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. JUGEND .

Und der Althofer, ein Mann seine 100.080 schwer,
liegt mit seiner Alten auf der Tenn', der Sixt'l im
Stall, die Lieft und Wab'n mit der Dirn auf dem
Heubod'n.

Aber der Althvfer bereut es nicht. Die Excellenz
is a gar so liab'r Herr, und g'moan macht er sich
mit ein'm! — Da is der Bezirksamtmann a Herr-
gott dageg'n. Was sagt er net glei' wia er komma
is: „Althofer, es ist mir ein Vergnügen bei einem
so braven Veteranen zu wohnen. Geben Sie mir
die Hand, Kamerad!"

Von dem Tag an hätt' der Althoser im Back-
ofen g'schlas'n, lvenn 's „die Excellenz" verlangt hätt'.

Und die zwei Fräuleins! Wia's glei mit der
Lieft und der Wab'n, zwei einfache Bauernmenscher,
Freundschaft g'schloss'n hab'n! Die Blasse, d' Fräul'n
Jda, kann sich net g'nug melk'n, man soll 's gar
net g'laub'n mit die zart'n Fingerln, und die kloa,
sonst', die Fräul'n Marie, die arbeit' mit'n Sixt'l
um d' Wett' beim Heu'n! Grad die Frau Excellenz
is a bißl weniger g'führi, — aber no — so a hoche
Dam'. „Maria," sagt's neulich, für den Althoser
war's freilich nicht bestimmt, „Du sollst doch bedenken,
daß dieser Mensch im nächsten Winter unser Be-
dienter sein kann." So was! Bald hätt' er ihr
ordentlich nausgeb'n der Frau Excellenz, da hat's
d' Fräuln Marie schon selber b'sorgt. „Was, der
Sixt'l zu uns in die Stadt? Ja, das war ja herrlich,
herrlich!" Das G'sicht von der Alt'n!! —Den Be-
dient'» hat er scho einbüaßt, der Sixt'l, — der Herr-

gottssakra — wenn er nur net ■-der Althoser

kratzte sich bedenklich hinter dem Ohr und nahm sich
vor, seine Augen offen zu halten.

Der Direktor — wovon, war nicht heraus zu
bringen — ein Preuße, der seltsam'n Sprach nach,
war erst recht gnädig.

„Na sagen Sie 'mal, Herr Althoser, von was
lebt denn man hier das Bauernvolk? Ist ja nischt
zu sehen — rein jar nischt! Nich' Getreide, nich'
Rüben, nich' Kartoffel, nichts als Jraß, und wieder
Jraß und das bischen Walt da oben, — damit
macht man 's doch nicht? — Was!"

Das war so ein Fressen für den Althofer! —
Das bischen Walt! Sein Heiligthum! Sägprügel
mit zwei Meter Durchmesser! — Und das Jraß!

— Dreimähdige Wiesen wia der Prcuß in sein'm

Leb'n no keine g'roch'n hat!-Aber das war

ja no gauga, aber der Bua, ein langer magerer
Stingl, kassarbet, im G'sicht 's Reißen — da war
nix z' guat. Am Zaun sics'lt er und nack'lt er so
lang, bis 's a Loch gibt, — d' Wiefn vertreten
kreuz und quer, — die Brunnaröhrn verstopf'n, —
im Stall sein Unwesen treib'n, — 's Viech ver-

schreck'n, — und die Dirn ärgern-„aber

jutter Mann, was scheert Sie denn das? — Papa
bezahlt ja dafür! — Sie sind so — ich weiß jar
nich' — so kritlich diese Bayern."

Es rankelt sich immer fester zusammen, von Woche
zu Woche, nicht nur beim Althoser.

Bon allen Seiten hört man nur Gutes, sieht
man nur zufriedene Gesichter. — Auf der Post geht
die Musik nimmer aus und Stadt und Land schnackelt
und springt und trinkt, als wenn's nie auseinander

g'hört hätt'n.-In der Bauernstub'n weiß keiner

g'nug zu erzählen von seinen „Fremden". „A so
liabe Leut und mit all'm z'sried'n! — Wenn's a mal
beim Duscher ob'n kein' Klag führ'n, — d' Bett'n

stoanhart und a Dreck-der Leitnerin zahln's

gar a Mark für's Bett! I thät mi Sünd'n fürcht'n!
Das is a Seson, die hat sie g'wasch'n! Was that
man denn, wenn die Stadtleut net lvär'n, mit uns're
paar Grasln? — Aber leist'n muaß ma halt a was,

— kan Geld net scheuch'n. — Weg müassen her 's
nächste Jahr, — Bäum a, daß an Schatt'n hab'n,

— an Verschönerungsverein müass'n ma gründ'n.
Zahl'n ja gern, wenn's was sehn d'rum. Mit der
Zeit muaß ma geh'n!"

Sonnige Wochen vergehen in holder Eintracht.
Geld wird verdient bis auf die höchste Alm hinauf.

Da ziehn eines Tages dicke Nebel herein in's
Thal, alle Farben verlöschen, — es Herbstelt! — End-
los fällt der Regen, empfindlich kalt wird's!

Jetzt rückt man sich näher. Die primitiven Wohn-
ungsverhältnisse machen sich geltend. Die Betten

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sind auf einmal so hart, die Luft schlecht in den
niederen Zimmern, der Kaffee schmeckt nach Cichorie.

— Es Herbstelt! — Alte Bedürfnisse erwachen, die
Langeweile geht um.

Dem Althoser paßt es nicht mehr aus der Tenne,
er sehnt sich in seine Stube.

Der Direktor wird liebenswürdig. „Na, Alt-
hoferchen," — er reicht dem Bauern gerade bis an
den Brustlatz. — „Wird wohl die alte Bude mal
hinabschwemmen, — was? Dann is man nich mal
in einer Lebensversicherung, — wie? — is man
nich? Nich wahr? — So ein alter Leichtsinn! Das
Haus voll Kinderchen! — Na also, das trifft sich
ausjezeichnet! — Nehme Sie aus, bin ja Direktor
von das Janze. Coulante Bedingungen — mache
i!>! So ein jesunder Mann, so 10.000, was? —
Z wiel? So sagen wir 5000 — ich lasse handeln.
Hören Sie, Herr Althoser, man wohnt doch nicht
urnsonst in Ihrem Regenkessel."

Der Althoser schwitzt, aber versichern läßt er
sich nicht.

„Laß mal den Dickkopf! Det is keene Jegend
Vors Jeschäft, Hab ich ja jleich jesagt," meint die
Direktorin.

Die Freundschaft ist zu Ende. — Zu allem Ueber-
fluß gebraucht der Sohn eben die Kneippkur im
saftigen Krümmet vor dem Hause, — der „Dickkops"
hat den Althoser gereizt. „Die Ohrwasch'ln reiß i
Dir aus, bal' D' mir net glei' aussagehst."

Die Feindschaft ist fertig.

Der Althoser rückt zum General, zum Landsmann.
„Kamerad hat er ihn ja g'nannt vor fünf Woch'n."

Aber der Excellenz is bockgrantig. — Die Betten
sind hundeschlecht, die Oesen Heizen nicht, der Weg
herauf zu schmutzig, und zu steil. — „Geld einnehmen,
das taugt euch Kerls, aber auch etwas für die Fremden
thun, gibt 's nicht. — Der Teufel bringt mich noch
einmal daher!"

„Macht nix," denkt sich der Althoser, „Erstens
amal redt er doch gut bairisch und dann is er halt
Soldat! Die Fräuleins sind do die Alt'n blieb'n,

— b'sonders die Marie! — Schon a sakrisch's Dirndl!
-- Er dreht selber noch den Schnurrbart auf, wenn
er sie kommen sieht. — „Aber das is alles nix gegen
den jungen Herrn, den Lentenant, der jetzt von den
Manövern z'rückkomma is! — G'wachs'n wia a
Röhrl, lebfrisch, voll Schnax'n, und red'n wia wenn
er aufg'wachs'n war am Hof, vom Viech und von
die Roß, koan Stolz gar net — a Luaderbua aus
und nieder! Und g'rad immer herob'n auf 'm Alt-
hof, mit allem z'sried'n und mit 'm Sixt'l a dicke
Freundschaft, — der Herr Lentenant!"

Der Althoser hätte ohne ihn das Vermiethen für
alle Zeiten verschworen.

So kommt der September! — Der erste Schnee
auf den Bergen. — Der Dorfbewohner sieht schmun-
zelnd zu ihm hinauf.

Die Erlebnisse des Althofes sind die des ganzen
Dorfes. So am dritten vierten ist der große Abzug.
Da und dort sieht man Abends farbige Lampions
in den Gärten, zur Abschiedsfeier.

Beim Althoser ist der Abschied am dritten. Da
fehlt sich nichts. Der Herr Leutenant hat alles
wieder eingerenkt, und die Veranstaltung selbst über-
nommen. Lampions, bengalisches Feuer. Zitherspicl
und Tanz.

Ein prächtiger Herbstabend! Die Excellenz'n in
rosigster Laune! Morgen beginnt wieder der Tarok
im Kaffee, der Stammtisch — Theater, Conzerte, alles
das, dem man vor fünf Wochen so hastig entfloh'n.

— Selbst gegen die Direktors gehen sie aus ihrer
Reserve heraus, und haben nichts gegen ihre Theil-
nahme einzuwenden.

„Sind ja ganz gut gefahren, Althoser, — so im
großen Ganzen,-obwohl für Generalstab ge-

rade kein Quartier. — Werd für den Sixt'l schon
sorgen, verlaß dich daraus! — Wo steckt denn der
Junge? Ruf ihn mal her!"

„Zu Befehl, Excellenz!" Der Althoser fühlt sich
wie im Dienst und eilt davon.

Auf dem Tennboden tanzt die Liesl mit dem
langen Direktorbuben, — der Althoser hätt' bald
aufg'lacht, so dumm sah das aus, — d' Fräul'n
Marie mit dem Sixt'l. Das war ein anderes Bild,

Nr. 29

Willy Oertcl (München)
Register
Willy Richard Oertel: Zierleiste
 
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