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Nr. 52

JUGEND

1902

Mas ist „Seele"?

Elschen geht mit ihrer jungen Mama in der
Stadt spazieren. Plötzlich bleibt die Kleine mit
dem Ausrufe der Ueberraschung vor einer Auslage
am Maximiliansplatze stehen und betrachtet mit
großen ängstlichen Kinderaugen ein Skelett, das
— tadellos aufgebaut — mit seinem weißen Schädel
vergnügt durch die Fensterscheiben grinst. Endlich
bricht sie los: „Du — Mutti — da schau! —
Der da ist also nicht in den Himmel zum lieben
Gott gekommen — gelt?!"

Die Mama sieht ein, daß ein vierteljähriger
Religionsunterricht entschieden in Elschen noch
nicht ganz richtige Vorstellungen erweckt hat und
beginnt im Weitergehen dem athemlos lauschetlden
Kinde auseinanderzusetzen, wie der Körper des
Menschen auf der Erde bleibe, daß nur die Seele
in den Himmel komme, das heißt, daß der liebe
Gott alles Schöne und Gute im Menschen zu sich
nehme usw. usw.

Am Ende ihrer äußerst schwungvollen Ab-
handlung frägt sie nun Klein-Elschen, selbst
ganz überwältigt von ihren feierlichen Worten,
ob das Mädi jetzt alles verstehe. „(D freilich,
Mutti," ward ihr zur Antwort, „glaubst Du, ich

bi» so dumm?! Also gelt-, des da (das

Skelett!) des bleibt da, — und der Speck,
der kommt in den Himmel!" «. F.

Abens

Kumm, du lütt flaskopp Dink,
dans mit mi rundümkrink,
rund üm den Bom!

Wat de Welt rümmer geiht,
wenn wi uns beiden dreiht,
jüs as in'n Drom!

Kumm, du lütt flaskopp Dev,
hev mi rech hardli lev,
kumm ünnern Bom!

Giv mi din beiden Arm,
küß mi ens wek un warm,
söd as in'n Drom!

O mein lütt flaskopp Deern,
sühs du de klaren Steern
rund üm den Bom?

Hebb wi crs Hochlid geb'n,
schint's uns dörch't ganze Leb'n
jüs as in'n Drom!

Das Bäuerlein im Himmel

(Aus dem Schwiyerdütsch übersetzt)

ein Bäuerlein gestorben,

Recht ein arines, recht ein frommes.
Wic's nun kommt zur Himmelspforten,
Klopft da just ein reicher Herr an;

Der hat auch in Himmel wollen.

Gleich Sankt Peter mit dem Schlüssel
Kommt, schließt auf, läßt ein — den Herrn.

Grad' dem Bäurlein vor der Nasen
Schlägt die Thür zu; und es hört nun
Wie der reiche Herr da drinnen
Wird mit Freuden aufgenommen,

Mit Gesang und Mustka.

Endlich ist es still geworden,

Und Sankt Peter kommt hinwieder,

Holt herein das Bäuerlein.

Und das denkt stch, daß auch ihm nun
Aufgespielt werd' und gesungen.

Doch ist alles still geblieben.

Freilich wohl mit aller Liebe
Wird's empfangen, und die Engel
Freundlich ihm entgegen gehen;

Aber Niemand hat gesungen. —

„Du, Sankt Peter, warum wird denn
Nicht bei mir grad' so gesungen
Wie beim reichen Herrn? Es geht hier
Zn bei euch im Himmel, scheint mir.

So parteiisch wie ans Erden."

Spricht Sankt Peter: „Mißtraunströpflc!
Du bist uns so lieb wie Jener;

Sollst auch alle Himmelsfreuden
Wie der reiche Herr genießen.

Kindskopf, schau: Sv arme Bäurlein
Kommen alle Tag' in Himmel;

Aber eins von den Kameclen,

Die durch's Nadelöhr durchschliefen,
Kommt nur alle hundert Jahre;

Drum wird's mit Musik empfangen.

So; jetzt weißt es. Grüß Dich Gott!"

Als Sankt Peter so gesprochen,

War das Bäuerlein zufrieden.

Silbern klang der Engel Lachen.

Albert üllatlbät

höchst schwungvoller Original krlek
eines Luchbintler-gehilfen

Herren Gebr. Holzhausen!

Wie mir von glaubwürdiger Seite bekannt ge-
worden ist, können Sie in Ihrer w. Binderei noch
Kräste gebrauchen, und nehme ich mir die Freiheit,
Sie ergebenst um geneigtes Engagement zu erbitten,
da ich augenblicklich ohne Condition bin. Ia Zeug-
nisse stehen bereitwilligst zur Verfügung. Sollten
Sie kein Bedürfniß in Ihrer w. Binderei haben, so
würden Sie durchaus keinen Mißgriff machen, mir
einen andern Posten Ihres löbl. Etablissements zu-
kommen zu lassen. Es wäre meiner Meinung nach
leichtere Comptoirarbeiten oder dergl. Es wäre damit
einem meiner hl. Wünsche die Schlüssel gegeben, wo-
durch ich hoffe, endlich auf die neue Bühne meines
Lebens zu kommen, und an die Fallthüre, die sich
in dem unterirdischen Gang so vieler Räthsel öffnet.
Wie mein Schreiben deutlich zeigt, möchte ich am
liebsten der Buchbinderei den Rücken kehren, ver-
anlaßt durch die immer schlechter werdende Con-
junctur, welche selbe im Großen Ganzen zu erleiden
hat, durch das stetige Einerlei, allen Geist raubendes
und den stärksten Empfindungen in humaner Be-
ziehung ausgesetzte Arbeiten. Wenn ich mich auch
anfänglich so dabei durchschlüge, ich weiß ganz gewiß,
daß, wenn mein jahrelanges Streben mit Erfolg
gekrönt, mein Ideal sich zur Wirklichkeit entfaltet, ich
ein viel glücklicheres Los habe, und eher als nützliches
Mitglied der „societas humanum“ die Welt und das
Universum mit geradem Blick anschauen kann. Da
jede Ehrensäule das Herz eines Mannes erhebt, den
man daraus stellt, über den Brodem des Lebens, über
die Hagelwolken der Drangsale und über den Frost-
ncbel der Verdrießlichkeit; so muß man sich das
Paradies eines Menschen ausmessen, der nach langer
Seefahrt endlich die langen User der neuen Welt im
Meere hinliegen sieht. Ich würde mich überglücklich
fühlen, mich Ihrer w. Firma unschätzbar machen zu
können, wenn mein jahrelanges Ideal sich zur volle»
Wirklichkeit entfaltet. Ich werde vieles illusorisch
finden und Lustschlösser, die ich gebaut, werden ohne
allen Ziveifel einstürzen, ich werde nicht eher rasten,
bis mein Geist, der sich jetzt geklemmt und eingekerkert
fühlt, das Gefängniß sprängt, in welchem er sitzt,
mag er noch wie ein Vogel seine Flügel gegen das
eiserne Gitter schlagen, hoffendlich werde ich von
Ihnen verstanden und werden Sie in Ihrer über-
aus großen Güte, die Zeit nahe bringen, wo ihm
Erlösung wird.

Einer geschätzten Antwort entgegensetzend, zeichnet
mit Hochachtung

Ergebenst Fritz K ....

Zoläalenleben

(mit Zeichnung von A. Münzer)

Schatz, mein Schah, reise nicht so weit von hier.
Zm Dolengarten will ich Dein erwarten,

2m grünen lllee, Zuhe, im weihen Schnee.

O. Mentork

LuscdtNgs iis-em klsass

Der monsieur Jerry zum monsieur
Jules, erzählend:

„Vous rappelez-vous encore feilt
histoire wie zellemols do drüffe arri-

virt isch-im e kleine village --

comment donc, — — — wie heißt's
doch g'schwind — — —? — — —
S'tabrt in er justement so im Mül

erum-*

riet monsieur Jules:

„Eh ben, dernot sperre Sie's Mül
emol uff, villicht kenn ich's am Kirich»
durin!"

Leo Prochownik (Berlin)

Weiner zu erwarten, das gebrauchest
Du ja nicht.

6eh zu Deinen Deichen, zu Deines-
gleichen,

Lah die Armen steh'n, lah die

Armen steh n.

Zch heirathe nicht nach 0eld und

nicht nach 0ut.

Eine treue Seele, wie ich's erwähle,
kDer's glauben will, wer's glaubenthut.

Wer'; glauben thut, der ist lo weit

von hier.

Er ist in Schleswig, er ist in Holstein,
Er ist Soldat, juhe, und bleibt Soldat.

88r
Register
Leo Prochownik: Medaillon
[nicht signierter Beitrag]: Luschdigs üs-em Elsass
Albert Matthäi: Das Bäuerlein im Himmel
O. Wentorf: Abends
[nicht signierter Beitrag]: Höchst schwungvoller Original-Brief eines Buchbinder-Gehilfen
[nicht signierter Beitrag]: Soldatenleben
R. F.: Was ist "Seele"?
 
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