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Der

anständige Kerl

sie Ocrrcit Selectaner hatten
ihre vorschriftsmäßigen
Einladungen für Sonntag nach
Berlin erhalten.

Was das heißt, ein Sonn-
tag in Berlin für einen könig-
lich preußischen Kadetten mit
nicht allzuviel, doch etwas Geld
in der Tasche — das können
sich wahrscheinlich die Wenig-
sten vorstellen! Ls ist nicht
leicht, sich in die Gefühle eines
frcigclasscnen Gefangenen hiu-
einzuleben, wenn man noch
nicht im Gcfäugniß war, aber
so ungefähr ninß es sein, —
wie ein Vogel, der, seinem Kä-
fig entwischt, nach langer Zeit „

wieder das erste Mal seine
Schwingen gebraucht und merkt,
daß er noch fliegen kann!

Nur die.vorschriftsmäßigen'

Vnkcls und Tanten hatte man
besucht, nienschcnwürdiges Futter genabt, ebenso
anständiges Kraut zum Rauchen und war, was
haste, was kanuste, in's Livil geschlüpft. Am ver-
abredeten Platz hatte man dann die Kameraden
getroffen und außerdem noch einen alten „Lcidens-
genossen", der nun schon stolzer Leutnant war.
Bei, das war ein Bummel, nur eine „Affen-
schande", daß solche Stunden nur halb so kurz
sind, wie die an Wochentagen. Man war auf
dem Beimweg begriffen, nun hieß es, wieder
hinein in die Uniform und höllisch Acht geben,
noch den richtigen Zug zu erwischen. So schleu-
derten sie denn lustig scherzend, die letzten Minuten
der Freiheit noch besonders ausnützend, eine der
weniger belebten Straßen Berlins dahin.

Lin Mädchen bcnierkte sie und glaubte an
die Rechten gekommen zu sein. Mit süßlockendem
Lächeln auf dem abgehärmten Gesicht, spricht sie
-die vorübergehenden an. In demselben Augen-
blick eilt ein Berr nnt martialisch aufgewirbeltem
Schnurrbart von der gegenüberliegenden Seite der
Straße auf die Gruppe zu und mit siegesbewußter
Miene, seines Mpfers gewiß, — wie ein Raubvogel
sich auf seine Beute stürzt — redet er sie an mit
den Worten: „Nicht wahr, meine Berrcn, diese
Dirne hat Sie belästigt?"

Die Situation war klar. Zu Tod erschrocken
fleht das arme Wesen mit ihren Augen die jun-
gen Krieger an. — „Kerl, was fällt Ihnen ein,
meine Lousine zu beschimpfen! Sind Sie betrunken
oder total verrückt?" war die augenblickliche Ant-
wort des Einen. „Meine Berren, ich sehe mich
genöthigt, Ihre Personalien festzustellen, — ich
bin Geheimpolizist." „Und wenn Sie Polizei-
präsident wären, so haben Sie kein Recht, eine
verwandte von mir auf offener Straße zu be-
leidigen, ich bin Graf — — im-Garde-

regiment."

Der übereifrige Beamte schien Unrath zu wit-
tern, wenn auch der pcrr im Livil steckte, so war
doch seine ganze Sprechweise zu unverfälscht mili-
■ tärisch, unwillkürlich nahm er die Backen zusam-
men und beim Nennen des Namens suchten seine
Bände die altgewohnte Bosennaht, und mit den
Worten: „Ich bitte gehorsamst um Verzeihung,
Bcrr Graf," machte er auf der Stelle Kehrt
und — „ward nicht mehr gesehen," doch was
hinter ihm hcrschallte, bleibt besser wegen des
»»parlamentarischen Ausdrucks verschwiegen.

Um die Form aufrecht zu erhalten, begleiteten
die Freunde ihren Schützling noch bis zur nächsten
Straßenecke. Dann lüftete der Jüngste von ihnen,
der der Sprecher gewesen war, seinen B"t und
trennte sich von ihr mit den Worten: „verzeihen
Sie meine ganz gemeine Lüge, denn Leutnant
bin ich zwar noch nicht, hoffe es aber mal zu

J. Wucherte (München,

RATHSHERRNTOCHTER

werden. Es war eine Nothlüge. Doch ich weiß
zu genau, was diesen Kerls imponirt!

Das war ein fidcler Sonntag! Und besonders
denkwürdig war dessen Abschluß für de» jungen
Grafen X. Bis zum heutigen Tag hat er ihn
nicht vergessen und auf den Titel, den ihm da-
mals seine Freunde verliehen, gibt er fast mehr,
als auf seinen gräflichen Namen. Der Titel
lautet: Der anständige Kerl!

Zwei Jahre später. Der „anständige Kerl"
ist vor Kurzem Leutnant geworden und eben
todtmüde von einer Felddienstübung nach Bause
gekommen. Er sitzt vor dem Schreibtifch und
mustert die Postsachen, die eben für ihn gekommen
sind. Lin kleines packet ist darunter — er öffnet:
ein Dutzend schöne, weiße Battisttaschentücher mit
wundervoll gesticktem Monogramm und der neun-
zackigen Krone darüber! Ein Kärtchen dabei,
ohne Unterschrift:

„Bochverehrter Berr Graf! vor ein paar
Jahren haben Sie ein arnies Mädel, das Elend
und Verzweiflung zum ersten Mal auf die Straße
getrieben hatten, vor der Schande bewahrt, wissen
Sie noch? Sic haben mich damals wieder an
die Menschen glauben lassen und ich habe die
Kraft gefunden, mich als Stickerin wieder durch-
zuschlagen. Nehmen Sie das kleine Andenken
hier freundlich an. Morgen werde ich eines an-
ständigen Mannes Frau!" Kram

A. Schmidhammer

Schwäbische Weisheit

„Wisset Se, 's beschte Jäckle für so a kalts
Jahreszeitle ischt eben e Cognakle!"

EandlidvSittHcb

In einem mecklenburgischen
Dorfe war eine Bauernhoch-
zeit gefeiert worden. Am fol-
genden Tage fragt der Lehrer
die Schulkinder: „Was ist eine
Hochzeit?"

Ein kleines Mädchen hebt die
Hand hoch. „Na, Mile?"

Mile, die schon viele Hoch-
zeiten mitgemacht hat, sagt:
„Wenn ein kleines Kind ein'
Vata bekommt."

Zarte Andeutung

In einer vornehmen Gesell-
schaft befindet sich ein Student,
der den aufgetifchten Getränken
in allzu icbhafter weise zu-
spricht. Sein Sitznachbar, den
dies mit Rücksicht auf die Gast-
geber peinlich berührt, stoßt den
Studenten au und flüstert ihm
zu: „Aber so trinken Sie doch!"
„Was wollen Sie?" erwidert der Nusensohn,
„ich trinke ja!"

„Pardon", versetzt der andere lächelnd, „Sic
trinken nicht, Sie — saufe n."

Eine lehrreiche Fabel

Ls waren einmal zwei Proleten,

Die standen vor dem Gericht.

Der Line hatte Moneten,

Der Andere hatte sie nicht.

Der Line hat meingeeidigt,

Er war ein sauberer Wicht.

Er wurde trefflich vertheidigt,

Der Andere wurde es nicht.

Der Zweite halt' gar nichts begangen,

Er lebte bescheiden und schlicht.

Er war untersuchungsgefangen,

Der Line aber war's nicht.

Beantragt wurden sechs Wochen
vom Staatsanwalt vor dem Gericht.

Der CEiitc ward freigesprochen,

Der Andere wurde es nicht.

Da kann man wieder mal sehen,

Was oft für Unrecht geschicht.

Es ist in China geschehen,

Bei uns passir't so was nicht.

«arl L tlinger

lOralrtisdie HrithmetiU

Lehrer (in der Elementarschule): Wer kann
mir sagen, wie viel ist zwei mal sechzig?
Moriz (rufend): Eine Mark zwanzig!

In der LeiftbibliolBek

Dame: „Ich hätte gern etwas von Nietzsche,
was können Sie mir da empfehlen?"

Lommis: „vielleicht .Ienfeits von Gut
und Böse' oder ,Zarathustra?'"

Dame: „Ach geben Sie mir ,Zarathustra."'
Lommis (nach längerem Suchen): „Zara-
thustra ist aber augenblicklich nicht da."

Dame: „Na, dann nächstes Mal. Für
heute geben Sie mir dann etwas Anderes.
Ist das .Gänseliesl' von dcrEschstruth da?"

„Man"

Sergeant (in der JnstruktionSstimdc):
„Wir haben also in Bayern 6 Chevaulegers-
Regimenter. Das Wort „Chevauleger" wird
aber sehr komisch geschrieben." (Cr buchslabirt
eS.) „Warum es eigentlich so dumm ge-
fchrieben wird, das weiß man nicht."
Register
Kram: Der anständige Kerl
Karl Ettlinger: Eine lehrreiche Fabel
Joseph Wackerle: Rathsherrntochter
Arpad Schmidhammer: Schwäbische Weisheit
[nicht signierter Beitrag]: Ländlich-sittlich
[nicht signierter Beitrag]: Zarte Andeutung
[nicht signierter Beitrag]: Praktische Arithmetik
[nicht signierter Beitrag]: In der Leihbibliothek
[nicht signierter Beitrag]: "Man"
 
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