faust an
die Stirne) oh, ich bin ein Narr,
ein Verbrecher, ein — Soll ich
fortgehen? Willst Du allein
sein? Soll ich nicht mit Dir
reden? Rühr' Dich doch, sag’
doch was. Verzeih’ mir doch,
bedenk doch, ich bin halt so —
(unterbricht sich) Schau, nicht
nur Du, ich bin ja auch . . .
Was Hab' ich denn? Was Hab’
ich denn gehabt im Leben?
Geschunden Hab’ ich mich, ge-
guält, Arbeit, Arbeit, Du
tveißt ja nicht, wie das einen
, herumtreibt, tvenn man vor-
wärts möchte, nein nicht vor-
wärts, was gehen mich die
Menschen an, die miserablen,
nein, hinauf, weißt Du, auch
so was wie die Andern —
siehst Du, auf die bekommt
man den großen Zorn, daß
sie's gemacht haben, so schreck-
lich schön — und das arbeitet
und frißt in Einem und frißt
alles Andere aus und brennt,
bis das ganze Leben verbrannt
ist — Du müßt nicht glauben,
Du allein — ich bin auch ein
armer Kerl!

Paula (streicht ihm mit der
Hand übers Haar).

Franz: Verzeihst Dn mir?
Paula (neigt Gewährung).
Franz (will sie an sich
ziehen).

Paula: Das-nicht.

(Steht aus.) Laß mich geh'n,
Franz.

Franz: Wo willst Du denn
hin?

Paula: Ich weiß es nicht.
Fort.

Franz: Von mir? Warum
denn? Ganz — fort? Paula!

Paula: Besser jetzt, als spä-
ter. Als — bald.

Franz: Niemals, niemals!
Kennst Du mich so wenig?

Paula: Ich kenne Dich,
Franz. Jetzt. Aber Du selber?
Ich bin Dir nicht bös. Wir
haben’s ja nicht bös gemeint.
Er auch nicht. Meine Eltern
auch nicht. Es ist nur Alles
so traurig.

Franz: Einbildungen. Komm. Du bist wirk-
lich krank. Jetzt fahren wir weiter, in den Süden
hinein, in die Sonne, mitten hinein in die Sonne
und in's Glück. Syrakus, wenn Du willst. Da
ist Sommer, da blüht Alles, jahraus jahrein, ohne
Ende, aus immer —

Paula: Es blüht nichts — auf immer.

Diener (erscheint in der Thür): Wenn die Herr-
schaften jetzt herauskommen wollen, der Zug kommt
gleich, er hält nicht lang.

Franz: Komm', komm’! (Rasst in freudiger
Geschäftigkeit ihre Sachen zusammen.)

Diener: Soll ich vielleicht nach einem Coup»
schauen, daß die Herrschaften nicht umsteigen müssen?
Wohin fahren die Herrschaften?

Paula (gebengt, imHinausgehcn):.. Wohin?..

(t£ n d «.)

S42
Register
Max Hagen: Nord und Süd
 
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