JUGEND •
1901
Nr. 47 (Redaktionsschluss: 6. November 1901) »
Cbristlicb-reformirtes und reformatoriscbes Tamilien-, Wochen- und seigenvlatt für tugendsame Jünglinge, Jungfrauen und Solche,
die es gewesen sind. « « « • « Druck und Uerlag der Münchner „Jugend“. Preis der Nummer: 3 Scherflein (ä io Pfennige).
Mas wir wollen
ar nützlich ist die Sittlichkeit
Für Jeden, der sie Hat —
D'rum abonnir', o Christenheit,
Auf dieses keusche Blatt!
Es wird darinnen schonungslos
Dein Leser aufgedeckt,
Was irgend nackt ist oder bloß,
Und wär's auch tief versteckt!
Und blieb durch manches Säknlnm
Solch' Aergerniß besteh'n,
Dieweil es unbefangen — dumm
Die Menschen überseh'n —
Wir finden sie mit Spürsinn ans,
Die sittliche Gefahr,
Wir stoßen Euch die Nasen d'rauf
Und machen sie Euch klar!
Wir rufen Staat und Kirche wach
Mit frommem Wehgekreisch —
Wir wisscn's nur zu gut, wie schwach
Dies fluchbeladne Fleisch!
Kein Dingelchen soll sichtbar sein,
Das unser Blut erregt,
' Mit Hammer, Feile, Pflasterstein
Wird's eilig weggefegt,
Aus daß es fürder keinen reizt
Zu teuflisch böser Brunst! —
So wird von Sünde reingebeizt,
Das Leben und die Kunst!
Wir sorgen, daß sich unbeirrt
In Zukunft Weib und Mann
Und ohne daß eins schamroth wird,
Nicht inehr betrachten kann!
, Wir bieten stets an Sittlichkeit
Das Ncu'ste, was man hat —
Drum abonnir' o Christenheit
Auf dieses keusche Blatt!
AriolpliiiM INiriiouM
Geistlicher Blumeitstrauss
Ein frommer Redner hatte stundenlang
von Wissenschaft, Toleranz, Oeistksfreihxit
und dergleichen gesprochen.
Als er die Tribüne verliest,. wurde er in
Folge der Anstrengung ohnmächtig.
„Man sollte ihn zur Ader tagen!" ries
Jemand. ■
„Ja," erwiderte ein anderer, „aber zur
Salb-Ader!"
In einer geistlichen Gesellschaft machte ein
hochgestellter Geistlicher einen Witz, der
lebhaft belacht würde.
Nur ein magerer Kandidat blieb ernst.
„Sie Esel!" flüsterte ihm einer zu. „Wenn
ein Vorgesetzter einen W>tz macht, must man
lachen, dast einem der Bauch ivackelt."
„Ich Hab' ja keinen," seufzte der Kandidat.
^Ein frommer Pastor bemerkte in einem
Schaufenster Rudilälen und wetterte über
dieses öffentliche-Aergerniß und die Fleisches-
lust überhaupt.
„Wenn Sie gär so keusch sind," sagte ein
Herr,zu ihm, „warum haben Sie denn gar
so viele Kinder?"
„Wir reden jetzt von der Oefsentlichkeit!"
ries jener entrüstet.
Rach einer Usx-Heinze-Berathung trat einer
der Unfern auf einen Crntriinisabgcork-
uete» zu, der eben seine Rede beendet, und
schüttelte ihm kräftig.die Hand mit den Worten:
„Selten haben wir uns verstanden, aber
hier verstanden wir uns gleich!"
Gerührt antwortete der Centrumsmann:
„Nicht wahr? Wir schlagen uns und ver-
tragen uns!"
Der Hosprediger a. D. Stoccker tvar
schon als Knabe äußerst sittlich.
„Eva sündigte," sagte einst , der Lehrer
„Was ist das für ein Satz?"
„Ein na-üanackt — ein unbekleideter Satz!"
stotterte der schamhafte Adolf.
Illustrationsprobc: Der refornrirte Laokssn
Man achte genau: Auf Vorschlag des Licentiaten Stoltenhoff ist die
Schlange, die mit Rücksicht auf den Sündenfall leicht unkeusche Gedanken
erwecken könnte, in eine Münchner Weißwurst verwandelt.)
Was ein Haken werden will, krümmt sich
bei Zeiten: So liest ein bekannter Vor-
kämpfer der Sittlichkeit schon als Stn
dent seine künftige sittliche Größe, ahnen.
Eilt Spötter fragte ihn, wie er denn über
das Keuschheitsprinzip einer konfessionellen
Studentenverbindung denke.
, Im Prinzip bin ich auch für die Keufch-
heit!" bekannte er furchtlos.
öriekkasten
„Schwarzer Anjnft" i» M. Ta lagen
immer die Leute, wir seien „verschämt."
Im Gegentheil: In unseren Forderungen
bezüglich der Kunst und Wissenschajt sind ivir
ganz „unverschämt!"
Fräulein Guplirosine Türrbrctt in
W. Ihre Anregung zur Gründung eines
Franenvereins zur Bekleidung nack-
ter Stühl- und Klävierbeine.mit ge-
strickt en H ö s d) e n (verzeihen Sie dies rauhe
'Wort!) ist herrlich und verdient, allgemein
Unterstützung. Stricken Sie, stricken Sic,
geliebte Tochter und verschaffen Sie womög
lich dem Vereine bald eine erlauchte Pro-
tektoriu.
X- in Elberfeld. Schon Goethe, ob-
wohl ein Weltkind, dessen frivoler Sinn nicht
einmal vor einer. Pfarrerstochter Halt
machte, war ein Gegner des Nackten in
der Kunst! Er schrieb:
„Ein- edler Mensch zieht edle Menschen an..!"
Pastor S. in Berlin. Sie machen uns
daraus äufmerkiam, daß vor dem Palast des
Hauptes - der cvaiigelischeii Landeskirche in
Berlin ebenfalls, ein Brunnen mit dem Hei-
dengott Neptun und nackten Nhmphen
zu sehen ist und daß jener-hohe Herr sogar
einen anderen heidnischen Wassergott Namens
Aegir besungen hat. Schmerzlich ist das
wohl, machen kann man aber nichts dagegen!
Herausgeber: Dr. GEORG HIRTH: verantwortlicher Redakteur: F. von OSTINI; G. HIRTH’s Kunstverlag, verantwortlich für den Inseratenteil: G. EICHMANN, sämmtlich in .München.
Druck von KNORR & HIRTH, Ges. m. beschr. Haftung in München.
ALLE RECHTE VORBEHALTEN..
1901
Nr. 47 (Redaktionsschluss: 6. November 1901) »
Cbristlicb-reformirtes und reformatoriscbes Tamilien-, Wochen- und seigenvlatt für tugendsame Jünglinge, Jungfrauen und Solche,
die es gewesen sind. « « « • « Druck und Uerlag der Münchner „Jugend“. Preis der Nummer: 3 Scherflein (ä io Pfennige).
Mas wir wollen
ar nützlich ist die Sittlichkeit
Für Jeden, der sie Hat —
D'rum abonnir', o Christenheit,
Auf dieses keusche Blatt!
Es wird darinnen schonungslos
Dein Leser aufgedeckt,
Was irgend nackt ist oder bloß,
Und wär's auch tief versteckt!
Und blieb durch manches Säknlnm
Solch' Aergerniß besteh'n,
Dieweil es unbefangen — dumm
Die Menschen überseh'n —
Wir finden sie mit Spürsinn ans,
Die sittliche Gefahr,
Wir stoßen Euch die Nasen d'rauf
Und machen sie Euch klar!
Wir rufen Staat und Kirche wach
Mit frommem Wehgekreisch —
Wir wisscn's nur zu gut, wie schwach
Dies fluchbeladne Fleisch!
Kein Dingelchen soll sichtbar sein,
Das unser Blut erregt,
' Mit Hammer, Feile, Pflasterstein
Wird's eilig weggefegt,
Aus daß es fürder keinen reizt
Zu teuflisch böser Brunst! —
So wird von Sünde reingebeizt,
Das Leben und die Kunst!
Wir sorgen, daß sich unbeirrt
In Zukunft Weib und Mann
Und ohne daß eins schamroth wird,
Nicht inehr betrachten kann!
, Wir bieten stets an Sittlichkeit
Das Ncu'ste, was man hat —
Drum abonnir' o Christenheit
Auf dieses keusche Blatt!
AriolpliiiM INiriiouM
Geistlicher Blumeitstrauss
Ein frommer Redner hatte stundenlang
von Wissenschaft, Toleranz, Oeistksfreihxit
und dergleichen gesprochen.
Als er die Tribüne verliest,. wurde er in
Folge der Anstrengung ohnmächtig.
„Man sollte ihn zur Ader tagen!" ries
Jemand. ■
„Ja," erwiderte ein anderer, „aber zur
Salb-Ader!"
In einer geistlichen Gesellschaft machte ein
hochgestellter Geistlicher einen Witz, der
lebhaft belacht würde.
Nur ein magerer Kandidat blieb ernst.
„Sie Esel!" flüsterte ihm einer zu. „Wenn
ein Vorgesetzter einen W>tz macht, must man
lachen, dast einem der Bauch ivackelt."
„Ich Hab' ja keinen," seufzte der Kandidat.
^Ein frommer Pastor bemerkte in einem
Schaufenster Rudilälen und wetterte über
dieses öffentliche-Aergerniß und die Fleisches-
lust überhaupt.
„Wenn Sie gär so keusch sind," sagte ein
Herr,zu ihm, „warum haben Sie denn gar
so viele Kinder?"
„Wir reden jetzt von der Oefsentlichkeit!"
ries jener entrüstet.
Rach einer Usx-Heinze-Berathung trat einer
der Unfern auf einen Crntriinisabgcork-
uete» zu, der eben seine Rede beendet, und
schüttelte ihm kräftig.die Hand mit den Worten:
„Selten haben wir uns verstanden, aber
hier verstanden wir uns gleich!"
Gerührt antwortete der Centrumsmann:
„Nicht wahr? Wir schlagen uns und ver-
tragen uns!"
Der Hosprediger a. D. Stoccker tvar
schon als Knabe äußerst sittlich.
„Eva sündigte," sagte einst , der Lehrer
„Was ist das für ein Satz?"
„Ein na-üanackt — ein unbekleideter Satz!"
stotterte der schamhafte Adolf.
Illustrationsprobc: Der refornrirte Laokssn
Man achte genau: Auf Vorschlag des Licentiaten Stoltenhoff ist die
Schlange, die mit Rücksicht auf den Sündenfall leicht unkeusche Gedanken
erwecken könnte, in eine Münchner Weißwurst verwandelt.)
Was ein Haken werden will, krümmt sich
bei Zeiten: So liest ein bekannter Vor-
kämpfer der Sittlichkeit schon als Stn
dent seine künftige sittliche Größe, ahnen.
Eilt Spötter fragte ihn, wie er denn über
das Keuschheitsprinzip einer konfessionellen
Studentenverbindung denke.
, Im Prinzip bin ich auch für die Keufch-
heit!" bekannte er furchtlos.
öriekkasten
„Schwarzer Anjnft" i» M. Ta lagen
immer die Leute, wir seien „verschämt."
Im Gegentheil: In unseren Forderungen
bezüglich der Kunst und Wissenschajt sind ivir
ganz „unverschämt!"
Fräulein Guplirosine Türrbrctt in
W. Ihre Anregung zur Gründung eines
Franenvereins zur Bekleidung nack-
ter Stühl- und Klävierbeine.mit ge-
strickt en H ö s d) e n (verzeihen Sie dies rauhe
'Wort!) ist herrlich und verdient, allgemein
Unterstützung. Stricken Sie, stricken Sic,
geliebte Tochter und verschaffen Sie womög
lich dem Vereine bald eine erlauchte Pro-
tektoriu.
X- in Elberfeld. Schon Goethe, ob-
wohl ein Weltkind, dessen frivoler Sinn nicht
einmal vor einer. Pfarrerstochter Halt
machte, war ein Gegner des Nackten in
der Kunst! Er schrieb:
„Ein- edler Mensch zieht edle Menschen an..!"
Pastor S. in Berlin. Sie machen uns
daraus äufmerkiam, daß vor dem Palast des
Hauptes - der cvaiigelischeii Landeskirche in
Berlin ebenfalls, ein Brunnen mit dem Hei-
dengott Neptun und nackten Nhmphen
zu sehen ist und daß jener-hohe Herr sogar
einen anderen heidnischen Wassergott Namens
Aegir besungen hat. Schmerzlich ist das
wohl, machen kann man aber nichts dagegen!
Herausgeber: Dr. GEORG HIRTH: verantwortlicher Redakteur: F. von OSTINI; G. HIRTH’s Kunstverlag, verantwortlich für den Inseratenteil: G. EICHMANN, sämmtlich in .München.
Druck von KNORR & HIRTH, Ges. m. beschr. Haftung in München.
ALLE RECHTE VORBEHALTEN..