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Nr. 32

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Angeld Jank (München)

Nr. 32

Sic dieselbe vielleicht verstehen. Wie man im Kriege, wenn
die eigene Uniform nicht mehr zu gebrauchen ist, den Rock
eines lieben Kameraden, der den Heldentod fand, anzieht, um
selbst weiter seine Pflicht thun zu können —"

Der General a. D. verstand. „Ach so," sagte er, „Sie
sind in einiger Verlegenheit. Sie sind plötzlich General ge-
worden und habe» jetzt nichts anzuziehen? Da möchten Sie,
daß ich Ihnen meine Uniform überlasse? Aber selbstverständ-
lich, wir haben ja so ziemlich dieselbe Figur, sie wird Ihnen
schon passen. Lassen Sie sich die Sachen heute Nachmittag
holen. Ich schenke sie Ihnen natürlich. Möchten Sie glück-
licher in dein neuen Rock werden, als ich es war; ich habe
mich über ihn nur zweimal gefreut: als ich ihn zum ersten
Mal anzog und heute, da ich ihn wieder ausziehe. Möge
das Kleid des Brigadekommandeurs für Sie nicht zum Toten-
hemde werden. Nun aber guten Morgen, ich will frühstücken,
zum ersten Mal seit vierzig Jahren als Civilist — das wird
mir aber schmecken."

Der alte General ritt der Sektflasche entgegen, der neue
General aber machte mit seinem Pferde Kehrt und trabte zu
der Truppe zurück. Erst verabschiedete er sich von seinem alten
Regiment, dann übernahm er das Konimando über die Bri-
gade, und schließlich nahm er die Glückwünsche der Herren
Offiziere aus Anlaß seiner Beförderung entgegen. Je »ach
Charakter und Veranlagung sprachen die Herren bei dieser
Gelegenheit mehr oder weniger, am kürzesten aber faßte sich der
neuernannte Oberst von Bedorf: der klemmte sich das Monocle
ein, musterte den neuen General, reichte ihm huldvollst zwei Finger
der rechten Hand und sagte weiter nichts, als: „Viel Glück".

Das klang niederträchtig ironisch, und alle merkten es
auch, selbst der neue General, aber er war klug und weise
und that, als hätte er nichts gemerkt.

Das Verhältnis; zwischen dem bisherigen Oberst und sei-
nen! Etatsmäßigen war ein sehr sonderbares gewesen: der Herr
Oberstleutnant hatte befohlen und der Herr Oberst hatte ge-
horcht. Das hatte seinen guten Grund gehabt. Der Herr
Oberst war ein Strohkopf, der seine Carriere in erster Linie
nicht seinen geistigen Fähigkeiten verdankte, die er nicht besaß,
sondern hauptsächlich seiner Schwester, die mit einem Herrn
des Militärkabinets verheirathet war. Der frühere Oberst-
leutnant aber besaß keine Schwester, geschweige denn einen
Schwager, wohl aber einen sehr Hellen Kopf und hervorragende
militärische Kenntnisse. Er war seinem Oberst in jeder Weise
weit überlegen gewesen, und wenn er diesen auf seine ewige
Frage: „Herr Oberstleutnant, was macht man da? . Was
würden Sie in diesem Falle thun?" nicht stets mit Rath und
That zur Seite gestanden hätte, so wäre der Herr Oberst trotz
aller Verwandtschaft schon längst bei dem alljährlichen Groß-
schwcineschlachten in die Wurst gekommen Nun aber war er
General und der neue Herr Oberst war sehr, begierig, ivelche
Geschäfte er fortan machen würde. Der morgige Tag würde
ja schon eine gewisse Aufklärung darüber briügen. —

Der nächste Tag brach an, und der neue General, in den
Kleidern seines Vorgängers, berief die Offiziere seiner Brigade
zu sich, um den Angriffsbefehl vorzulcscn. Der Befehl war
nicht schlecht. Seine Excellcnz. der der Uebung als Zuschauer
und Kritiker beiwohnte, nickte ein paar Mal znstimmend mit
dem Kopfe, und selbst der neue Herr Oberst hatte nur wenig
auszusetzen, aber für ihn war es klar, daß der neue General
höchstens seine Unterschrift zu dem Befehl gegeben hatte, alles
Andere rührte nach seiner gewissenhaften Ueberzeugüng von
dem Brigadeydjutanten her. So warf er denn auch dem
neuen General einen Blick zu, der da zu sagen schien: „Mich
täuschst Du nicht," und der General verstand diesen Blick und
ärgerte sich maßlos. Trotz der Freundlichkeit, die er ostentativ
zur Schau trug, hatte er sich schon gestern über seinen ehe-
maligen Stabsoffizier geärgert, als dieser ihm gnädig zwei
Finger reichte und nur: „Viel Glück" sagte. Er hatte da-
rüber nachgedacht, ob es nicht zweckmäßig wäre, .jetzt seinen
einstigen Rathgeber in die ihm gebührenden Schranken zurück-
znweisen. Es mußte eine Aendernng eintreten, er mußte dem
neuen Oberst gewaltsam Respekt einflösen. Wie Friedrich der
Große einst seinen Freunden zugerufen hatte: „Meine Herren,
jetzt bin ich König," so wollte und mußte er Gelegenheit
finden, den Anderen mit den Worten niederzuschmettern: „Mein
Herr, jetzt bin ich General!"


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