Nr. 51
JUGEND
1902
TR
F. Rinner
Auf der Rückseite einer Aüchenrechnung, offen-
bar von einer des Schreibens ungewohnten pand:
An das geehrte Christkindl!
Möchte höflich bitten, daß dieses Mal weil
im vorigen Jahr bei kuitschiger perrschaft rein-
gefallen bin. ein ordentliches Grüßkind kriege.
Und wünsche mir nämlich: Ausgeschnittene Schuhe
zum Danzen ohne pake» hinten, 5 paar echte
Filehdekoftrümpf, Saschch mit gefärbte Battist-
lüchcl, l Flasche echte Parfein, und Regenschirm,
sowie Wintermantel, modern. (Oder am liebsten
das Geld dafür und kauf es mir selber, nach
mein Geschmack.
Anna Lübke,
Pausmädchen beim Sanitätsrath.
Eine rührende Stimnie erhebt sich aus dem
Corps de Ballet:
Goldiger Weihnachtsmann! Ich ergreife die
Feder, um Dich zu bitten, föhne meinen Kurt
wieder mit mir aus, damit er wieder gut ist mit
mir und mich wieder abholt nach der Vorstellung
und nach der Probe. Ich kann ja nicht leben
ohne ihn, bei der Gage.
Annie **
Elevin der Lhoreortographie.
Ein mit Firmenaufdruck versehener Geschäfts-
brief lautet:
„wir erlauben uns Ihre Aufmerksamkeit auf
unsere diesjährige Weihnachtsnovität zu lenken.
Dieselbe besteht in einem höchst originellen Gesell-
schaftsspiel, welches „wiener Parlament" be-
titelt ist. Wir bitten Sie zu berücksichtigen, daß
es zweifellos nichts Aktuelleres gibt, und garan-
tiren bei 2llt und Jung einen großen Erfolg.
Zu diesem Spiel gehören möglichst viele Theil
nehmer aller Parteirichtungen. Das Spiel beruht
auf dem Würfelsystem, wer beim Ziel der Spiel-
tabelle angelangt ist, erhält den sogenannten
großen Wurf, d. h. er wird gewaltsam ent-
fernt. Derjenige aber, der die wenigsten Points
erzielt hat, wird zuletzt von den Spieltheilnehmern
exemplarisch durchgeprügelt, während des amü-
santen Spieles wird von den Theilnehmern mit-
telst Pnltdcckeln, Hausschlüsseln, Linealen rc. ein
Heidenlärm vollführt, zu diesem Zwecke liegt dem
Spiele ein Dutzend geeigneter Requisiten bei.
wir sind überzeugt, daß die amüsante Neuheit
das Spiel der Saison werden wird und empfehlen
Gern würde ich noch länger in dieser Fülle
mannigfaltiger Wünsche gewühlt haben, aber
plötzlich erschien der Weihnachtsmann, rückte eine
Lampe heran, fetzte eine pornbrille auf und be-
gann, mit einem Rothstift bewaffnet, Censur zu
üben.
Erst auf dem gehcimnißvollen Rückweg siel
mir ein, daß ich die Zeit eigentlich besser ver-
werthet hätte, wenn ich bei dieser Gelegenheit
selber einen reichlich ausgefüllten Wunschzettel in
die Riste geschmuggelt hätte! Aber ich fürchte,
nach den bisherigen im Leben gemachten Erfahr-
ungen, daß mir wieder Alles „gestrichen" worden
wäre . ..
Paul v. Schönrhan
Der Mann aus äer fremäe
(Frei nach SchiUer's „Mädchen aus der Fremde")
2ln einem Sec im deutschen Norden
Erschien mir jede,» jungen Jahr,
Sobald cs wieder grün geworden,
Ein Mensch gar wun und sonderbar.
Er war nicht an dem See geboren
Und wo's geschah ist unbekannt,
Nur daß ihn München ausgcgohren
Bei Bier und Runst liegt auf der Hand.
Doch auch als „echtes" Münchner Rindcl
Hat warm er für den Sec gefühlt,
Als ob darin die erste Windel
Ihm seine Mutter einst gespült.
Er brachte Pinsel, Staffelcicn
Und bunte Farben mir zuhauf
lind machte alsobald im Freien
Am See ein flott Gepinscl auf.
Denn er war Maler, Landschaftsmaler,
Es war ihm alles andre Wurst,
lind davon hatte er die Thaler,
Sein langes Haar und seinen Durst.
Und wenn der Herbst in's Land gekommen,
Dann zog er heim zum Ifarstrand,
Ws zu der Menschheit Nutz und Frommen
Nun manches schöne Bild entstand.
Die Bilder aber, die er malte,
Sie flogen in die Welt hinein,
Und wer sie nicht in Baar bezahlte,
Gewann sie durch den Runstvcrcin.
So hat er sich im Lauf der Jahre
Rund um den Sec herumgcmalt,
Und weil verkäuflich seine waare,
ward stets die Wiederkehr bezahlt.
Doch schließlich ist er ausgcblicben,
Es wandte mählig sich das Blatt;
Er hat cs wohl zu arg getrieben:
Man sieht sich auch an Seen satt.
Trictlr. Cewcs
Der
WunsAetlelkasteir des WeignilMmamies
Sch bin soeben von einem Besuch im Reich des
Weihnachtsmannes zurückgekehrt. Der Chef
dieses himmlischen Unternehmens ist aus graph-
ischen und plastischen Darstellungen zur Genüge
bekannt; minder verbreitet sind, besonders beini
kleinen Publikuin, richtige Vorstellungen von dem
mit irdischen Verhältnissen gar nicht vergleichbaren
Apparat, der erforderlich ist, um die zu Weih-
nachten übliche Beschenkung rechtzeitig in's Werk
zu setzen. Ich wurde an unmeßbaren Räumen
vorübergeführt, die Aufschriften wie: Nußvcr-
golderci, Papicrkettenmanufaktnr :c., trugen, über
einer mächtigen Thür stand in großen, modern
verschnörkelten Buchstaben „Wachslichtei." Knapp
daneben: „ w u n s ch z e t t e l k a st c n."
Ghne Wahl las ich von der Oberfläche dieses
Zettelmeeres einige Exemplare auf und in aller
Eile naqm ich davon stenographische Abschrift.
Pier sind einige Proben:
Line mit schülerhaften, zwischen Bleistiftlinien
stehenden Schriftzügen bedeckte Postkarte:
An das liebe gute Christkindl im Pimmel!
(wenn abgereist bitte nachzusenden I)
Bitte liebes Christkindl, sieh doch, daß unferm
Fräulein ihr Fuß am heiligen Abend noch nicht
gut ist, denn wenn die dabei ist, benzt sie in
einemfort und wir haben gar nichts von dem
ganzen Abend.
Werner 21.
im Namen feiner ^ Geschwister.
Ein mit violetter Tinte beschriebenes, zierliches
nach Lavendel duftendes Billet mit Goldschnitt:
Lieber, süßer, einziger Weihnachtsmann!
Bitte, bitte, nimm der * (folgt der Naine einer
beliebten Schauspielerin) die große Rolle der **
in dem neuen Stück *** von **** ab, sie kann
sie ja nicht spielen, während i ch für dieses Rollen-
fach engagirt bin und immer nur Dienstmädchen
und Begleiterinnen zu spielen bekomme, wenn
nicht, — reiche ich meine Entlassung ein, und
nehme einen Antrag nach pamburg zu Berger an.
(000 Küsse Deine dankschuldige
Mitglied des ** Theaters.
Auf einem Bogen Conceptpapier, über der
Unterschrift mehrerer Thcaterdirektoren die weih-
nachtsbitte :
„Erlöse uns von allen Ueberbrettln, 2lmen!"
Sein guter Genius A‘ Bothe
864
JUGEND
1902
TR
F. Rinner
Auf der Rückseite einer Aüchenrechnung, offen-
bar von einer des Schreibens ungewohnten pand:
An das geehrte Christkindl!
Möchte höflich bitten, daß dieses Mal weil
im vorigen Jahr bei kuitschiger perrschaft rein-
gefallen bin. ein ordentliches Grüßkind kriege.
Und wünsche mir nämlich: Ausgeschnittene Schuhe
zum Danzen ohne pake» hinten, 5 paar echte
Filehdekoftrümpf, Saschch mit gefärbte Battist-
lüchcl, l Flasche echte Parfein, und Regenschirm,
sowie Wintermantel, modern. (Oder am liebsten
das Geld dafür und kauf es mir selber, nach
mein Geschmack.
Anna Lübke,
Pausmädchen beim Sanitätsrath.
Eine rührende Stimnie erhebt sich aus dem
Corps de Ballet:
Goldiger Weihnachtsmann! Ich ergreife die
Feder, um Dich zu bitten, föhne meinen Kurt
wieder mit mir aus, damit er wieder gut ist mit
mir und mich wieder abholt nach der Vorstellung
und nach der Probe. Ich kann ja nicht leben
ohne ihn, bei der Gage.
Annie **
Elevin der Lhoreortographie.
Ein mit Firmenaufdruck versehener Geschäfts-
brief lautet:
„wir erlauben uns Ihre Aufmerksamkeit auf
unsere diesjährige Weihnachtsnovität zu lenken.
Dieselbe besteht in einem höchst originellen Gesell-
schaftsspiel, welches „wiener Parlament" be-
titelt ist. Wir bitten Sie zu berücksichtigen, daß
es zweifellos nichts Aktuelleres gibt, und garan-
tiren bei 2llt und Jung einen großen Erfolg.
Zu diesem Spiel gehören möglichst viele Theil
nehmer aller Parteirichtungen. Das Spiel beruht
auf dem Würfelsystem, wer beim Ziel der Spiel-
tabelle angelangt ist, erhält den sogenannten
großen Wurf, d. h. er wird gewaltsam ent-
fernt. Derjenige aber, der die wenigsten Points
erzielt hat, wird zuletzt von den Spieltheilnehmern
exemplarisch durchgeprügelt, während des amü-
santen Spieles wird von den Theilnehmern mit-
telst Pnltdcckeln, Hausschlüsseln, Linealen rc. ein
Heidenlärm vollführt, zu diesem Zwecke liegt dem
Spiele ein Dutzend geeigneter Requisiten bei.
wir sind überzeugt, daß die amüsante Neuheit
das Spiel der Saison werden wird und empfehlen
Gern würde ich noch länger in dieser Fülle
mannigfaltiger Wünsche gewühlt haben, aber
plötzlich erschien der Weihnachtsmann, rückte eine
Lampe heran, fetzte eine pornbrille auf und be-
gann, mit einem Rothstift bewaffnet, Censur zu
üben.
Erst auf dem gehcimnißvollen Rückweg siel
mir ein, daß ich die Zeit eigentlich besser ver-
werthet hätte, wenn ich bei dieser Gelegenheit
selber einen reichlich ausgefüllten Wunschzettel in
die Riste geschmuggelt hätte! Aber ich fürchte,
nach den bisherigen im Leben gemachten Erfahr-
ungen, daß mir wieder Alles „gestrichen" worden
wäre . ..
Paul v. Schönrhan
Der Mann aus äer fremäe
(Frei nach SchiUer's „Mädchen aus der Fremde")
2ln einem Sec im deutschen Norden
Erschien mir jede,» jungen Jahr,
Sobald cs wieder grün geworden,
Ein Mensch gar wun und sonderbar.
Er war nicht an dem See geboren
Und wo's geschah ist unbekannt,
Nur daß ihn München ausgcgohren
Bei Bier und Runst liegt auf der Hand.
Doch auch als „echtes" Münchner Rindcl
Hat warm er für den Sec gefühlt,
Als ob darin die erste Windel
Ihm seine Mutter einst gespült.
Er brachte Pinsel, Staffelcicn
Und bunte Farben mir zuhauf
lind machte alsobald im Freien
Am See ein flott Gepinscl auf.
Denn er war Maler, Landschaftsmaler,
Es war ihm alles andre Wurst,
lind davon hatte er die Thaler,
Sein langes Haar und seinen Durst.
Und wenn der Herbst in's Land gekommen,
Dann zog er heim zum Ifarstrand,
Ws zu der Menschheit Nutz und Frommen
Nun manches schöne Bild entstand.
Die Bilder aber, die er malte,
Sie flogen in die Welt hinein,
Und wer sie nicht in Baar bezahlte,
Gewann sie durch den Runstvcrcin.
So hat er sich im Lauf der Jahre
Rund um den Sec herumgcmalt,
Und weil verkäuflich seine waare,
ward stets die Wiederkehr bezahlt.
Doch schließlich ist er ausgcblicben,
Es wandte mählig sich das Blatt;
Er hat cs wohl zu arg getrieben:
Man sieht sich auch an Seen satt.
Trictlr. Cewcs
Der
WunsAetlelkasteir des WeignilMmamies
Sch bin soeben von einem Besuch im Reich des
Weihnachtsmannes zurückgekehrt. Der Chef
dieses himmlischen Unternehmens ist aus graph-
ischen und plastischen Darstellungen zur Genüge
bekannt; minder verbreitet sind, besonders beini
kleinen Publikuin, richtige Vorstellungen von dem
mit irdischen Verhältnissen gar nicht vergleichbaren
Apparat, der erforderlich ist, um die zu Weih-
nachten übliche Beschenkung rechtzeitig in's Werk
zu setzen. Ich wurde an unmeßbaren Räumen
vorübergeführt, die Aufschriften wie: Nußvcr-
golderci, Papicrkettenmanufaktnr :c., trugen, über
einer mächtigen Thür stand in großen, modern
verschnörkelten Buchstaben „Wachslichtei." Knapp
daneben: „ w u n s ch z e t t e l k a st c n."
Ghne Wahl las ich von der Oberfläche dieses
Zettelmeeres einige Exemplare auf und in aller
Eile naqm ich davon stenographische Abschrift.
Pier sind einige Proben:
Line mit schülerhaften, zwischen Bleistiftlinien
stehenden Schriftzügen bedeckte Postkarte:
An das liebe gute Christkindl im Pimmel!
(wenn abgereist bitte nachzusenden I)
Bitte liebes Christkindl, sieh doch, daß unferm
Fräulein ihr Fuß am heiligen Abend noch nicht
gut ist, denn wenn die dabei ist, benzt sie in
einemfort und wir haben gar nichts von dem
ganzen Abend.
Werner 21.
im Namen feiner ^ Geschwister.
Ein mit violetter Tinte beschriebenes, zierliches
nach Lavendel duftendes Billet mit Goldschnitt:
Lieber, süßer, einziger Weihnachtsmann!
Bitte, bitte, nimm der * (folgt der Naine einer
beliebten Schauspielerin) die große Rolle der **
in dem neuen Stück *** von **** ab, sie kann
sie ja nicht spielen, während i ch für dieses Rollen-
fach engagirt bin und immer nur Dienstmädchen
und Begleiterinnen zu spielen bekomme, wenn
nicht, — reiche ich meine Entlassung ein, und
nehme einen Antrag nach pamburg zu Berger an.
(000 Küsse Deine dankschuldige
Mitglied des ** Theaters.
Auf einem Bogen Conceptpapier, über der
Unterschrift mehrerer Thcaterdirektoren die weih-
nachtsbitte :
„Erlöse uns von allen Ueberbrettln, 2lmen!"
Sein guter Genius A‘ Bothe
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