1903
Sie konnte jetzt ohne Zittern die Thür eines Zimmers öffnen,
in welchem sie ihren Mann mit einer Dome wußte; sie fand sie jetzt
stets in gebührender Entfernung, wie sie sich über die harmlosesten
Fragen unterhielten, hauptsächlich über den Regen und das schöne Wetter.
Sie konnte furchtlos in die Rüche treten, wenn Soupirail dort
war; sie überraschte ihn höchstens, wie er im Begriff war, dem Dienst-
mädchen über die Bereitung der Mayonnaisen neue Borizonte zu öffnen.
Nur ein einziges Mal wurde der Zauber gebrochen.
Aergerlich über das beständige Klappern, das die Retten hervor-
brachten, sobald sie den Fuß bewegte, glaubte Madame Soupirail, diesen
Zierrat ablegen zu können. Von ihren Eisen befreit, machte sie sich an
ihre Beschäftigungen, doch als sie in das Eßzimmer trat, ward ihr die
unangenehme Ueberraschung eines jener lebetiden Bilder zu Theil, an
die sie nicht mehr gewöhnt war.
Sie war ganz bestürzt darüber.
Doch Soupirail faßte sich schnell und sagte mit größter Ralt-
blütigkeit:
„Unglückliche! Daran bist Du schuld, Du nur ganz allein; warum
hast Du die Rettchen abgenommen? Sie sind es ja gerade, welche die
magische Rraft ausüben. Ich habe es Dir doch ausdrücklich gesagt,
damit Du sie, wenn die Stiefel abgetragen sind, an ein neues paar
annähen kannst."
Madame Soupirail war überzeugt — wenigstens that sie so, —
sie nähte die Rettchen wieder an, und seitdem ist der Friede des ljauses
nie wieder gestört worden.
Meibnacbten in der Kaserne
(Sin wahres Geschichtchen)
Die Rompagnie ist um den Thristbaum versammelt. Der lserr
lsanptinann tritt unter sie und beginnt die Feier:
„Leute! wie Ihr Alle wißt, feiern wir heute das liebe weih
uachtsfest, den Tag, an dem vor bald 2000 Jahren der Beiland der
1 Veit geboren wurde. Es ist darum ein Fest der Freude für die ganze
Christenheit und um die Freude noch zu erhöhen, beschenkt man sich.
So sollt auch Ihr Euch über die kleinen Geschenke, die Ihr bekommt,
recht freuen, und ich wünsche Euch überhaupt, daß Ihr Euch heute und
an den beiden Feiertagen recht gut amüsiert; aber — daß Ihr Euch
nicht mit schlechten Dirnen herumtreibt. wer mir nach den Feiertagen
krank daherkommt, stiegt ins Loch. Merkt Euch das, Ihr Bengels!-
So, Feldwebel, lassen Sie singen:
Stille Nacht, heilige Nacht."
Beaute du diable
(Zur Zeichnung von A, Münzer)
Das war Avette, die da in Seide
Vorbeigcrauscht, voll Glanz und Chic,
Den Männern süße Augenweide —
Sie folgen ihr mit trunknem Blick!
Ich auch! — Und wenn ich's recht beschaue.
Fehlt ihr zur Schönheit noch genug,
Zu breit und üppig ist die Braue,
Die Stirne weder rein, noch klug!
Zn stumpf mit den geblähten Nüstern
Das Näschcn, und der Mund zu voll,
Zu roth, zu durstig und zu lüstern
Nach Einem, der ihn küssen soll!
Die dunklen Dajadcrenaugcn
Im elfenbeinernen Gesicht,
Zu wissend und zu groß — sic taugen
In solch' ein Kindcrantlitz nicht!
Geschmeidig wohl und lcichtbcwcglich.
Doch schmal und hager die Figur —
Und ihr Geplapper schwer erträglich,
Von Geist und Anmnth kaum die Spur!
Sie ist und bleibt ein Gasscnmädcl,
Trotz all' des täuschenden Frou-Frou —
Und doch verdreht sie uns die Schädel!
Woher der Zauber? — Weißt es Du?
Muster 1903 ». Fritsch
„Warum sollte man den Raglan nich auch zur Uniform tragen? Er
macht famose Fijur und jedenfalls auch brillanten Eindruck in England!"
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