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Nr. 49

JUGEND

1901

Bekenntnisse

von

Hrnold Böchlin

Fritz Erler (München)

Der Rlaler lieht und lebt mit den Augen. 3n
ihm klingt irgend etwas, das verbindet lieh
mit den Tonnen und Farben, belebt das Jlnge-
Ichaute und wird dadurch zu etwas bestimmtem.

Mehlungen! Es gibt nur eine Kuntt, aber
lo viele ^Individualitäten wie wirkliche Künstler
oder solche, die es ehrlich werden wollen. Aber
.Hffarilten und Leute, die sich vor ein gefälliges
Stüde Natur letzen, um es nachzuahmen, und
höchstens den Ausschnitt aus dem ganzen, das
Tormat, bestimmen, lind eben keine Künstler.

Es ilt ungeheuer viel Handwerkliches in der
Kunst, viel Erfahrungssache dabei, viel Probieren
nöthig, viel mechanische Arbeit. Wir lind ja alle
Abenteurer, ohne Halt, Steuer und Kompah.
3eder in feiner Nußschale. Keiner hat einen Halt
an Trüherem. Er weiß nichts, glaubt nichts,
schaut nach und verlucht's.

Malerei ilt ein Ueberjug. Bei Jedem, der
halten Toll, muh die untere Schicht die härteste
fein. Das Bindemittel ist das Härteste, jede Zu-
that von Tarbe erweicht dasfelbe: Allo wenig
Tarbe, Tarbe ruinirt. Es entstehen Riffe, wenn

Das ilt mir ein schöner Künstler, Schöpfer:
wenn er einen kleinen Tinger braucht, muh er
warten, bis die Lina Zeit hat.

DieTc Florentiner! Wenn man von den Nieder-
ländern kommt — Nacht wird’s. Kinder find
sie. Beobachtungen machen gibt's nicht. Nach
50 3ahren hat ghirlandajo noch nicht gesehen,
dah gewisse Tarben immer vortreten (das ilt
ihr Lharakter, bei dem der Maler sie fasse»
muh), dah z. B. (in der Natur) gewisse Roth
in verschiedenen Entfernungen verschieden wir-
ken. Er aber fetzt dasselbe hinten und vorn
hin. Kein Kaum daher, keine Ruhe folglich.
Und nun: nicht einmal eine künstlerische Rech-
nung, eine größere, haben sie machen können.
Nirgends fällt ihnen etwas ein zur Sache. Wo
ein leerer Raum bleibt, wird ein 6ewand-
fchnörkel oder ein Blumentöpfe^» hingemalt.
Eine Wirkung, z. B. die mit dem Teppich,
mit der Mauer ic„ einmal entdeckt, wird un-
erbittlich weiterbenutzt als das A und 0.

• Nie haben sie etwas zu erzählen, etwas
mitzutheilen: die Niederländer sind bis in die
kleinsten Tingerfpitze» voll. Kinder find die
Florentiner in der Kunst, ärmliche hohle ge-
sellen find diele Botticelli re. Während ko ein
van Egck-Schüler durchempfunden ilt bis in s
kleinste, und doch all dies Kleine nur wieder
aus der liebevoll durchempfundenen, alles be-
lebenden 3dee, aus dem großen heraus, als
mit dem ganze» Eins er- und empfunden Nt.

Nein, dieser Rogier van der Wegden ;. B.
Bis in s letzte, kleinste hinein alles belebt, alles
durch und durd) verstanden, alles künstlerisch,
nirgends gepfuscht. Und womit und wie das
gemalt ilt, Nt nun vollends ein Räthfel. ge-
malt scheint es überhaupt nicht. Man lieht
keine Arbeit, kein Sichabmühen mit wider-
spenstigem Material. Mit Oel, Tirnis oder
was wir fonft haben, Nt das nicht gemalt.

Nächst dem Zusammensassen keiner Dor-
ftellungen und Mittel besteht die Kunst in dem
Erkennen und Hinauswerfen des Ueberllüfligen.
Das koktet die meitte Zeit. Diel weniger noch
darf man etwas hineintragen wollen. Das weg,
das weg — dann erst geht einem plötzlich ein
Licht auf, dah man mit feiner Uorftellung recht
hatte und wie sie ausführbar ilt: richtig, da-
rauf kam es an in prafi! Alles andere macht
sich dann von selber und schnell — da kommt
einem alles, was man itt, kann und im 6e-
dächtnih hat — man weih oft selber nicht
woher — willig zu Hilfe. Nur nicht phanta-
sievoll fein wollen — die Phantasie braucht
man schon genug ad hoc, um das Wesentliche
lebendig zu machen. Nur nicht geistreich, son-
dern einfach, nicht künstlerisch, sondern natürlich!

Woheraus soll man heutzutage zum künst-
lerischen Schaffen angeregt werden? 3m
Alterthum hat das Leben das übernommen;
aber das leben, wie es sich heutzutage ab-
spielt, drängt eher alle Produktion zurück. Wir
„leben" so wenig! Wie wohnen wir )unr
Beispiel? Kaum zur „Existenz" ausreichend.
Zusammengepfercht, in fremdem Haus, mit
verbauter Natur, ohne Licht und Luft. Wie
kleiden uns unsere Uorurtheile und Kunft-
fremdheit, unsere Prüderie! Auch da Nt nichts
für Auge und Sinn. Menschliche Tormen,
von Weibern gar, sehen wir höchstens mal bei
Unglücksfällen. (Wenn Ne selber auch bei dieser
pflichtschuldigen geheimnihkrämerei trocken und
sehnsüchtig verblühen.) Die Tamilie— haben
wir nicht, Ne hat uns. Die Trau — na, im
gründe hat doch keine von ihnen ein ernst-
haftes, echtes 3ntereffe. Die Kinder? Anfangs
vieleicht viel Treude, aber später Kampf und
Sorgen. Patriotismus? 3dz wäre der
Tambourmajor, wenn alle Unpatriotischen im
heutigen Sinn mal ausgetrieben würden. Wo-
heraus soll man nun künstlerisch schaffen?
Wodurch einmal Heller sehen, freudiger, leichter
sich aussprechen? Da bleibt nur der Wein.
Der allein Nt ein wirklicher 6enuh, er erhebt
uns erst zum Menschen. Nur der Wein hilft
uns gegen das Leben, trotzdem schaffen, nur
er schenkt einem noch manchmal Stunden, wo
man den ganzen Kram vergißt, und wunder
glaubt, wer und wo man wäre.

Man wird eigentlich erft feines Lebens froh,
wenn man gesellschaftlich keinen Ruf mehr zu
verlieren hat.

3ch sehe gar nicht ein, warum ich hübsche
Weiber malen muh. 3ch male ja nicht aus
Höflichkeit, oder damit es jedem geilen Kerl
gefällt.

Wenn ich das WaNer male, dann kommt
mir allerlei, fo Spielereien, von denen ich nicht
mehr weih, wann ich Ne gesehen habe, die mir
aber geblieben sind,

man das Härtere »ach oben nimmt.

Die Eigenthümlichkeiten, die, Individualität"
des Materials wollen zum Ausdruck gelangen.

Ach was, schön! Ein Ding an feinem rechten
Tledi Nt schön. — Kolorismus! Unsinn. Tarbe
Nt dann schön, wenn Ne ihren Zweck erfüllt.

Der Kopf Nt bloh ein Knopf. Wurscht.
Aber das z. B. herauszubringen, worin es liegt,
dah der fo lähig daNyt, das Nt eine Sache.
Die Beine find das Schwerste — nicht bloh,
weil daran alles überall fo drumherumgeht —
das Nt bei den beweglichen Armen auch nicht
leichter — aber auf den Beinen fleht man, Tie
tragen die ganze Tigur und ihre Bewegung.
Tehlt es da im geringsten, gleich Nt der ganze
Kerl nicht in Ordnung.

Ein Künstler kann fo wenig eine Spezialität
haben wie eine Manier. Ein Streber oder ge-
schidtter Handwerker muh Ne haben; denn er Nt
an ihr kenntlich, nur Ne lucht feine Art Kunst-
freunde bei ihm. 3ch sage dies mit absichtlicher
Beziehung auf moderne französische Kunst. Ein
Deutldzer, der so viel kann, der so weit durd)
Nt, mad)t dann etwas Anderes, vielleicht nicht
Besseres, aber er will dodz mehr. So ein Pariser,
— nein! Er bleibt stehen und wird eleganter
Lhicqueur. Und das itt die 6emeinl)eit. Denn
wer so viel kann, weih auch, dah es immer noch
ein Höheres, Künftlerifd)eres gibt. Aber ob damit
ein „Hotel" und Tagesruhm bei der „Nation"
verbunden wären, weih er freilich weniger gewih.

Und mag ein Ding auch noch fo ungeschickt
oder verzeichnet fein, egal, ich will in jedem Strich
den Willen sehen, das Nt alles, Korrektheit nichts.

SoS

Fritz Erler
Register
Arnold Böcklin: Bekenntnisse
Fritz Erler: Zierleisten
 
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