Nr. 30
Zimmer, hing im Vorraum meinen zeriepschien
Cylinder an den Nagel, setzte diesen schönen, neuen,
schwarzen, steife», runden Hut auf, der dem Clown
gehörte, und bin nur noch rasch hierher geeilt, um
Dir den Rath zu geben, nie mit einer Exeentrie-
Sängerin etwas anzufangen."
„Mein lieber August," sagte ich, „Du bist un-
gerecht. Meiner Ansicht nach hast Du bei der gan-
zen Sache doch nur gewonnen. Ich will gar nicht
von dem Hut sprechen, der Dir glänzend steht, aber
die Erfahrungen, die Du gesammelt hast. Wie
kommt sonst unsereins dazu, mit Zwergen und Riesen
ans einem so vertrauten Fuß zu verkehren?" (August
schüttelte abwehrend den Kopf). Ich beharrte: „Und
ich an Deiner Stelle wurde nicht versäumen, auch
morgen Deinen Thee bei Kitt» zu nehmen, wo Du
gewiß die ganze Truppe kennen lernen wirst." Au-
gust sah mich misstrauisch an. „Nun ja," fuhr ich
fort, „ich stelle mir das sehr amüsant vor. Wie die
zwei Riesen mit ihr Ball gespielt haben, so werden
die Osmonds vielleicht auf ihr Flöte blasen."
„Du bist ein Idiot," entgegnete August. So
wenig vertrug er es, wenn ein Anderer gute Witze
machte.
Der Kellner kam. Wir zahlten und traten in
einen herrlichen Frühlingsmorgen hinaus. „Mich
freut nur," sagte August, „das; der Kerl über seinen
Spaß nicht mehr lange lachen wird, wenn er im
Vorzimmer statt seines neuen Hutes ■. . ."
August schwieg plötzlich. Ich merkte, das; seine
Züge erstarrten und seine Angen riesengroß wurden.
Ich folgte seinem Blick und sah, daß uns ein jun-
ger Mann eutgegenkam, der mit vollendeter Eleganz
gekleidet war, nur der Cylinder, den er auf dem
Kopf sitzen hatte, war vollkommen vernichtet. August
blieb stehen und lies; den jungen Mann uäherkommen.
Dieser lüftete den Hut und sagte: ,Good morning,
Sir.‘
,Good morning," sagten wir beide und nahmen
unsere Hüte ab, die wir natürlich gleich wieder auf-
setzen wollten. SOiiv gelang es. Nicht so meinem
Freund August. Diesem nahm der fremde Herr
den Hut einfach aus der Hand, setzte ihn auf und
übergab August mit einem verbindlichen Lächeln den
vernichteten Cylinder. Und sich zu mir wendend, als
sei er ausschließlich mir eine Erklärung schuldig, be-
merkte er: „Ich habe nämlich geuechselt diesen kleinen
Hut vor einer kleinen Stunde bei einer kleinen Freun-
din. Good morning, Sir." Damit ging er.
Ich würde lügen, wenn ich behauptete, jemals
ein dümmeres Gesicht gesehen zu haben, als' das
meines Freundes August. Er war todtenbleich und
schien nach Worten, oder wenigstens nach Luft zu
schnappen. Er wartete, bis der Gentleman sich in
einer anständigen Entfernung befand, dann sagte er
mit einer Art von finsterer Entschlossenheit: „Was
soll man da thUn? Erdolchen oder eine gellende
Lache aufschlagen?"
„Erdolchen," sagte ich rasch. Ich rieth es ihm
nicht ans Brutalität, sondern vielmehr aus Neugier,
tveil ich noch nie Jemanden erdolchen gesehen habe.
Ob nun August zu gutherzig war, oder ob er wieder
einmal keinen Dolch bei sich hatte — gewiß ist, daß
er meinem Rath nicht folgte, sondern nur ganz kurz
und nicht einmal, wie er sich zuerst vorgenommen,
besonders gellend lachte. Ich betrachtete ihn mit
einiger Besorgniß, denn ich kenne Leute, die durch
ähnliche Vorfälle plötzlich toll geworden sind. August
wurde cs nicht. Ein sonderbares Zucken glitt über
seine Züge, als wenn sich eine furchtbare Aufregung
plötzlich löste, und er sagte, eher träumerisch: „Ich
werde.ihn einfach bügeln lassen."
Ich, bin fest überzeugt, er meinte den. Cylinder.
kiinciermuncl
Line Bäuerin konimt mit ihrem Kinde zu
einem Arzt, der an der rechten Wange einen
Säbelhieb hat. Das Kind äußert sich hierüber:
„Du, llmtter, der Docker Hot jo een versprungeue
Kopp!" '
. JUGEND '
Meyer-Nicolai
Heues ffiilitärlateiri
pontifex Maximus - der Pionierkommandeur
suum cuique — der Löhnungsappell
integer vitae — der Rekrut
scelerisque purus — Unteroffizier Bickel
ignarus mali — der Regimentsarzt
eedesia militans — der Militärkaplan
arma virumque cano — Major Laufs
dies irae — der Regiments Rapport
dulce decus meum = Lhinamedaille
nunc est bibendum — Kaisers Geburtstag
Einzige Erklärung
„Denken Sie sich, mein Bnkel hat München
besucht und das Hofbräuhaus nicht gesehen."
Münchner: „Also is er glei' auf dem Bahn-
hof gestorben?"
Line Aeussemng Loethes über den
Automobilsport
wie Altmeister Goethe den dahinrasenden Au-
tomobilfahrern gesinnt war, noch che das Auto
mobil das Lickst der Welt erblickt hatte, ergibt sich
aus den bekannten, offenbar einem Antomobil-
fahrer in spe gewidmeten Versen:
„Staub soll er fressen und mit Lust,
wie m eine Mu hme, d ie herühm teSchlange."
Trara
Der Buchhalter
Geduld, und immer nur Geduld!
Was nutzt das Aufwartsstreben?
Zwölf Jahre a» demselben Pult —-
Ist das ein Hundeleben!
Wie 's gestern war, so geht's auch heut,
Es bleibt die alte Regel.
Kein Mensch, den meine Arbeit freut.
Ich werd mir selbst zum Ekel.
Die Schwindsucht steckt mir in der Brust
Vom Staub und Federkratzen.
- Verkauft die ganze Lebenslust
Für die paar lump'gen Batzen.
Ja, früher hielt ich's besser aus,
Da könnt' ich drüber lachen.
Jetzt?? - Meinetwegen kan» das Haus
Schon morgen Pleite machen.
Des Abends sitz ich ganz allein
In meinem engen Zimmer.
Ich lieg im Bett, und schlaf nicht ein,
Starr' in den Lampenschimmer.
qgü
1902
Der Bücherschrank steht in der Eck'.
Einst Hab' ich viel gelesen.
— Das hat ja Alles keinen Zweck,
's bleibt doch, wie 's stets gewesen!
Die Ander» schwelgen jede Nacht
In sogenannter Liebe;
Mir hat's mal früher Spaß gemacht,
Jetzt ist mir Alles pipe.
Kam' nur mein Blut einmal in Fluß,
Wie wollt' ich mich besaufen:
Dann hatt' ich Muth! Dann mach' ich Schluß
Und schieß mich über'» Hansen.
Karl Ettlingen
Gin belauschtes Gespräch
Arzt: „Ja, mein Fräulein, ich bin davon
überzeugt, daß die Lrkenntniß von der Schädlich-
keit der heutigen Frauenkleidung, speziell des Lor-
setts, in immer weitere Kreise eindringen wird,
auch Sie werden sich bald von diesem Panzer be-
freien müssen."
Fräulein: „Ach nein, Herr Doktor, ich bin
so gräßlich kitzelig, und wenn dann die Herren
beim Tanzen ihren Arm um meine Taille legten
dann müßte ich ja immer lachen."
Drei Nächte
(Zur Zeicln.mz »on Atvlf Münzer)
Schwül ging der Athen; der Frühsonunernacht,
Die Linden blühten und ihr Duft war stark -
Da stahl ich über sammtuen Rasen sacht
Mich nach dem weltverlornen Platz im Park.
Ans Schattendunkel hob sich schimmernd weiß
Das alte Venusbild —- hier harrte mein
Ein schlankes Mädchen. Und ihr Kuß war heiß —
Und seltsam lächelte das Bild von Stein!
Und wieder schlich ich mich an jenen Platz
Durch die Augustnacht, kühl und sternenklar,
Und bald, wie damals, hing mein blonder Schatz
An meinem Hals — nur daß es Abschied war!
Sie sprach, wir hatten süßer Lust genug
Aus dem verbotnen Becher min geschlürft,
Sie sprach von Pflicht und Zukunft — viel zu klug,
Als Liebe je zu Liebe sprechen dürft'!
Ich schwieg und sandte meinen Blick empor
In banger Frage: Kann es möglich sein,
Daß jah, wie ich, ein Mensch sein Glück verlor? —
Und seltsam lächelte das Bild von Stein!
Novemberstürme zausten rauh und wild
Das letzte braune, todte Blatt vom Baum
In Liebchens Brautnacht — und zum alte» Bild
Bin ich gewandelt, irrend, wie im Traum!
Da sank ich hin, das fiebernde Gehirn
Von Weh und Sehnsucht und von Haß durchwühlt.
Und schluchzte laut und meine heiße Stirn
Hat auch der feuchte Marmor nicht gekühlt!
Und manche Stunde Hab' ich wohl geglaubt,
Daß Einer sterben müßt' in solcher Pein;
Zur weißen Göttin wandt' ich da»» mein Haupt
Und seltsam lächelte das Bild von Stein!
Fritz von Ostiiii
Meyer-Nicolai: Medaillon
Karl Ettlinger: Der Buchhalter
[nicht signierter Beitrag]: Ein belauschtes Gespräch
[nicht signierter Beitrag]: Neues Militärlatein
Fritz Frh. v. Ostini: Drei Nächte
Trara: Eine Äusserung Goethes über den Automobilsport
[nicht signierter Beitrag]: Einzige Erklärung
[nicht signierter Beitrag]: Kindermund
Karl Ettlinger: Der Buchhalter
[nicht signierter Beitrag]: Ein belauschtes Gespräch
[nicht signierter Beitrag]: Neues Militärlatein
Fritz Frh. v. Ostini: Drei Nächte
Trara: Eine Äusserung Goethes über den Automobilsport
[nicht signierter Beitrag]: Einzige Erklärung
[nicht signierter Beitrag]: Kindermund