1901
JUGEND
Nr. 38
/AVENCHNER siE-CESALLEE-
Julius Diez
DU Kuh des Zaren
Line Kuh aus edlem Stamme
Nimmt das Zarenpaar als Amme
Mit in's schöne Frankenland,
Und in Wiederkäuerkreisen
Wartet man der Kuh auf Reisen
Dort natürlich sehr gespannt.
Wenn sie naht, dann steht am Strande
Schon der größte Dchs im Lande
Und er brüllt: „Du süßes Thier!
Millionen treuer Herzen
Harren Dein in Sehnsuchtsschmerzen
Und in stiller Hoffnung hier!
Unser jubelnd „Muh!" bekund' es-
Als des Zranko-Ruffenbundes
Sinnbild, so erscheinst uns Du!
Hat nicht Frankreich auch vom Zaren
Treue Huld und pfleg' erfahren,
Ganz wie Du, verehrte Kuh?"
Ganz wie Dich mit fettem Grase,
Füttert er mit schöner Phrase
Die Franzosen klug und fein;
Ganz wie Du um Milch und Butter
Werden sie nach solchem Futter
Auch gemolken hinterdrein!
Iii-Ui-Ki
Ultramontane ßcistcsbliitben
Aus allerlei Katholikentagen und anders-
wo sind in der jüngsten Zeit so wundervolle
Blüthen ultramontanen Geistes zu Tage gefördert
worden, daß wir nicht umhin können, ein Sträuß-
lein daraus zu binden.
Dasbach, der erwerbslustige Caplan, sagte
in ©snabriick: „Fürst Bismarck ist gestürzt,
das Centrum steht aber nach wie vor
glorreich da." Ungefähr erklärt dies Schiller
mit den Worten Talbots: „Unsinn, Du siegst und
ich ' muß untergehen!"
ßerr Dr. Bachem äußerte: „Ein kathol-
ischer Commerzienrath hat dieselbeBe-
^eutung wie ein katholischer Gelehrter."
iUangel an Geschäftssinn hat den Ultramontanen
i'ir jetzt noch Niemand vorgeworfen, vielleicht
ernennt man noch das ganze Cent rum zu
frnem Eommerzienrath, wenn die Herren
ihr Zolltarifgeschäftchen mit der Regierung ge-
macht haben! — „Die Moral der Jesuiten
'si die höchste und edelste," sagte der gleiche
«leuchtete Redner. <D Don Loyola! © Reinecke
! © Pater Filucius! © Moraltheologie
es Alxhons von Liguori! — Dann sprach Herr
Lachem, der mit kaninchenhafter Fruchtbarkeit
einen Gallimathias nach dem andern zur Welt
brachte, von der „Dynastie der Päpste." Bei
einzelnen Päpsten steht ja eine zahlreiche Nach-
kommenschaft fest, aber daß auf Petri Stuhl das
dynastische Prinzip gilt, das hat erst der Historiker
Bachem herausgekriegt. Endlich einmal eine wissen-
schaftliche That nltramoutaner Gelehrsamkeit! —
Herr Gröber gab dem todten Löwen Nietzsche
einen Tritt: „Bezeichnend ist, daß der Be-
gründer dieser modernen Philosophie in
complctem Wahnsinn geendet hat."
Das könnte dem Herrn Gröber freilich nie passiren,
daß er den verstand verliert, -— dazu ist
er zu — fromm! Er renommirte auch damit,
daß der „katholische Eolumbus Amerika
entdeckt hat." Zn seiner Bescheidenheit ver-
schwieg er, daß auch ein Katholik das Pulver
erfunden hat — allerdings weder Herr Gröber
noch feine Parteifreunde! Unter wieherndem Bei-
fall witzelte der Herr gegen Luthek, Ealvin, Häckel
und Harnack. Aber er sagte: „wir wollen
gegen Andersgläubige nicht hart oder
unbillig sein!" Zn der ganzen Versammlung
saßen wohl nicht drei Mann, die gegen das Ketzer-
braten stimmen würden, wenn es sich mit einiger
Aussicht auf Erfolg beantragen ließe. Aber „der
katholischen Presse wurde es zur Psticht ge-
macht, im Kampf mit den Gegnern die Klugheit
(woher nehmen und nicht stehlen!), die Gerech-
tigkeit und die christliche Liebe niemals
außer Acht zu lassen." Um dieselbe Zeit
nannte das Zesuitenblatt „Stimmen aus Maria
Laach", Ulrich von Hutten einen „lüder-
lichen, frechen, über alles Maaß ge-
meinen Los von Rom-Schreier" und ein
österreichisches Pfaffenblatt schrieb jüngst an
Goethe's Geburtstag: „Daß Goethe's Liebe
Nomen e8l omen!
— Zn welcher Kleidung reist der Lzar nach Frankreich 7
— Natürlich in pumphosen!
zu Frau von Stein nicht platonisch geblieben,
bedarf wohl keiner besonderen Beweise. Zst mir
recht berichtet, liegt Beider Sohn auf dem
protestantischen Friedhose in Rom begraben..."
Hier ist freilich nicht genau festzustellen, „wo der
Esel aufhört und der Lump ansängt."
Glänzendes leistete Dr. Schäd ler, der streb-
same Bamberger Domherr, der die Mittel angab,
wie man „die Wissenschaft wieder zurück-
führen könne aus den christlichen weg."
Er verlangt christliche Philosophen, christ-
liche Philologen, christliche Medizin-
männer, christliche Zuristen, Richter
und v erw a lt u n gsb c a mt e, christliche
Künstler, die nicht die nackten Zdeale
unserer lex Heines-Männer verfolgen!
„wir brauchen Eonvikte und Znternate
auch für Solche, die weltliche Fächer
studiren!" Schlecht und recht: er verlangt
überhaupt die Eastrirung der Bildung!
Sogar das war de» Herren nicht zu blödsinnig,
„minutenlanger Beifall" lohnte den Redner.
Aber auf einem „Deutschen Katholikentag" ist
keine Dummheit so groß, sie wird noch über-
trumpft! Ein Herr Dr. Ritter forderte auch
noch die Gründung von städtischen und staatlichen
katholischen Gymnasien und Realschulen!
warum denn nicht gleich eine Revision des A-B-E
und des fXl in ultramontanem Sinne?
Der Haupt Humorist der fröhlichen Vorstellung
ließ unter „Stürmischer Heiterkeit" die zahlreich
anwesenden „A u j u st e", weil gerade ihr Namens-
tag war, hoch leben und erklärte: „Die Katho-
liken haben mit den Mächten derFinster-
niß einen heftigen Kampf zu führen",
ein (chuiproguo, das fast so komisch ist, wie der
Einsall Dr. Bachems, der über die Pforte zum
Thurm des Eentrums die Dautc'sche Höllenaus-
schrift setzt: „Laßt alle Hoffnung fahren!"
Za, die ultramoutane Bildung! — Dr. Lieber
meinte, „es hätte sich vielleicht empfohlen, wenn,
anstatt des langwierigen, kostspieligen Feldzugs
nach ©stasien, man bemüht gewesen wäre, auf
einer Friedenskonferenz unter Hinzu-
ziehung des römischen Stuhles die wir-
ren im fernen ©sten zu lösenl" ©ffenbar
meint der deutsche Eentrumsfeldherr, daß dem
alten Gauner Li-Hung-Tschang nur Einer an
Schlauheit gewachsen wäre: der wackere Rampolla!
Den Schluß der Versammlung bildete eine
Blasphemie ohne Gleichen. Nach allen diesen
©rgien klerikaler Herrschsucht, fanatischen Lultur
Hasses und wilden Streberthums schloß der Vor-
sitzende die Sitzung mit den Worten: „Gelobt
sei Zesus Christus!" Wahrhaftig, wenn
Christus heute auf Erden wandelte, mit den Ultra-
montanen würde Er gewiß nichts zu thun haben
wollen, der einst die Krämer mit der Geißel aus
dem Tempel jagte! Hermann
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Nr. 38
/AVENCHNER siE-CESALLEE-
Julius Diez
DU Kuh des Zaren
Line Kuh aus edlem Stamme
Nimmt das Zarenpaar als Amme
Mit in's schöne Frankenland,
Und in Wiederkäuerkreisen
Wartet man der Kuh auf Reisen
Dort natürlich sehr gespannt.
Wenn sie naht, dann steht am Strande
Schon der größte Dchs im Lande
Und er brüllt: „Du süßes Thier!
Millionen treuer Herzen
Harren Dein in Sehnsuchtsschmerzen
Und in stiller Hoffnung hier!
Unser jubelnd „Muh!" bekund' es-
Als des Zranko-Ruffenbundes
Sinnbild, so erscheinst uns Du!
Hat nicht Frankreich auch vom Zaren
Treue Huld und pfleg' erfahren,
Ganz wie Du, verehrte Kuh?"
Ganz wie Dich mit fettem Grase,
Füttert er mit schöner Phrase
Die Franzosen klug und fein;
Ganz wie Du um Milch und Butter
Werden sie nach solchem Futter
Auch gemolken hinterdrein!
Iii-Ui-Ki
Ultramontane ßcistcsbliitben
Aus allerlei Katholikentagen und anders-
wo sind in der jüngsten Zeit so wundervolle
Blüthen ultramontanen Geistes zu Tage gefördert
worden, daß wir nicht umhin können, ein Sträuß-
lein daraus zu binden.
Dasbach, der erwerbslustige Caplan, sagte
in ©snabriick: „Fürst Bismarck ist gestürzt,
das Centrum steht aber nach wie vor
glorreich da." Ungefähr erklärt dies Schiller
mit den Worten Talbots: „Unsinn, Du siegst und
ich ' muß untergehen!"
ßerr Dr. Bachem äußerte: „Ein kathol-
ischer Commerzienrath hat dieselbeBe-
^eutung wie ein katholischer Gelehrter."
iUangel an Geschäftssinn hat den Ultramontanen
i'ir jetzt noch Niemand vorgeworfen, vielleicht
ernennt man noch das ganze Cent rum zu
frnem Eommerzienrath, wenn die Herren
ihr Zolltarifgeschäftchen mit der Regierung ge-
macht haben! — „Die Moral der Jesuiten
'si die höchste und edelste," sagte der gleiche
«leuchtete Redner. <D Don Loyola! © Reinecke
! © Pater Filucius! © Moraltheologie
es Alxhons von Liguori! — Dann sprach Herr
Lachem, der mit kaninchenhafter Fruchtbarkeit
einen Gallimathias nach dem andern zur Welt
brachte, von der „Dynastie der Päpste." Bei
einzelnen Päpsten steht ja eine zahlreiche Nach-
kommenschaft fest, aber daß auf Petri Stuhl das
dynastische Prinzip gilt, das hat erst der Historiker
Bachem herausgekriegt. Endlich einmal eine wissen-
schaftliche That nltramoutaner Gelehrsamkeit! —
Herr Gröber gab dem todten Löwen Nietzsche
einen Tritt: „Bezeichnend ist, daß der Be-
gründer dieser modernen Philosophie in
complctem Wahnsinn geendet hat."
Das könnte dem Herrn Gröber freilich nie passiren,
daß er den verstand verliert, -— dazu ist
er zu — fromm! Er renommirte auch damit,
daß der „katholische Eolumbus Amerika
entdeckt hat." Zn seiner Bescheidenheit ver-
schwieg er, daß auch ein Katholik das Pulver
erfunden hat — allerdings weder Herr Gröber
noch feine Parteifreunde! Unter wieherndem Bei-
fall witzelte der Herr gegen Luthek, Ealvin, Häckel
und Harnack. Aber er sagte: „wir wollen
gegen Andersgläubige nicht hart oder
unbillig sein!" Zn der ganzen Versammlung
saßen wohl nicht drei Mann, die gegen das Ketzer-
braten stimmen würden, wenn es sich mit einiger
Aussicht auf Erfolg beantragen ließe. Aber „der
katholischen Presse wurde es zur Psticht ge-
macht, im Kampf mit den Gegnern die Klugheit
(woher nehmen und nicht stehlen!), die Gerech-
tigkeit und die christliche Liebe niemals
außer Acht zu lassen." Um dieselbe Zeit
nannte das Zesuitenblatt „Stimmen aus Maria
Laach", Ulrich von Hutten einen „lüder-
lichen, frechen, über alles Maaß ge-
meinen Los von Rom-Schreier" und ein
österreichisches Pfaffenblatt schrieb jüngst an
Goethe's Geburtstag: „Daß Goethe's Liebe
Nomen e8l omen!
— Zn welcher Kleidung reist der Lzar nach Frankreich 7
— Natürlich in pumphosen!
zu Frau von Stein nicht platonisch geblieben,
bedarf wohl keiner besonderen Beweise. Zst mir
recht berichtet, liegt Beider Sohn auf dem
protestantischen Friedhose in Rom begraben..."
Hier ist freilich nicht genau festzustellen, „wo der
Esel aufhört und der Lump ansängt."
Glänzendes leistete Dr. Schäd ler, der streb-
same Bamberger Domherr, der die Mittel angab,
wie man „die Wissenschaft wieder zurück-
führen könne aus den christlichen weg."
Er verlangt christliche Philosophen, christ-
liche Philologen, christliche Medizin-
männer, christliche Zuristen, Richter
und v erw a lt u n gsb c a mt e, christliche
Künstler, die nicht die nackten Zdeale
unserer lex Heines-Männer verfolgen!
„wir brauchen Eonvikte und Znternate
auch für Solche, die weltliche Fächer
studiren!" Schlecht und recht: er verlangt
überhaupt die Eastrirung der Bildung!
Sogar das war de» Herren nicht zu blödsinnig,
„minutenlanger Beifall" lohnte den Redner.
Aber auf einem „Deutschen Katholikentag" ist
keine Dummheit so groß, sie wird noch über-
trumpft! Ein Herr Dr. Ritter forderte auch
noch die Gründung von städtischen und staatlichen
katholischen Gymnasien und Realschulen!
warum denn nicht gleich eine Revision des A-B-E
und des fXl in ultramontanem Sinne?
Der Haupt Humorist der fröhlichen Vorstellung
ließ unter „Stürmischer Heiterkeit" die zahlreich
anwesenden „A u j u st e", weil gerade ihr Namens-
tag war, hoch leben und erklärte: „Die Katho-
liken haben mit den Mächten derFinster-
niß einen heftigen Kampf zu führen",
ein (chuiproguo, das fast so komisch ist, wie der
Einsall Dr. Bachems, der über die Pforte zum
Thurm des Eentrums die Dautc'sche Höllenaus-
schrift setzt: „Laßt alle Hoffnung fahren!"
Za, die ultramoutane Bildung! — Dr. Lieber
meinte, „es hätte sich vielleicht empfohlen, wenn,
anstatt des langwierigen, kostspieligen Feldzugs
nach ©stasien, man bemüht gewesen wäre, auf
einer Friedenskonferenz unter Hinzu-
ziehung des römischen Stuhles die wir-
ren im fernen ©sten zu lösenl" ©ffenbar
meint der deutsche Eentrumsfeldherr, daß dem
alten Gauner Li-Hung-Tschang nur Einer an
Schlauheit gewachsen wäre: der wackere Rampolla!
Den Schluß der Versammlung bildete eine
Blasphemie ohne Gleichen. Nach allen diesen
©rgien klerikaler Herrschsucht, fanatischen Lultur
Hasses und wilden Streberthums schloß der Vor-
sitzende die Sitzung mit den Worten: „Gelobt
sei Zesus Christus!" Wahrhaftig, wenn
Christus heute auf Erden wandelte, mit den Ultra-
montanen würde Er gewiß nichts zu thun haben
wollen, der einst die Krämer mit der Geißel aus
dem Tempel jagte! Hermann
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