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Nr. 50

JUGEND

1902

Die Zwillingsschwestern

„Gut, Fräulein Mvlly, ich werde Sie heirate». Aber für eventuelle
spätere Verwechslungen übernehme ich keine Garantie!"

Erich Wilke (München)

Liebe Jugend!

Großlichtheim ist ein Ort, der seinem Namen
Ehre macht. Nicht nur besitzt es Acetylenbeleuchtung,
es besitzt auch sonst große Lichter. Täglich von
8 Uhr Abends ab sitzen sie in der „Krone" von
Großlichtheim und reden über Dinge, von denen
Eure Schulweisheit sich nichts träumen läßt. Z. B.
von Kunst, Literatur, Centrum, Sarah Bernhardt,
den Buren, Chamberlain, kurz — von Allem. Und
so redeten sie neulich einmal, als Jeder bei der fünf-
ten Maß war, auch vom Anti-Alkoholismus. Die
einen waren dafür, d. h. für den Alkohol, die an-
dern nicht dagegen. Nur Einer störte die allgemeine
einheitliche Stimmung, indem er behauptete: der
Alkohol sei aller Laster Anfang. Der Eine tvar
nämlich Doktor der Medizin und ergo von Gottes
und der Welt wegen dafür da, immer voll und
ganz und unentwegt für das Gesunde einzutreten
— also auch für die Mäßigkeit. Besonders da er
selber schon 6 Maß intus hatte. Er hielt ihnen
demnach eine fulminante Bier-Rede über den Nach-
theil des Saufens überhaupt und des Bieres ins-
besondere, sprach von Zola's Todtschläger und dem
Jnsterburger Duell, von der Guttempler Loge und
dem Gotenburger System und schloß mit den Worten:
„Thatsache ist, daß ohne Alkohol, bei Milch und
Wasser, die Menschen gesünder wären, älter würden

und eine geringere Sterblichkeit aufwiesen, als sie
ös in Folge des Alkohol- und Tabak-Genusses sind,
werden und aufweiscn. Amen." Dagegen konnte
nun „Keener anstinkcn", wie der Leutnant a. D.
Mayer sich auszudrücken pflegte und eine bleierne
Schwere, die des schlechten Gewissens, lag über
allen, so daß sie kaum die sechste Maß verlangen
konnten, als die Resi hereinkam. Allein als nach
zwei Minuten noch alles stumm war, wie zuvor,
rückte sanft und keck am unteren Ende des Tisches
der Privatier Bierdimpfl seinen Stuhl und sprach:
„ileberhaupts" — er begann nämlich jede Rede
mit „Überhaupts" — Überhaupts is dös nöt wahr!
Dö größte Sterblichkeit hab'n dö Antialkoholiker!"
„Was?" rief der triumphirende Antialkoholdvktor.
„Das müssen Sie einmal beweisen!" — „Ueberhaupts
brauch i dös gar nöt z'beweisen. Denn segns" —
dabei zog der Privatier Bierdimpfl die „Neiesten"
aus der Tasche, — „do steht's schwarz auf weiß:
— .An der Gesammtsterblichkeit der Menschen haben
den größten Antheil die Kinder und besonders die
Säuglinge im ersten Lebensjahre.' Und daß dö
blos Milch und Wasser saufen, dös versteht sich
ber 8ö i Also nachher, wia is jetzt, Herr Doktor?" —
Brausender Jubel belohnte den braven Privatier
Bierdimpfl ob dieser Rede, der Abstinenzler aber
zahlte seine sechs Maß und schlich wie ein begossener
Pudel davon.

Makre 6esd>id>ld>en

In meinem Heimathsorte ist cs Brauch, am
Hochzeitsmorgen einer Jungfrau die sogenannte
Maricnglocke, bei einer Gefallenen indessen das
Armcsiindcrglöckchen zu läuten. Heuer kam nun
auch die Mcierbauernresl daran. Zum Heirathcn
nämlich. Bach Beendigung des Brauteramens
ulkt nun der würdige pfarrherr sie, die im Ge-
rüche besonderer Tugendhaftigkeit steht, gönner-
haft an: „Na, Resl, bei Dir darf ma doch
d'Ularienglock'n läut'n?" D'Resl schlägt, wie
es einer ehr- und tugendsamen INeierbauerntochter
zukommt, „g'schami" die Aug'n nieder und will
eben „ja" lispeln, — da fällt ihr resoluter Bräuti-
gam ihr in die Rede: „wissen's Hochwürd'n,
i moan, a paar pumpera") derffat ma a mit der
andern thoan."

*) Schläge. _

In Karlsbad spricht ein polnischer Jude seinen
Landsmann an: „Sind Sie der Weinstein?"

„Lader, ja," sagt der Angeredetc. „warum lader?"
„Ware ich nix der Weinstein, möchten Sie mich
jetzt nix ansxrechen."
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Erich Wilke: Die Zwillingsschwestern
[nicht signierter Beitrag]: Wahres Geschichtchen
 
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