JUGEND
1902
Nr. 29
als wcnn's z'sammg'hör'u thät'il. Die Fräul'n Jda
mit einem Bnrsch'n aus der Nachberschaft. — Aber
kein Leutnant! Wo der steck'n muaß, wenn 'tanzt
wird? —
„No — mit der Wab'n halt erklärt der Knecht
ans seine Frage.
„ — Was, mit der Wab'n?"-Das Lachen
des Knechtes empört ihn, er wartet seine Antwort
nicht ab. — Durch den Stall — in den -Obstgarten
— hinter das Haus-ganz vorsichtig! — „Na
wart, Leutnant, i wer Dir init meiner Wab'n-
das war also die Freundschaft?"
Richtig unter dem Apfelbaum, — er sah erst nur
etwas Dunkles — für eine Person war's zu viel —
dann kennt er sich aus. Sie biegt eben das Haupt
nach rückwärts unter feinem würzigen Kuh, — der
Allhoser erkennt deutlich den Leutnant und die Wab'n.
Er will sie schon anschreien, da kommt ihm ein an-
derer Gedanke. Er eilt zurück zum General, iviukt
ihm — „Kommens g'rad a bisserl mit. 's Quartier
is 'm Generalstab scheint's dv net z'schlecht, aber
mir paßt er net."
„Was soll das heißen, Althoser?"
„Kommen S' nur."
Der General folgt durch den Stall in den Garten.
„Sehen's dort unter 'm Apfelbaum — ? Soll
mir das vielleicht a Ehr sein?"
In dem Augenblick stutzt der Althoser — Sakra,
das san ja zw ei an de re. Doch der General schießt
schon tvie ein Pjeil vor. — Das Paar stiebt aus-
einander. Das Mädchen gerade dem General in die
Hände, der Bursch dem Althoser. Und der General
packt seine Marie. „Aus Dein Zimmer, Schamlose!"
Und der Althoser packt den Sixt'l. „Wie sührt
denn Dich der Teuf'l her?"
„Und da wagen Sie es noch - Sie wagen es
noch —?" donnerte der General.
„Ja — aber — 's >var ja der Leutnant und
die Wab'n, Excellenz. Beschwör'u kann i 's!"
„Seine Wab'n — seine Wab'n — ivas kümmert
mich denn seine Wab'n! Die Wab'n und meine
Tochter. — Da glaubt so ein Kerl, weil er einmal
gedient-na, ich werd' euch schon — ich werd'
euch schon —"
Vorbei das schöne Fest. Ausgelöscht die Lampen.
In der Stube oben weint ein Mädchen. Daneben
krachen die Dielen unter den Tritten des Generals.
Den anderen Tag ist Abzug. Die Alrhoserin und
die Excellenz kommen noch bei der Abrechnung
tüchtig hintereinander — nichts stimmt.
„Und Wenns schief geht mit der Wab'n, soll i
mi' wohl no schön bedanken —?"
„Sprechen nur Sie nicht von Moral, gute Frau,
— eine Mutter, die so verdorbene Kinder-doch
es ziemt sich nicht für mich, mit Ihnen darüber
weiter — hier haben Sie Ihr Geld — adieu!"
» Kalte, feuchte Nebel. — Kein Blumenstrauß, kein
Abschiedsgruß. — Fräulein Marie verweint —Fräu-
lein Jda noch blässer — der General geladen, tvie
auf dem Excrcierplatz, so gcht's den Berg hinunter
aus den Bahnhof.
Dort herrscht tolles Gewimmel. — Das ganze
Dorf ist unten, seinen Freunden das Geleit zu geben.
— Frauen reichen Blumensträuße in das Coupee. —
„'s nächste Jahr halt wieder die Ehr und verzeih'ns
schon, wenn was g'sehlt hat, gel? — Wir san halt
Bauernleut!" Junge Damen küssen Dorfdirnen,
ergießen sich zum letzten Mal in derbem Dialekt. —
Krauses Gepäck fliegt nach — Vogelkäfig, Kinder-
wagerl, Rucksack, Bergstöck,-Tücher wehen,
Thränen lverden abgewischt. — „Kommt's bat' wie-
der! — Juh—hu—hui —!"
Der Zug braust hinaus, verschwindet bei der
nächsten Curve. —
Allgemeines Aufathme», auf die Geldtasche klo-
pfen — „Das wär wieder überstand'n! Leut san's
schon die Stadtleut!" meint der alte Lettner, Abschieds-
thränen aus den Augen wischend, „alleweil nothiger."
Die Häuser werden geräumt, die Betten aus-
geklvpft, der Stammtisch von den Honoratioren
wieder bezogen. — Das „Jraß" des Althoser gibt
noch das schönste Krnmmet. ,
Wie der General so im Januar die erste Muster-
ung der Rekruten im Kasernhof hält, bemerkt er
eine» bildsauberen Burschen in der zweiten Linie,
mit flott aufgedrehtem Schnurrbart. — Er sieht ihn
durchdringend an, — dann rust er den Leutnant.
„Sehen's Sie sich doch mal die Knöpfe von dem Kerl
da an! Nennen Sie das geputzt? — Was, lächeln
will er auch noch —? Acht Tage Mittelarrest!"
Aber der Sixt'l lächelt immer noch. Die ganze
Sommerfrische auf dem Althos leuchtet aus seinen
blauen Augen.
Das Dorf liegt in tiefem Schnee, aber unter
dem weißen Frieden gährcn die Wünsche und Be-
gierden, welche die Stadt in den paar Wochen ge-
säet. — Sie thun sich beide wenig Gutes, wenn sie
sich berühren. —
Sommerfrische —! lind jede „Sommerfrische"
wetzt beharrlich ab von der Ivahren sommerlichen-
Frische, die des Stillen Herz erfreut.
Zweifelhafte Fragen,
deren Beanfworfung dem lieben Ltefer refp. der
schönen Beterin überleiten ift
Was drückt schwerer? Sin volles perz oder
ein leeres Portemonnaie?
Wer besitzt mehr Freiheit? Sin siidamerika-
nischer Sklave, der ein nachgiebiges Weib hat oder
ein aller politischen Rechte theilhaftiger Europäer,
der unter dem Pantoffel steht? —
Was macht heutzutage schneller berühmt?
Eine große wissenschaftliche Entdeckung oder die
Thcilnahme an einer Automobilwettfahrt?
was schadet einer schönen Frau mehr? wenn
sie ihren guten Ruf verliert oder ihre Zähne?
was ist für einen preußischen Soldaten ver-
hängnißvoller? wenn er einem dem Käfig ent-
sprungenen Tiger begegnet oder sich über seinen
Vorgesetzten beschwert?
was bereitet einem ehrgeizigen Dramatiker mehr
Freude? wenn sein eigenes Stück dnrchkommt
oder das seines Rivalen durchfällt?
Ti-nra
(5ohn's Gruß an die Sonne
Erdballerlaichteude ewige Lampe, wen» Dich
ich betrachte,
Szieht mer e' Wonuegefiehl faktisch derekt
_ ,, durch den Leib,
Funkelst doch so berickcnd wie Gold, un
noch eins imponiert mer —:
Sou ne, akk'rat as de Bors', gehste mal
runter, mal rauf!
Darum begrießt Dich als strahlendes Urbild
von Hausse ilnd Baisse
Namens der „Spekulaßjon"
ganz untertheeill'gst
R. Cohn
Maftres 6es^>icft1cften
Die reiche Frau Gutsbesitzer (frühere Metzger-
meister) paus läßt für ihr erkranktes Kind auf
Anrathen des Pausarztes eilten Specialarzt kommen,
während der Untersuchung wendet er sich an seinen
Kollegen mit der Frage: „Und wie steht es mit
der Psyche des Knaben?" Darauf antwortet eifrig
Fra» Paus: „Danke, perr Professor, die ist ganz
regelmäßig, jeden Morgen."
Hus dem
Ilacbruf eines I)ofbencbterstatters
. . . Roch im Sarge verklärte die milden Züge
des gütigen perrschers ein leutseliger Zug.
Clsässer-fran;ösiscb
A. : Ich gang au th<re ce soir 1 —
B. : Qu’est-ce qu’on jouef
A. : Une opira, ich glänb, das Ding haißt ,nr
>GA...
B. : Ah, die do? — Je la connais, aver wie
wan sie die uffihrc, sie Han drzlie keine cköcora-
tions, im 's orchestre isch o liitt süffisante, un
iverhäupt — moi, je n'y vais pas! — Merci I
480
Julius Diez (München)
1902
Nr. 29
als wcnn's z'sammg'hör'u thät'il. Die Fräul'n Jda
mit einem Bnrsch'n aus der Nachberschaft. — Aber
kein Leutnant! Wo der steck'n muaß, wenn 'tanzt
wird? —
„No — mit der Wab'n halt erklärt der Knecht
ans seine Frage.
„ — Was, mit der Wab'n?"-Das Lachen
des Knechtes empört ihn, er wartet seine Antwort
nicht ab. — Durch den Stall — in den -Obstgarten
— hinter das Haus-ganz vorsichtig! — „Na
wart, Leutnant, i wer Dir init meiner Wab'n-
das war also die Freundschaft?"
Richtig unter dem Apfelbaum, — er sah erst nur
etwas Dunkles — für eine Person war's zu viel —
dann kennt er sich aus. Sie biegt eben das Haupt
nach rückwärts unter feinem würzigen Kuh, — der
Allhoser erkennt deutlich den Leutnant und die Wab'n.
Er will sie schon anschreien, da kommt ihm ein an-
derer Gedanke. Er eilt zurück zum General, iviukt
ihm — „Kommens g'rad a bisserl mit. 's Quartier
is 'm Generalstab scheint's dv net z'schlecht, aber
mir paßt er net."
„Was soll das heißen, Althoser?"
„Kommen S' nur."
Der General folgt durch den Stall in den Garten.
„Sehen's dort unter 'm Apfelbaum — ? Soll
mir das vielleicht a Ehr sein?"
In dem Augenblick stutzt der Althoser — Sakra,
das san ja zw ei an de re. Doch der General schießt
schon tvie ein Pjeil vor. — Das Paar stiebt aus-
einander. Das Mädchen gerade dem General in die
Hände, der Bursch dem Althoser. Und der General
packt seine Marie. „Aus Dein Zimmer, Schamlose!"
Und der Althoser packt den Sixt'l. „Wie sührt
denn Dich der Teuf'l her?"
„Und da wagen Sie es noch - Sie wagen es
noch —?" donnerte der General.
„Ja — aber — 's >var ja der Leutnant und
die Wab'n, Excellenz. Beschwör'u kann i 's!"
„Seine Wab'n — seine Wab'n — ivas kümmert
mich denn seine Wab'n! Die Wab'n und meine
Tochter. — Da glaubt so ein Kerl, weil er einmal
gedient-na, ich werd' euch schon — ich werd'
euch schon —"
Vorbei das schöne Fest. Ausgelöscht die Lampen.
In der Stube oben weint ein Mädchen. Daneben
krachen die Dielen unter den Tritten des Generals.
Den anderen Tag ist Abzug. Die Alrhoserin und
die Excellenz kommen noch bei der Abrechnung
tüchtig hintereinander — nichts stimmt.
„Und Wenns schief geht mit der Wab'n, soll i
mi' wohl no schön bedanken —?"
„Sprechen nur Sie nicht von Moral, gute Frau,
— eine Mutter, die so verdorbene Kinder-doch
es ziemt sich nicht für mich, mit Ihnen darüber
weiter — hier haben Sie Ihr Geld — adieu!"
» Kalte, feuchte Nebel. — Kein Blumenstrauß, kein
Abschiedsgruß. — Fräulein Marie verweint —Fräu-
lein Jda noch blässer — der General geladen, tvie
auf dem Excrcierplatz, so gcht's den Berg hinunter
aus den Bahnhof.
Dort herrscht tolles Gewimmel. — Das ganze
Dorf ist unten, seinen Freunden das Geleit zu geben.
— Frauen reichen Blumensträuße in das Coupee. —
„'s nächste Jahr halt wieder die Ehr und verzeih'ns
schon, wenn was g'sehlt hat, gel? — Wir san halt
Bauernleut!" Junge Damen küssen Dorfdirnen,
ergießen sich zum letzten Mal in derbem Dialekt. —
Krauses Gepäck fliegt nach — Vogelkäfig, Kinder-
wagerl, Rucksack, Bergstöck,-Tücher wehen,
Thränen lverden abgewischt. — „Kommt's bat' wie-
der! — Juh—hu—hui —!"
Der Zug braust hinaus, verschwindet bei der
nächsten Curve. —
Allgemeines Aufathme», auf die Geldtasche klo-
pfen — „Das wär wieder überstand'n! Leut san's
schon die Stadtleut!" meint der alte Lettner, Abschieds-
thränen aus den Augen wischend, „alleweil nothiger."
Die Häuser werden geräumt, die Betten aus-
geklvpft, der Stammtisch von den Honoratioren
wieder bezogen. — Das „Jraß" des Althoser gibt
noch das schönste Krnmmet. ,
Wie der General so im Januar die erste Muster-
ung der Rekruten im Kasernhof hält, bemerkt er
eine» bildsauberen Burschen in der zweiten Linie,
mit flott aufgedrehtem Schnurrbart. — Er sieht ihn
durchdringend an, — dann rust er den Leutnant.
„Sehen's Sie sich doch mal die Knöpfe von dem Kerl
da an! Nennen Sie das geputzt? — Was, lächeln
will er auch noch —? Acht Tage Mittelarrest!"
Aber der Sixt'l lächelt immer noch. Die ganze
Sommerfrische auf dem Althos leuchtet aus seinen
blauen Augen.
Das Dorf liegt in tiefem Schnee, aber unter
dem weißen Frieden gährcn die Wünsche und Be-
gierden, welche die Stadt in den paar Wochen ge-
säet. — Sie thun sich beide wenig Gutes, wenn sie
sich berühren. —
Sommerfrische —! lind jede „Sommerfrische"
wetzt beharrlich ab von der Ivahren sommerlichen-
Frische, die des Stillen Herz erfreut.
Zweifelhafte Fragen,
deren Beanfworfung dem lieben Ltefer refp. der
schönen Beterin überleiten ift
Was drückt schwerer? Sin volles perz oder
ein leeres Portemonnaie?
Wer besitzt mehr Freiheit? Sin siidamerika-
nischer Sklave, der ein nachgiebiges Weib hat oder
ein aller politischen Rechte theilhaftiger Europäer,
der unter dem Pantoffel steht? —
Was macht heutzutage schneller berühmt?
Eine große wissenschaftliche Entdeckung oder die
Thcilnahme an einer Automobilwettfahrt?
was schadet einer schönen Frau mehr? wenn
sie ihren guten Ruf verliert oder ihre Zähne?
was ist für einen preußischen Soldaten ver-
hängnißvoller? wenn er einem dem Käfig ent-
sprungenen Tiger begegnet oder sich über seinen
Vorgesetzten beschwert?
was bereitet einem ehrgeizigen Dramatiker mehr
Freude? wenn sein eigenes Stück dnrchkommt
oder das seines Rivalen durchfällt?
Ti-nra
(5ohn's Gruß an die Sonne
Erdballerlaichteude ewige Lampe, wen» Dich
ich betrachte,
Szieht mer e' Wonuegefiehl faktisch derekt
_ ,, durch den Leib,
Funkelst doch so berickcnd wie Gold, un
noch eins imponiert mer —:
Sou ne, akk'rat as de Bors', gehste mal
runter, mal rauf!
Darum begrießt Dich als strahlendes Urbild
von Hausse ilnd Baisse
Namens der „Spekulaßjon"
ganz untertheeill'gst
R. Cohn
Maftres 6es^>icft1cften
Die reiche Frau Gutsbesitzer (frühere Metzger-
meister) paus läßt für ihr erkranktes Kind auf
Anrathen des Pausarztes eilten Specialarzt kommen,
während der Untersuchung wendet er sich an seinen
Kollegen mit der Frage: „Und wie steht es mit
der Psyche des Knaben?" Darauf antwortet eifrig
Fra» Paus: „Danke, perr Professor, die ist ganz
regelmäßig, jeden Morgen."
Hus dem
Ilacbruf eines I)ofbencbterstatters
. . . Roch im Sarge verklärte die milden Züge
des gütigen perrschers ein leutseliger Zug.
Clsässer-fran;ösiscb
A. : Ich gang au th<re ce soir 1 —
B. : Qu’est-ce qu’on jouef
A. : Une opira, ich glänb, das Ding haißt ,nr
>GA...
B. : Ah, die do? — Je la connais, aver wie
wan sie die uffihrc, sie Han drzlie keine cköcora-
tions, im 's orchestre isch o liitt süffisante, un
iverhäupt — moi, je n'y vais pas! — Merci I
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Julius Diez (München)