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Adolf Münzer (Pi

Nr. 31

3n der „Zerbrochenen pfeife“

(Zu dem Bilde von Adolf Münzer)

J’suis Rosa..! C’est Bazouge qu’est le mien!

J’ai les eheveux roux, un’ tete d’chien ...

Quand je passe, on dit: V’lä la rouge
A Montrouge!

Sie krähte wie ein brünstiger Gockel ... Ihre
großen dunkeln Angen starrten leblos ins Weite .. - nur
das Weiße darin flimmerte wie Spiegelglas in der
Mittagssonne. - - Die beweglichen Nüstern der langen
Nase waren gebläht... die mageren Arme schienen
sich zu runden, wenn die knochigen Fäuste sich ball-
ten... ja, ja, sie war es selbst, die rothe Rosa von
Montronge. - - und drüben in der Ecke der widerliche
Kerl im Cylinder, der die Nachbarin zur Linken so
faunisch beaugenscheinigte, war Bazouge, der Zuhälter
mir dem blutigen Messer... Unsinn! Das ist ja Gaston,
der melancholische Flötenspieler aus dem Quartier latin,
der das clair de Lune so weinerlich durch die Zähne
zieht, als wär's eine Thräne von flüssigem Harze...
Und die zwischen ihm und dem langnäsigen Marcel sitzt,
ist die coquette Therese, die gleich nachher als Blumen-
mädchen dem alten Marquis ein Körbchen geben wird - -.
Votre chäteau pa n’ me tent’ guere,

J’aime mieux les cabarets d’ Bercy.

Avec mon Guillaume, que je regrette
Et que j’ pleure le jour et la nuit...

Jetzt aber mustert sie die Toilette ihrer Concur-
rentin und rümpft dabei verächtlich die Nase... Wie
man nur so gemein daherkommen kann!... Gemein?
Der alte Herr, der ganz vorn am Podium wie ent-
geistert seine Cigarette qualmt, denkt anders... er be-
neidet Bazouge und bedauert, daß er die dumme
Jeanette bei sich hat...

Sei» vis-ä-vis aber, die schöne Liane, füttert ihre»
Hund mit Zucker... er ist treu wie Bazouge und nicht
so gefährlich...

Que vous Importe,

Fermant la porte
A la cohorte
Des ennuyeux....

Nur Zwei langweilen sich nicht, Mimi und Ceri-
sette... Sie haben heute im Bois de Boulogne ein
Abenteuer gehabt... „Denke Dir, Mimi, er konnte
nicht mal mehr meine Droschke zahlen — o war das
lustig, war das lustig... Das dumme Gesicht, als er
mit den Bratwurstfingern im leeren Portemonnaie
herumstocherte!" ... Und sie kichern laut, daß Alles
nach ihnen herüberschaut...

„Wollen wir bald nach Hause, Friedrich? Ich ver-
stehe kein Wort davon," sagt jetzt Frau Lehmann aus
Dresden zu ihrem würdigen Gatten, der such behaglich
schmunzelnd in den Sessel zurücklehnt und seelenvergnügt
zur Bühne emporblinzelt. „Dummes Zeug! Jetzt kommt
ja grade das Schönste!"... Und dann leise: „Gut,
daß es die dumme Gans nicht versteht!"

Mon coeur tressaiile,

II faut que j’aille
Livrer bataille
A ses appas ....

Und er denkt an seine Studentenzeit und an den Viktoria-
salon in Dresden und die Centralsäle in Leipzig...
Damals hatte er oft nur Nickel in der Tasche, wie der
verrückte Philosoph dort drüben mit dem Geisbart, der
eben jetzt, die Hand an der Stirne, eine neue Welt-
anschauung ausbrütet... Oder will der etwa den ab-
gestandenen und verdünnten Beranger, der hier serviert
wird, ins Deutsche übersetzen?... Gott bewahre uns
vor dieser neuesten Verrücktheit!... Ein seiltanzender
Bär ist lächerlich... und ein deutsches Cabaret wird
langweilig... das Wild muß todt sein, bevor es haut
goüt kriegt; wir aber leben noch... warum also die
Pariser nachäffen? Wir haben ja andere Nationaltugen-
den, wie Denkmalseinweihungen und redende Generäle...

Oarub
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