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1902

,Ingen!,


Auch dieses Mal hat der Chronist
Mehr Stoff schier, als ihm nöthig ist:

Vom Grafen Bülow wird bekannt,

Daß er zum Oberst ward ernannt.

Rittmeister war er blos zuvor —

Den Oberstleutnant und Major,

Die beiden Chargen, übersprang

Er — schwnpp dich! — kühn im Avangsmang!

Ein Hoch dem Kanzler und dem Mann,

Der noch so schneidig springen kann!

In Bon», wo Bnlow avangsirt,

War Majestät höchst animirt

Und brachte der Borussia

Ein laut' Hnrrah! Hnrrah! Hnrrah!

Und führte ans dann, in wiefern
Des Corps erhabne alte Herrn
Uns Deutschland groß und glücklich machen —
Ja — die Borussen können lachen,

Jndeß die anderen Studenten

Vor Scham viel eher weinen könnten!

Denn in Bezug ans Dentschland's Glück
Bleibt ihr Verdienst gar weit zurück!

Die Kaiserin sah vom Balkon
Ans ihren Gatten und den Sohn
Und der Borussia heitre Brüder
Beim festlichen Commers hernieder.

Die Ehre für das Corps war groß,

Wenn auch vielleicht nicht beispiellos!

In Krefeld traf der Kaiser ein
Und sah dort schöne Mägdelein,

Die freilich bittres Weh gequält,

Weil chronisch dort der Leutnant fehlt,

Was schmerzlich schon im Große», Ganzen,
Jedoch besonders arg beim Tanze»!

Galant versprach den schlanken Elfen
Der Kaiser, diesem abznhelfen
Und ein Hnsarenregiment
Bekommen Jene als Präsent.

Das Glück von Krefeld's Jungfernschaft
Ist riesen-, zauber-, märchenhaft,

Denn Allen halt ja, reich und arm.

Bald ei» Husar das Herzlein warm
Und massenhaft wird man da oben
Sich vcr- und seinen Kaiser lobe»!

Zum Aachner Münster kommt zur Zeit
Das fromme Volk von weit und breit,

Und Heiligthümer, groß an Werth,

Die werden jetzo dort verehrt:

(Die Kleider Sankt Mariens sind es,

Die Windel» dann des Jesuskindes,

Und das authentisch echte Tuch,

Das Christus um die Lenden trug,

Das Linnen von Johannis Haupt —)

Und jeder Kranke, der dran glaubt
Und sie berührt, erfährt jetzunder
In Aachen Heilung durch ein Wunder! —
Professor Jager, Seelenriecher,

Rekonstrnkteur fossiler Viecher
Und Gründer von dem Schafwoll-Orden,

Ist siebzig Jahre alt geworden,

Wozu wir unfern Glückwunsch zollen,

Wen» wir auch wohl nicht Wolle wollen! —

Der Dreschgraf Pückler von Klein-

Tschirne,

Der Mann mit dem rabbiaten Hirne,

Der eine Eisenbahn zerbrochen,

Muß brummen jetzt und zwar

sechs Wochen!

Vielleicht nach dieser Sitzung fühlt
Er sich ein wenig abgckühlt!

Herr Kossak, der Bataillenmaler,

Der sonst des Kaisers blanke Thaler
Behaglich in Berlin verspeist.

Ist plötzlich »ach Paris gereist.

Er malt dem Kaiser gar nichts mehr,

Gibt dieser nicht den Osten her
Von Myslowitz bis Kottbus zum
Groß p o l n i sch c » I m p e r i n m.

Auch Paderewski schließt sich an,

Der Damenheld und Mähnenmann;

Der König der Klaviervirtuosen
Hat von der Rettnngsbank in Posen
Gekauft 5000 Aktien gleich.

Zum Kampfe gegen's deutsche Reich.

Er denkt sich: „Geht mein Geld auch steten
Und Hab' ich wieder eins von Nöthen,

So brauch' ich bloß in deutschen Gaue»
Ein Bissel in die Tasten hauen,

Dann stürmen sie herbei in Masse
Und füllen wieder mir die Kasse!"

postscrlptum: Herr Professor Chroust
Und Brenner wasche» jetzt mit Lust
In wilderregtem Wortgedresche
Zn Würzburg ihre schwarze Wäsche.

II» ,'<»<> Ol

tlnverbürgtes

Unser farbnchtes Centrum ist glücklicherweise
noch nicht von der Lauheit seiner kirchlichen
Oberen angekränkelt.

Als man unlängst dem Doktor Pichler die
vom Kaiser mitgetheilte Acußcrung des Papstes
vorhlclt, Deutschland sei daS Land in Eu-
ropa, wo noch Achtung vor der Kirche
herrsche und jeder Katholik ungestört
frei seinem Glauben leben könne, da
sagte der große bayrische Centruinsführer:

„O mein! Was versteht den» der Papst vom
Katholizismus! Der is halt auch so a heimlicher
Los von Romleri"


Krönungstag

Schon war ihr Jubel einem Ransciw gleich.
Es wogten und es blähten sich die Fahnen
's» bunter Fluth von Dächer» und Altane»
Und: Sieg! und Friede! scholl's durchs

weite Reich!

Triumph und Krönung feiern wollten sie,

Die Herr» der Welt, in festlichem Gepränge
Ein Jauchzen wars, ein Brausen, ein Gedränge
In Londons alten Gassen, wie noch nie!

Und nun? Auf einmal all' die Lärmer still?
Ein dumpfer Schrecken lähmte ihre Glieder,
Ein Rannen läuft die Massen auf und nieder,
Das Jeder hören, Keiner glauben will!

Laßt ab vom Fest! Die Flaggen zieht

vom Mast!

Laßt heiße Bitten auf zum Himmel dringe» :
Ein düstrer Schatten breitet seine Schwingen
Auf Eures Königs schweigenden Palast!

Der gnldne Reif nicht, der die Herrscher

schmückt,

Wird heut Altenglands rnhmcsfrohem

Sohne

Ihm ward des Leides harte Dornenkrone
Erbarmungslos auf's müde Haupt gedrückt!

Mit finstern Mächten ringt er siech und blaß
Kein Sterblicher kann sagen, wie es endet!
Und vor dem Schicksal, daö so jäh sich wendet,
-Verstummt die Liebe — und verftummt

der Haß! o.

Kleine Gespräche

„Woher kommt denn die schwankende Haltung des
daher. KultusministersV"

„Ach, der ist ja ganz berauscht — vom Centrum!"

„Ihr Geheimräthe," scherzte der K a i s e r,
„helft nun den Kreseldern mal ordentlich!"

„Um Gotteswillen, Majestät!" flehte
der Oberbürgermeister. „Wir wollen
ja gar nicht mit C geschrieben werden!"

„Sie, dös is fei net schön von Ihnen,"
sagte der witzige Kohl zu seinem Ccu-
trumskollegen Frank, „daß Sie die Ka-
tholiken Esel g'heißen Ham!"

„I? Was fällt Ihnen denn ein?"

„No, Sie Ham doch g'sagt, den
Ultramontanismus schlägt man
und den Katholizismus meint
mau!" ^

„Dem armen Eduard! sei' neuche
Krön'," sagte Abg. Kohl zu einem Kol-
legen „dö mag a schöns Geld kost Ham!"

„Sie sollten Ihne aa krona lassen —
Sic sau ja der Gedankenkönig!"

„Dös scho — aber so a Krön waar mir
z'theuer."

iür Ihne thaat's ja aa eine aus
— Blech!"

Das Titelblatt dieser Nummer ist
von Oswald Gottfried (München).

Vom Titelblatt und den übrigen kolo-
rirten Blättern dieser Nummer, ebenso
von sämmtlichen kolorirten Zeichnungen
aller anderen Nummern sind Sonder-
drucke durch den Verlag der „Jugend“
erhältlich.

Viecherei

„Du den schaug' an,
der macht seit a paar
Tag die verrücktesten
Lachen: ich glaub, der
will Volontär bei einem
N eberbrettl werden!“
Register
Walter Caspari: Viecherei
Herodot [Pseudonym]: Chronik der "Jugend"
[nicht signierter Beitrag]: Kleine Gespräche
O. [Ostini]: Krönungstag
[nicht signierter Beitrag]: Unverbürgtes
 
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