1902
JUGEND
Nr. 42
Im zwanzigsten Jahrhundert!
vor dem Landgericht in Detmold schwebt ein
neuer Prozeß der Lippe-Weißenfeider Linie
gegen den Graf-Regenten Ernst des Zürstenthums
Lippe, wonach dem Beklagten das Recht der Zu-
gehörigkeit zum hochadeligcn Geschlecht der Gräf-
lich Lippe'schen Lamilie, der Führung der betreffen-
den Wappen und Titel und das Recht, sich künf-
tig als Familienoberhaupt des Gräsiich Lippe'schen
Gesammthauses zu bezeichnen, abgesprochen werden
soll,
was Gchweinenoth, Zölle und Landwirths-
Bund,
Was Russen, Lhinefen und Briten —
viel Bejscres steht jeyt im Vordergrund,
Viel Heiligeres wird umstritten:
Die würde des Hauses Lippe,
Die steht jetzt auf der Rippe!
Es klagen die Lippc-Wcißenfeld,
Hochadlig seit Menschengedenken:
Der Ernst Graf zu Lip pc-B teste rfeld,
Der thäte sic schänden und kränken,
Die Bicsterfeldische Gippe
Gei'n keine richtigen Lippe!
Einst hat ein hochadliger Lippe geruht,
Eine stinple Freifrau zu freien
Und das Lippe-Biesterfeldische Blut
Für ewige Zeit zu entweihen —
Da drehten sich alle Gerippe
3in füöstlichen Grab uin zu Lippe!
Da aus dem verbiesterten Lippe-Geschlecht
Nun Einer führt die Regierung,
Absprcchen ihm Wappen und Namen und Recht
Auf jene erhab'ne Hantirung
Die weißenfeldischen Lippe —
Sic stünden gern selbst an der Rrippcl
Rein bleibe der hochururadlige Stamm
Von jedem Flecken und Tadel!
Hinab mit dem Grafen Ernst in den Schlamm
Zum Bürger und niedrigen Adel!
Er scheitere jäh' an der Rlippc
Hochadligen Geistes der Lippe!
Sic leben, die Edelsten von der Nation,
Die unsere heiligsten Güter
Uns wahren und niedrigen Schnödsinn bedroh'«,
Der Ehre berufene Hüter!
Drum greife zum Glas man und nippe
Auf's Wohl der hochadligen Lippe!
llaiiH
The most honourable Mr. Cecil Rhodesf
Bei m i r gipgs mich ohne Einführung durch den
englischen Gesandten I“
Hus der „Pfarrerkatbl“
(Beilage zürn „Schwarzen Hujust“)
„Etz da bin i net dafür", sagte Rathl,
als sic mit dem Raplan über die Gickcn-
bcrgcrischc Broschüre geplaudert hatte, „was
der da sagt, daß ma schon wegen dem Zölibat
erst in reiferem Alter in den Priesterstand treten
soll — je früher ancr in sei Ordnung
kimmt, desto bcssal"
H o ch w ür de n schimpfte dem Herrn Roo-
perator gegenüber über die kirchlichen Vcr-
hältnilse in Bayern.
„3 woaß net, was der no will!" sagte
Rarhl verwundert. „3 bi recht z'friedcn
mit meine kirchlichen verhältnißl"
6in Morl ;ur realen Zeit
Zn den „Akademischen Monatsheften" schreibt ein
Arzt: „Als Arzt bin ich gegen das übermäßige Trin-
ken; als Lorpsstudent aber muß ich sagen, es wird
zu wenig getrunken. Der Lorpsstudent muß trinken
lernen, das ist das beste Mittel gegen die unschöne
Bezechtheit. Lr muß im spätern Leben in den ver-
schiedensten Kreisen verkehren, wo er sich tadellos be-
nehmen soll; er muß also auch mit Anstand trinken
können, wenn im Dffizierscorps der Ausbildung im
Trinken der gleiche Werth beigemeffen würde wie im
Lorps, dann hätten Rtörchingen und Insterburg
nie die Gemüther erregt."
Das ist mir schon der rechte Wicht,
Der feige vor dem Feinde flieht,
Statt daß er seinen Degen zieht
Und ihn zn Boden sticht!
Ist Euer Feind der Alkohol,
wohlan,'so packt den Aerl, und ranst!
Und rauft mit ihm, indem ihr sauft
Daß ihn der Teufel hol!
Erst wenn der Magen säurefest,
Dann bleibt auch fest das Eapitol!
Dann schadet Euch der Alkohol
Nicht mehr — Probatum est!
Dann nicht nach jedem Siebesmahl
Gibt's ein Pistolon-Lcanclalurir!
Dann heißt es blos: Silentium,
Für einen Bierskandal!
Als Doktor freilich, Sapperment,
Find' ich verwerflich Wein und Bier —
Doch einen Ganzen bring' ich Dir
Als deutscher Lorpsstudent! a. <lc Sio.
DE- Gbrung Zola’s -18W
fin junger deutscher Dichter, der auf diesem nicht
mehr ungewöhnlichen Wege berühmt werden
möchte, bittet litterarifd)e Menschen, gleichviel web
chen Standes und Berufes, um gütige Beiträge zur
Stiftung eines
« « silbernen Eorheerkranzes « «
für das grab des kürzlich gestorbenen französischen
Romanschriftstellers Zola. Sollte der Rranz,
wozu begründete Hoffnung vorhanden ist, von der
ÜVittwe des Verstorbenen nicht acceptirt werden,
so verpflichtet sich der Unterzeichnete, ihn, solange
es seine Verhältnisse erlauben, selbst zu tragen.
Beiträge, womöglich nicht unter 10 Mark, erbeten
das ganze nähr hindurch sub „Pumpus von
Perusia" an die lixpecl. der „Blonden Bestie.“
Alle Zeitungen bringen jetzt Berichte über
den neuen „Messias" Nev. Smith Pigott,
der in London von sich reden macht.
Zwei Burenfreunbe unterhalten sich über
die Affaire: „Sag' mal, glaubst du dös von dem
neuen Messias?" — „Dös glauben? Daß i
net lach'. Weißt, wen» unser Heiland mal
wieder auf d'Welt kimmt, als Engländer
kimmt er g'wiß nit."
Der neue plutarch
„Etz will der Pfarrer Schiller in Nürn-
berg gar an Friedensbund gründen zwischen
Ratholikcn und Protestanten l" jammerte der
Schwarze A u j u st, indem er weinend in
des Schamhaften Adolf Arme sank. „Und
da soll ma net davon reden, daß ma
versolgt weed!"
Ein g ci ft l > ch cr Z entr u m s a b g co r d n e k cr
stellte den Lpzcalprofessor Sickenbcrgcr
zur Rede, weil er in seiner Broschüre erwähnt
hatte, man habe schon einen Halbkretin
zum Priester geweiht.
„San S' z'frieden," gab jener klein bei,
„von Enk Hab' i koan g'moant mit dem Ball'-
kretin!"
keligions-llnterrickt
Es wird berichtet: In einer Münchner Volks-
schule hat der Katechet in der Religions stunde
die Kinder ausgefragt, welche Zeitungen bei
ihnen zn Hause gelesen werden, die Kinde»
Jener, die liberale Zeitungen halten, gegen ihre
Eltern aufgehetzt, ihnen klerikale Blätter empfohlen
und die liberalen „Münchner Neuesten Nachrichten"
gröblich verleumdet.
Der fromme Mann hat, wenn sich Obiges be-
wahrheiten sollte, da gleich Dreie von den zehn
Erstens das IV.: Du soll st Vater n n d M u t-
Geboten gebrochen:
Erstens d>
tor ehren.
Zweitens das VII.: Du sollst nicht stehlen;
denn er stiehlt mit einer derartigen Auffassung seiner
Bcrufspflichten dein Burger, der ihn bezahlt, sein
Geld aus der Tasche.
Drittens das Vlll.: Du sollst kein falsches
Zeugniß geben!
Irren wir nicht, so stellt das Neue Testamcitt
in Ergänzung zn den alten Geboten, Einen, der
also vor den Kleinen ihnt, wie dieser Herr in
der Religionsstunde, als besonderes Ehren-
zeichen noch einen Mühlstein um den Hals i»
Aussicht: „Jugend“
Aus der
lustigen Ecke des „Schwarzen flujnst“
Hochwürden und sein Raplan gingen
miteinander spazieren.
Da blickte letzterer unverrvandt einem hüb-
schen Mädchen nach.
„was schaugcn S' denn so dalkct?"
„Ja, ham G' denn ner im Sickenberg er
g'lescn: Denke über jeden Gegenstand,
der dir begegnet, vernünftig nach?"
70;
JUGEND
Nr. 42
Im zwanzigsten Jahrhundert!
vor dem Landgericht in Detmold schwebt ein
neuer Prozeß der Lippe-Weißenfeider Linie
gegen den Graf-Regenten Ernst des Zürstenthums
Lippe, wonach dem Beklagten das Recht der Zu-
gehörigkeit zum hochadeligcn Geschlecht der Gräf-
lich Lippe'schen Lamilie, der Führung der betreffen-
den Wappen und Titel und das Recht, sich künf-
tig als Familienoberhaupt des Gräsiich Lippe'schen
Gesammthauses zu bezeichnen, abgesprochen werden
soll,
was Gchweinenoth, Zölle und Landwirths-
Bund,
Was Russen, Lhinefen und Briten —
viel Bejscres steht jeyt im Vordergrund,
Viel Heiligeres wird umstritten:
Die würde des Hauses Lippe,
Die steht jetzt auf der Rippe!
Es klagen die Lippc-Wcißenfeld,
Hochadlig seit Menschengedenken:
Der Ernst Graf zu Lip pc-B teste rfeld,
Der thäte sic schänden und kränken,
Die Bicsterfeldische Gippe
Gei'n keine richtigen Lippe!
Einst hat ein hochadliger Lippe geruht,
Eine stinple Freifrau zu freien
Und das Lippe-Biesterfeldische Blut
Für ewige Zeit zu entweihen —
Da drehten sich alle Gerippe
3in füöstlichen Grab uin zu Lippe!
Da aus dem verbiesterten Lippe-Geschlecht
Nun Einer führt die Regierung,
Absprcchen ihm Wappen und Namen und Recht
Auf jene erhab'ne Hantirung
Die weißenfeldischen Lippe —
Sic stünden gern selbst an der Rrippcl
Rein bleibe der hochururadlige Stamm
Von jedem Flecken und Tadel!
Hinab mit dem Grafen Ernst in den Schlamm
Zum Bürger und niedrigen Adel!
Er scheitere jäh' an der Rlippc
Hochadligen Geistes der Lippe!
Sic leben, die Edelsten von der Nation,
Die unsere heiligsten Güter
Uns wahren und niedrigen Schnödsinn bedroh'«,
Der Ehre berufene Hüter!
Drum greife zum Glas man und nippe
Auf's Wohl der hochadligen Lippe!
llaiiH
The most honourable Mr. Cecil Rhodesf
Bei m i r gipgs mich ohne Einführung durch den
englischen Gesandten I“
Hus der „Pfarrerkatbl“
(Beilage zürn „Schwarzen Hujust“)
„Etz da bin i net dafür", sagte Rathl,
als sic mit dem Raplan über die Gickcn-
bcrgcrischc Broschüre geplaudert hatte, „was
der da sagt, daß ma schon wegen dem Zölibat
erst in reiferem Alter in den Priesterstand treten
soll — je früher ancr in sei Ordnung
kimmt, desto bcssal"
H o ch w ür de n schimpfte dem Herrn Roo-
perator gegenüber über die kirchlichen Vcr-
hältnilse in Bayern.
„3 woaß net, was der no will!" sagte
Rarhl verwundert. „3 bi recht z'friedcn
mit meine kirchlichen verhältnißl"
6in Morl ;ur realen Zeit
Zn den „Akademischen Monatsheften" schreibt ein
Arzt: „Als Arzt bin ich gegen das übermäßige Trin-
ken; als Lorpsstudent aber muß ich sagen, es wird
zu wenig getrunken. Der Lorpsstudent muß trinken
lernen, das ist das beste Mittel gegen die unschöne
Bezechtheit. Lr muß im spätern Leben in den ver-
schiedensten Kreisen verkehren, wo er sich tadellos be-
nehmen soll; er muß also auch mit Anstand trinken
können, wenn im Dffizierscorps der Ausbildung im
Trinken der gleiche Werth beigemeffen würde wie im
Lorps, dann hätten Rtörchingen und Insterburg
nie die Gemüther erregt."
Das ist mir schon der rechte Wicht,
Der feige vor dem Feinde flieht,
Statt daß er seinen Degen zieht
Und ihn zn Boden sticht!
Ist Euer Feind der Alkohol,
wohlan,'so packt den Aerl, und ranst!
Und rauft mit ihm, indem ihr sauft
Daß ihn der Teufel hol!
Erst wenn der Magen säurefest,
Dann bleibt auch fest das Eapitol!
Dann schadet Euch der Alkohol
Nicht mehr — Probatum est!
Dann nicht nach jedem Siebesmahl
Gibt's ein Pistolon-Lcanclalurir!
Dann heißt es blos: Silentium,
Für einen Bierskandal!
Als Doktor freilich, Sapperment,
Find' ich verwerflich Wein und Bier —
Doch einen Ganzen bring' ich Dir
Als deutscher Lorpsstudent! a. <lc Sio.
DE- Gbrung Zola’s -18W
fin junger deutscher Dichter, der auf diesem nicht
mehr ungewöhnlichen Wege berühmt werden
möchte, bittet litterarifd)e Menschen, gleichviel web
chen Standes und Berufes, um gütige Beiträge zur
Stiftung eines
« « silbernen Eorheerkranzes « «
für das grab des kürzlich gestorbenen französischen
Romanschriftstellers Zola. Sollte der Rranz,
wozu begründete Hoffnung vorhanden ist, von der
ÜVittwe des Verstorbenen nicht acceptirt werden,
so verpflichtet sich der Unterzeichnete, ihn, solange
es seine Verhältnisse erlauben, selbst zu tragen.
Beiträge, womöglich nicht unter 10 Mark, erbeten
das ganze nähr hindurch sub „Pumpus von
Perusia" an die lixpecl. der „Blonden Bestie.“
Alle Zeitungen bringen jetzt Berichte über
den neuen „Messias" Nev. Smith Pigott,
der in London von sich reden macht.
Zwei Burenfreunbe unterhalten sich über
die Affaire: „Sag' mal, glaubst du dös von dem
neuen Messias?" — „Dös glauben? Daß i
net lach'. Weißt, wen» unser Heiland mal
wieder auf d'Welt kimmt, als Engländer
kimmt er g'wiß nit."
Der neue plutarch
„Etz will der Pfarrer Schiller in Nürn-
berg gar an Friedensbund gründen zwischen
Ratholikcn und Protestanten l" jammerte der
Schwarze A u j u st, indem er weinend in
des Schamhaften Adolf Arme sank. „Und
da soll ma net davon reden, daß ma
versolgt weed!"
Ein g ci ft l > ch cr Z entr u m s a b g co r d n e k cr
stellte den Lpzcalprofessor Sickenbcrgcr
zur Rede, weil er in seiner Broschüre erwähnt
hatte, man habe schon einen Halbkretin
zum Priester geweiht.
„San S' z'frieden," gab jener klein bei,
„von Enk Hab' i koan g'moant mit dem Ball'-
kretin!"
keligions-llnterrickt
Es wird berichtet: In einer Münchner Volks-
schule hat der Katechet in der Religions stunde
die Kinder ausgefragt, welche Zeitungen bei
ihnen zn Hause gelesen werden, die Kinde»
Jener, die liberale Zeitungen halten, gegen ihre
Eltern aufgehetzt, ihnen klerikale Blätter empfohlen
und die liberalen „Münchner Neuesten Nachrichten"
gröblich verleumdet.
Der fromme Mann hat, wenn sich Obiges be-
wahrheiten sollte, da gleich Dreie von den zehn
Erstens das IV.: Du soll st Vater n n d M u t-
Geboten gebrochen:
Erstens d>
tor ehren.
Zweitens das VII.: Du sollst nicht stehlen;
denn er stiehlt mit einer derartigen Auffassung seiner
Bcrufspflichten dein Burger, der ihn bezahlt, sein
Geld aus der Tasche.
Drittens das Vlll.: Du sollst kein falsches
Zeugniß geben!
Irren wir nicht, so stellt das Neue Testamcitt
in Ergänzung zn den alten Geboten, Einen, der
also vor den Kleinen ihnt, wie dieser Herr in
der Religionsstunde, als besonderes Ehren-
zeichen noch einen Mühlstein um den Hals i»
Aussicht: „Jugend“
Aus der
lustigen Ecke des „Schwarzen flujnst“
Hochwürden und sein Raplan gingen
miteinander spazieren.
Da blickte letzterer unverrvandt einem hüb-
schen Mädchen nach.
„was schaugcn S' denn so dalkct?"
„Ja, ham G' denn ner im Sickenberg er
g'lescn: Denke über jeden Gegenstand,
der dir begegnet, vernünftig nach?"
70;
[nicht signierter Beitrag]: Aus der "Pfarrerkathl"
Monogrammist Frosch: The most honourable Mr. Cecil Rhodes †
A. D. N.: Ein Wort zur rechten Zeit
Plutarch [Pseud.]: Der neue Plutarch
Arpad Schmidhammer: Zeichnung zum Text "Aus der lustigen Ecke des 'schwarzen Aujust'"
Redaktioneller Beitrag: Religions-Unterricht
Hanns (Hans): Im zwanzigsten Jahrhundert!
Arpad Schmidhammer: Illustrationen zum Text "Der neue Plutarch"
Edgar Steiger: Ehrung Zola's
[nicht signierter Beitrag]: Aus der lustigen Ecke des "Schwarzen Aujust"
Monogrammist Frosch: The most honourable Mr. Cecil Rhodes †
A. D. N.: Ein Wort zur rechten Zeit
Plutarch [Pseud.]: Der neue Plutarch
Arpad Schmidhammer: Zeichnung zum Text "Aus der lustigen Ecke des 'schwarzen Aujust'"
Redaktioneller Beitrag: Religions-Unterricht
Hanns (Hans): Im zwanzigsten Jahrhundert!
Arpad Schmidhammer: Illustrationen zum Text "Der neue Plutarch"
Edgar Steiger: Ehrung Zola's
[nicht signierter Beitrag]: Aus der lustigen Ecke des "Schwarzen Aujust"