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1901

JUGEND

Nr. 43

Der „schwarte Hujust“

veröffentlicht die nachfolgende, im Jahre 1781 that-
sachlich gehaltene geistliche Rede — offenbar um seinen
Lesern zu beweisen, daß der von der „Augsburger
Postzeitung" verlangte „katholische Witz" bereits
vor mehr als >0O Jahren in Blüthe stand. Das
intereffante Dokument findet sich auf S. 215 ff. des
„Taschenbuchs für vaterländische Geschichte,"
herausgegeben von Joseph Freiherr» v. Hormayr,
Berlin 1845 bei G. Reimer.

Rede des Direktors Dpiritualis des schiviib-
ischen kionnenklosters Gemünd. .Pater I—r.
bei der Einkleidung einer jungen, adelichcn

Nonne. — Kug. 1781.

„V"Tun, geistliche Brau r, ziehen Sie dem-
nach wohl zu Gemürhe, was für ein rugcnd-
samcs Beispiel Sie an Ihrer würdigen Frau
Oberin zu ersehen haben. wolan, befleisstgen
Sie Sich, ihr in allem nachzuamen: scyn Sie
ein junger Asse, welcher seiner Mutter
alles nachzuaffen trachtet. Du junger Affe,
meine geistliche Braut, affe also nach dem
alten Affen, deiner würdigen Frau
Oberin, was du nur immer tugendhaftes an
ihr betrachtest! Affe nach, du junger Affe,
in den Rasteiungcn und Bus-Werken; affe nach
ihre Keuschheit ui d Demut, ihre Geduld. Affe
nach, du junger Affe, ihre Auferbaulich
keiten; damit du einstens auch den alten Af-
fen in der Stell einer würdigen Fr. Oberin,
»schaffen könnest.

„Nun, geistliche Braut! habe ich genug von
Ihro Obliegenheit geredet. Ich komme dem-
nach auch auf Sic, würdige Frau Oberin; ich
übergebe Ihro dermalen gegenwärtige geist-
liche Braut, und crmanc Sie, solche in Ihro
Obsicht zu ncmen. Damit aber auch Ihrer
Seit» nichts gebreche» möge: so scyn Sic gleich
cinein alten Bären, welcher nichts anders
auf die Welt bringt, als ein wildes und un-
gcstalrcs Stück Fleisch, und solches so lange
leckt, bis cs die Gestalt eines jungen Bären
bekommt. Also lecke du, alter Bär,
würdige Fr. Oberin! gegenwärtiges geist-
liches Stück Fleisch; und zwar so lange
lecke an demselben, bis cs vollkommen,
an Demut und Aufcrbaulichkcitcn, dir und
allen sccl. Vorfarerinncn, ähnlich werde. Lecke
du auch dein ganzes Lonvcnt, sammt
allen Llostcr- und Rost-Fräulein. Lecke du,
alter Bär! würdige Frau Oberin! die
sämmtlichc Familie der gcistl. Braut, und alle
hier versammelte Zuhörer. Zuletzt aber lecke
auch mich, damit wir alle wol geleckt und
gcrcinigct, den glänzenden Gipfel der Voll-
kommenheit erreichen mögen! Amen."

Zur Beruhigung!

Die Blätter meldeten unlängst eine schwere Er-
krankung des Königs Eduard von England.
Wie sich nun herausstellt, ist das Hebel, woran
der König leidet, einfacher Hüftschmerz, Lumbago
(nicht mit p!). _

Zum i. Oktober

Jm Hexameter träumt der Pennäler von Sporen

und Pallasch.

Im Pentameter draus übt er langsamen Schritt.

Jlutd-Cied

Melodie: „Das Wandern ist des Müllers Lust."

Die „Gesellige Vereinigung deutscher
Automobilisten," die ein Preisausschreiben
zur Verdeutschung der Worte „Automobil, Auto-
mobilist, Automobilismus, Automobilfahren" er-
lösten hatte, ertheilte den ersten Preis Herrn
Regierungsbauführer Wilhelm will in Berlin,
der die genannten Worte mit „Aut (das Aut,
pl. die Aute>, Autler, auteln" übersetzte.

Das Auteln ist des Autlers Lust,

Das Anteln.

Das muß kein rechter 2l»tler sein,

Dem niemals fiel das 2lnteln ein,

Das Auteln, das Auteln.

von Wilhelm Will Hab' ich's gelernt,

Das Auteln.

Der autelt, bis die Sonne sinkt
And nach Benzin der Erdball stinkt
Dom Auteln, vom Auteln.

Drum wer ein Aut sein eigen nennt,

Der autle.

Und wenn Dir auch die Zunge bricht,

Denk', es sei deutsch, und hadre nicht,

Nein, autle, ja, autle!

6s lebe cler fortscbritt!

Wie die Zeitungen melden, wurde der sozial-
demokratische Redakteur John, der wegen eines
Preßvergehens eine viermonatige Gesängnißhast in
Tegel verbüßt hatte, bei seiner Entlassung von Tegel
aus durch die Straßen Berlins zwischen ge-
meinen Verbrechern im Zellenwagen nach
dem Polizeipräsidium transportirt. Man
sicht daraus: die Justiz huldigt, wie das ganze
Jahrhundert, dem Fortschritt, denn noch vor vier
Jahren wurden die Preßverbrecher zu Fuß und
in Kelten transportirt. Jetzt ist bereits der „grüne
Wagen" Mode. Noch ein halbes Jahrhundert, und
wir erleben es vielleicht, daß einer unserer College»
in der Droschke fahren darf. Der Verein „Berliner
Presse" hat sich denn auch dieser Einsicht nicht ver-
schlossen und, wie >vir aus bestimmter Quelle er-
fahren, aus Anlaß des Tegeler Vorkommnisses ein
Dankschreiben an den Justizminister gerichtet.

£(lgar

Weibliche feuerwehr

Der Magistrat von Heilsberg in Ostpreußen
hat eine Verfügung ertasten, wonach die steuer-
pstichtigen Frauen und Mädchen bei Leuersgefahr
;um Löschdienst verpflichtet werden.

wo sonst ein Mädchen sich blicken läßt,
Steht alles gleich in Flammen,

Doch vor der Heilsberger Heilsarmee
Sinken die Flammen zusammen.

Höllenangst

Als ZNiquel in den Himmel kam,
Entstand ein TNordsradau,

Reißaus die Schaar der Engel nahm —:
„Kinnings, de Zicken tau!'*)

*j „Linder, die Taschen zu!"

Tercbenbrettel

von Kassian Bluibenschedl, Tuikelemsler

Buchstabirt mit Trauer vorliegenden Partezettel:
Es liegt auf diesem Uebcrlcichenbrettcl,

Anstatt auf einem regelrechte» Todtcnschragen,
Herr von wolzogcn, von seinen College» erschlagen
Ach, meuchlerisch dahingemordct in seines

Lebens Lenz

ward der Herr Baron vom grimmen

Ungeheuer Loncurrenz.
Nu» rcziriret er uns wohl mehr keinen Ton,
Und seinem Hirn entspringt kein einziges Chanson,
Sintemal der Erdcnmcnsch im Lcichcntuche
Auch als Ucberbrcttcldichrer gleichet einem

zugeklappten Buche.

O lieber Gott, erbarm' Dich gnädig sein
Und laß ihn doch in Deinen Himmel ein.
wir wollen hoffen für die arme Seel',

Daß sie den weg zum Elysium nicht verfehl'
Oder gar von wegen dieser oder jener Sünd'
Den steilen Pfad mit Bretteln noch

vernagelt find't.

Scbambattez aus dem IHuckcribal

Der Lomödie II. Theil

Zu Elberfeld die Tritoncn
Sind wiederum kreuzfidel,

Nach schlimmen Operationen
Gesund und ohne Fehl!

worüber die Mucker erröthet,

Die schauernd dort geweilt,

Das ward wieder angclötct,

Nachdem man's abgefeilt!

Die Betschwestern mag cs kränken:
pläfirlich war's ja gewiß,

Sich heimlich hinzudenken
Das fehlende Aergerniß!

Jedoch die ehr'ncn Tritoncn,

Die lachen und freuen sich sehr:

„Nun sind wir zu allen Funktionen
Befähigt, wie vorher!

Nun können wir künftig auch zeugen
Dafür, daß im deutschen Land
Sich Geist und Schönheit nicht beugen
Vor lüsternem Unverstand!" \jtra

Zur gefl. Jlcaclituiig!

Das Titelblatt dieser Nummer ist von Walther
Georgi (München).

Von dem auf der letzten Seite dieser Nummer
stehenden Blatte: ,,Zum 100. Geburtstage Lortzing’s“
haben wir Sonderdrucke herstellen lassen, die zum
Preise von 50 incl. Porto und Verpackung

HO Pfg., durch G. HIRTH’s Verlag, München, zu
beziehen sind.

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Register
Monogrammist Frosch: Miquel im Himmel
[nicht signierter Beitrag]: Illustration zum Text "Der schwarze Aujust"
Monogrammist Frosch: Illustration zum Text "Leichenbrettl"
Kassian Kluibenschädl: Leichenbrettel
A. De Nora: Schamhaftes aus dem Muckerthal
[nicht signierter Beitrag]: Weibliche Feuerwehr
[nicht signierter Beitrag]: Der "schwarze Aujust"
[nicht signierter Beitrag]: Zur Beruhigung!
[nicht signierter Beitrag]: Autel-Lied
Edgar: Es lebe der Fortschritt!
 
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