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Nr. 52


Der Melknacktskase

G deutscher Michel, nun hast Du doch
Noch einen weihnachtsbraten I
Rasch ist er zustande gekommen noch
Sammt Zu- und anderen Thaten.

Am Anfang schien die Sache fatal
Und nichts mehr zu erhoffen;

Die Röche wußten gar nicht einmal,
wohin der Hase geloffcn.

Dann als er endlich war zur Stell',
wollt' cs noch lange nicht glücken,

Ihm über die Ohren zu zieh» das Fell
Und ihn mit Runst zu spicken.

Doch, Gort sei Dank nun endlich ist Ruh!

Der Has' wird aufgetragcn --

Nun wünsch' ich Dir weiter nichts dazu
Als eine» guten Magen I Jugend"

Aus dem heutigen Zukunftsstaat

In den Grusenwerken wurden zwei Arbeiter ent-
laßen, weil sie sich weigerten, die Dankadresse der
Krupp'schen Arbeiter an den Kaiser zu unterschreiben.

„Wer nicht pariert, der fliegt hinaus!"*)
Der alte Liebknecht ist noch nicht vergessen.
Schon heute blüht sein Zukunstsstaat —-
In Schichan, Mag beb nrg und Essen.

Ich aber, war' ich Herr im Hans,

Und kamen sic mir huldigend genaht,
Höchsteigenhantig würf' ich sie hinaus,

Die edlen „Macher" solcher Dankadressen!

„2ugend"

*) Ausspruch Liebknechts auf dem sozialdemokrati-
schen Parteitag in Halle 1890.

Graf Bülow und die Bierbrauer

wortbrüchig ich? Ihr seid wohl toll?

Mas thnt das bischen Gerstenzoll?

Rein Mensch muß Gerste essen.

Drum Hab' ich für den Zoll gestimmt;

Denn das; zum Bier man Gerste nimmt,
Das hatt' ich ganz vergessen!

Cri-C’ri

Der neue Plutarcb

warum ham's denn cigentli 'n Münchner
Lcntrumsparrcitag auf'n Larneval ver-
schob'» 7

Na, weil halt im Laencval erscht 'sHof-
bräuhaus-Märzenbicr ausg'schenkt wcrd!

. J U GEN D .

Vom luftigen Mittelalter

Bischof Keppler von Rottenburg Hai jüngst eine
Rede gegen den Reformirakholizismus gehalten
und unter Anderm gesagt: „Der Katholizismus
müsse an die Bildung des Mittelalters an-
knüpfen, solle mehr mittelalterlich als modern
sein. Aeußerlich grob, innerlich edel ist der
Geist des Mittelalters, äußerlich kultivirt,
innerlich gemein ist der Geist der Moderne."

Es war im schönen Mittelalter
Roch eine Lust, ein Christ zu sein:

Da beteten ste ihre Psalter
Und mischten sich in sonst Nichts drein!
Da war kein Fortschritt zu bedauern,
Roch unbekannt war der Begriff,

Und Fürsten, Bürger, Herrn und Bauern,
Sie tanzten, wie der Llerus pfiff!

Da lasen sie noch keine Blätter —

Sie lasen überhaupt noch nicht! —

Und hielten jedes Donnerwetter
Roch sür des Himmels Strafgericht.

Da wagten sie noch keinen Zweifel,

Da gab es keine Toleranz,

Da glaubten sie noch an den Teufel
Mit seinem furchtbar langen Schwanz!

Da steckten sie nicht ihre Rase
Zn Alles ohne Scheu und Scham —

Zum Beispiel, wenn einmal die Base
Des Pfarrers in die Wochen kam;

Da klatschten sie nicht miteinander
So boshaft, wie sie heute sind,

Wenn mal ein Papst, wie Alerander,

Zur Buhle nahm sein eignes Kindl

Da zog noch froh mit seinem Kasten
Der Ablaßkrämer durch die Welt,

Und der Dispens von Lh' und Fasten
Trug einen schönen Batzen Geld;

Da untergruben ste den Glauben
Roch nicht durch schnöde Wissenschaft —
Und Geißeln gab's und Daumenschrauben
Und Folterbank und Kerkerhaft!

Da stieg aus Scheiterhaufengluthen
Roch exquisiter Bratenöuft
von Hexlein, Ketzervolk und Zuden
Süßbrenzlich manchmal in die Luft;

Da scherte sich ein Bischof wenig
Um andrer Leute Recht und Brauch;

Da kam der Papst noch vor dem König,
Und vor dem Herrgott kam er auch!

Da winselte im Büßerhemde,

Bei Winterfrost mit bloßem Fuß,

Lin deutscher König in der Fremde
Um Gnade bei Gregoriusl
Da hat noch Zeder vor dem Schädel
Lin Brett getragen, dick und breit —

Za: außen grob, doch innen edel
War jene gute alte Zeit!

Ji.-ms

Zu viel Gnade!

Die Berliner Blätter wollen wissen, daß der
Kaiser dem Reichskanzler Grafen Bülow für
das Zustandebringen des Zolltarifs den Fürsten-
titel angeboten, der Graf aber ihn ausge-
schlagen habe. Das Tempo war Bülow offenbar
zn rasch. War's in dieser Pace weitergegangen,
so hatte er sich in zwei Jahren schon als Herzog
von Sch—lauenburg in's Privatleben zurück-
ziehen können! — » —

1902


„Der Mohr hat seine Schuldigkeit gethan,
der Mohr kann gehen!"

(Der Kaiser hak bestimmt, daß vom J. April J 903
ab schwarze Offiziers-Mäntel nicht mehr
getragen werden dürfen.)

tteues von Serenissimus

Serenissimus ist auf einer Wildentenjagd. Am
Damm komnit er neben Kindermann zu stehen.
Zwei Enten kommen auf Kindermann zugeflogcn;
Serenissimus ruft: „Obacht, Kindermann, Enten!"
Natürlich machen die Enten kehrt und Kindermann
bittet Serenissimus allerunterthänigst, doch nicht
rufen zu wollen, die Enten würden sonst ver-
scheucht. —

Nach einer Weile kommen abermals Enten
auf Kindermann zugeflogen.

Sercnissinnis ruft: „Lanarcls ! — Canards !“

Die Enten flogen wiederum weg.

Serenissimus: „Aeh, mein Lieber, verstehen
denn die Enten auch französisch?"

Kindermund

Lehrer: Erwin, sage uns einen nackten Satz.

Erwin: „Weine Schwester ist dekolletirt."

Der neue Plutarcb

„San S' denn narrisch wor'n, daß S' 'n
ganzen Tag ,3a‘ schrei'» wie a Esel?"

„Z üb' ini bloß — i möchr' der neuen
„Raiscrpaetei" beikreren."

„Meine Herren," sagte der Herausgeber
der „Jugend" zu seinen Redakteuren, „die
Jugend soll sich ein Beispiel am alten
Mommsen nehmen!"

„wieso? Soll sie auch mit den Sozial-
demokraten Bruderschaft machen?"

„Nein, aber sic soll schauen, daß sic auch
im öS. Jahrgang noch so jung ist, wie crl"

890
Register
Cri-Cri: Graf Bülow und die Bierbrauer
-a-: Zu viel Gnade
Hanns (Hans): Vom lustigen Mittelalter
[nicht signierter Beitrag]: Neues von Serenissimus
Arpad Schmidhammer: Illustration zum Text "Der neue Plutarch"
[nicht signierter Beitrag]: Aus dem heutigen Zukunftsstaat
Plutarch [Pseud.]: Der neue Plutarch
Redaktioneller Beitrag: Der Weihnachtshase
Monogrammist Frosch: Illustration zum Gedicht "Der Weihnachtshase"
Monogrammist Frosch: Der Mohr hat seine Schuldigkeit gethan
[nicht signierter Beitrag]: Kindermund
 
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