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H5

. JUGEND -

Marterl auf den LampariUe

Von Kassian Hlwibcnscbedl, CTuifclcmalcr

Vana totius mundi sors,

Communis omnium rerum mors.

Eitcl ist das Loos der ganzen Welt

tliib allen Dinge Uhrcnzcigcn stets auf Tod gestellt.

Sintemalen viele Hund' den Hasen und viele Acrzt' de»

Patienten morden,

Ist nun auch der Campanile durch der Vcnetianer Architekten

Weisheit kapur geworden.

Ungerecht traf dicß Geschick den alten cdeln Glockenthurm

von San Marco,

Indessen bei uns an Monumenten stehen bleibt so mancher

M.uark, ol

Dafür war aber auch Sansovino, der zerstörten Loggia Erbauer,
weder ein Reinhold Begas, noch ein sonstiger Hofbildhaucr.

Noch ganz anders war' das Leid, tief gefühlter und auch grimmer,
wenn es sich handeln würde um einen Haufen gut loyaler Trümmer.
Dicwcilen aber eine Republik dereinst den Thurm gcbauet

auf Piloten,

Ist ein allzu großer Schmerzensschrei etwas unvorsichtig für

eine» deutschen Patrioten.

Beherzige, o fromme Christenheit, die heilsame Moral von

der Gcschicht'

Und bau' als Monumente Thürmc, so leicht cinstürzen können,

niemals nicht!

Du ersparst Dir durch derlei weise Vorsicht für später nur

ein großes Weh;

Denn niemals har ad sxsrnplum Einsturzgefahr gcdrohct

.einer Sicgcsallccl


Weltchronik der „Jugend"

Auch dieses Mal weiß der Chronist
So manche Nachricht, froh und trist:

Ton Bayerns Landtag spfaffen wird
Noch fort-gestrichen, unbeirrt,

Weil ihre wuth sich täglich steigert.

Lin Gypsmuseum ward verweigert —
GypsKöpse, meinten sie wohl klug,

Sind in der Kammer schon genug
Umsonst zu sehen, hart und hohl;

Die Daller, Schädler, Pichler, Kohl,
Die lehnen ab, wie grüne Jungen,

Jetzt alle Lultusforderungen,

Weil man nicht thut, so wie sie wollen.
Sogar die Sozialisten grollen
Und schimpfen auf die Schwarzen sehr heut —
Die aber hätten nicht die Mehrheit,

Hätt' nicht die Stimmenzahl derXothen
Dazu verholfen den Zeloten! —

Herr Kohl in seiner Geistesgröße
Gab sich schon wieder eine Blöße,

Indem er voll Impertinenz
Geschimpft hat auf das Fräulein Xenz,
Das gegen Xecht und Drdnung wär' in
Der Bibliothek als volontärin.

Die Dame, welche, wie man wohl weiß,
Dreimal so viel als dieser Kohl weiß,

Die nahm die Frechheit aber schief
Und schrieb ihm einen offnen Brief,

Drin sie ihm nachweist, klar und glatt,

Daß unser Kohl gelogen hat.

Dem Kohl ist's freilich ganz egal —

Ls ist ja nicht das erste Mal! —

In Xom. da starb der Cardinal
Graf Ledochowski, der einmal
Cultur gekämpft in blinder Wuth.
wohl haßte Deutschland bis auf's Blut

So manches Jahr in wildem Wahn er,

Als Pole und Ultramontaner,

Doch ruh' er sanft: sein Haß war ehrlich!
Die Andern, die sind blos begehrlich
Zumeist und thun blos so pikirt,

Weil sich die Sache hübsch rentirt. —

In Frankreich wird jetzt viel geplärrt,
Weil man die Drdensschulen sperrt.
Die Zahl war groß: Zweitausend und
Fünfhundert Schulen waren's rund.

Und hundertfünfzigtausend Kinder,

Die wurden dort mehr oder minder
verdummt und römisch anaelogen,

Zur Pfaffenknechtschaft auferzogen.

Man will in dieser schlechten Zeit
Halt gar nicht wie die Geistlichkeit,
Besonders unser Nachbarstaat
(Trotz Dnkel Loö's gutem Xatht)

Xun sind die Guten sehr ergrimmt;

Auch Franz CoppLe ist arg verstimmt.

Und, als der Pfaffen Lehensmann.

Blamiert er sich, so gut er kann.

Uns freut's: Der schwarze Dichter ist
Zugleich ein arger Chauvinist! —

Dann hör' ich auch mit großem Weh
von Spaltung in der Heilsarmee,
von Gen'ral Booth, da fällt nun, schwapp!
Die eigne Tochter meuchlings ab,
weil sie der Heilung durch Gebet
Sympathisch gegenüber steht.

Jndeß der Alte meint, die sei
Blos unverschämte Gaunerei,

Mit ihrem Anhang zieht nun hin
Aus der Armee die MarschaUin
Und predigt der Jdiotenzunft
von Christi naher Wiederkunft. —

© Gott! wo solls noch hin auf Lrden,
Wenn solche Säulen wankend

werden? —

1902

Herr Lhamberlain ist sehr vergnügt.

Weil er ein feines Amt gekriegt?

„Lord Warden of the Cinque Ports“
Ward diese perle aller Lords.

Lr kriegt ein Schloß mit Land und park,
viel Lhr und J00000 Mark —

Die Arbeit ist dafür — 0 —

Ist das nicht very wonderful?

P.S. In einer Xeichsrathsausschußsitzung
Zand jüngst die Ansicht Unterstützung.

Man hätte Würzburgs Senatoren,

Die gegen Landmann sich verschworen.
Mit Strenge ahnden sollen jetzt,

Weil sie die Disciplin verletzt.

Zum Teufel! Wird in seiner Lhr'

Lin Mann gekränkt so tief und schwer,
Dann wird er halt vom Leder zieh'n.
Und pfeift was auf die Disciplin!

Die Herrn vom Xeichsrath folgen auch
Im Allgemeinen solchem Brauch,

Kränkt sie ein ungerechter Tadel.

Und unser deutscher Geistesadel,

Der wahrlich nicht von schlechterm Holz,

Hat auch sein Xecht auf Adelsstolz!

llerodot

Mene tekel

Anläßlich der Heiligthumsfahrt hielt der Len-
trumsabg. Justizrath Trimborn aus Köln
auf einer ultramontanen Versammlung zu Aadzen
eine Rede, in der er die beiden Städte Köln und
Aachen verglich. Lr sagte u. a.: „wir sind
nicht so philisterhaft, daß wir dieselben Kleider und
dieselben Hüte tragen, das würde zu langweilig sein,
dafür sind wir viel zu genial. (Heiterkeit.)
Während Aachen seine Heiligthümer feiert,
feiern wir Karneval. (Stürmische Heiterkeit.)

Vor „Rock" ist längst in den Schrein gebracht.
Auf Aachen lagert die Mitternacht.

Doch droben, im hellerleuchteten Saal,

Die Schwarzen haiten ihr festlich Wahl.

Die Schwarzen sitzen in langen Reih'n
Und leeren Becher mit funkelndem Ulein.

Trimborn's Augen leuchten Glut;

Im Wein erwuchs ihm kecker Ulnth.

Und blindlings reißt der Ulnth ihn fort,

Zn lästern die Gottheit mit sündigem wort:

„Ihr feiert den heiligen Rock zumal.

Wir feiern lieber den Carnevall

lvir tragen nicht das nämliche Kleid,

Und sind doch stockfdzwarz alle Beid'.

Doch frömmer, o heiliges Aachen, bist Du
wir aber'sind zn genial dazu!"

So spricht er frech und lästert wild;

Der Hörer Schaar ihm Beifall brüllt.

Doch kaum das grause Wort erklang,

Dem Trimborn ward's heimlich im Busen bang.

Denn sich, denn sieh, an weißer wand
Da kam's hervor wie Menschenhand —

Und schrieb, und schrieb an weißer wand:

„G Trimborn, bist Du ein Protestant?

So sprechen bei uns, im Lande des Kohl,

Nur ganz gewöhnliche Ketzer wohl!

M Trimborn, wärst Du der Trimborn nicht,

Bei Gott, wir brächten Dich vor's

Gericht....".

Der Trimborn stieren Blicks dasaß,

Mit schlotternden Kniccn und todtcnblaß.

Und murmelte still nur vor sich hin:

„Gottlob, daß idj nicht in Bayern bin."

Der Trimborn hat aber in selbiger Nacht
Doch keinen Trinkspruch mehr ausgebracht.

UvlNitzar

520
Register
Herodot [Pseudonym]: Weltchronik der "Jugend"
Monogrammist Frosch: Marterl auf den Campanile
A. De Nora: Mene tekel
Kassian Kluibenschädl: Marterl auf den Campanile
 
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