1903
. JUGEND -
Nr. 2
3ubelbymne
zur Ankunft öfterere bumverts
Hurvvah! Hurrahl Hurrahl I
Ist'« möglich, was ich Icjcl
Theres' ist wieder da?
Sei mir gegrüßt, Therese!
Ich wähnrc schon, ich säh' Dich nie
Mehr wieder, größtes Pumpgenie
Von ganz Europial
willkommen I Sei willkommen,
Theres', in unfern Rcih'nl
Die Bösen und die Frommen
wie werden ste stch sreu'n!
Vor Jubel stellt stch auf den Ropf
Sogar der alte Hoscnknopf
In Deinem Lajscnschrein!
Die Anwalt' und die Richter,
Der Lhcs der Republik,
Und gar das Prcßgclichter —
Sie strahlen jetzt vor Glück!
Sogar der Papst spricht unfehlbar:
»Jetzt krieg' ich meinen Segen gar
Am Ende auch zurück." a. i>. if.
SBirme-Zauber
Linen JaubertranK zur Lrregung der Liebe, den
Üe „Rränner-Anziehungs- und Lrftischungskrank"
nannte, hat eine Berliner Wittwe an verschiedene
Berliner Frauen verkauft. Bei der gerichtlichen Ver-
handlung wegen Betrugs konnte sie aber nicht ver-
urtheilt werden, da zahlreiche Kundinnen bezeugten,
die angepriescne Wirkung sei nicht ausgeblieben.
Ihr arnien Münchner Mädln,
Ihr habt halt keinen Sinn,
Die Liebe zu veredeln,
wie die Berlinerin.
So eine Münchner Nock'n,
Die meint, es sei schon gnu',
Die Männer anzulocken
Mit freundlichem Gethu';
Und lebt dabei zufrieden
Dann auch in ihrer LH';
Doch von den Kanthariden,
Da hat sie ka Idee!
Drum wenn einmal die Liebe
versagt bei Eurem Mann,
So facht die schwachen Triebe
Auf andrem Wege an!
Gebt ihm das Zaubertrankl
Zu trinken bald nach Tisch.
Ihr werdet sehn, der Schlank!
wird dann auf einmal frisch.
A. I>. IS.
Der moderne Dericbtsuollzieber
(«ine Ehrenrettung)
Personen mit subjektiv getrübtem Urtheil sind
stets leicht geneigt gewesen, diesen Beamten für
ein pandämonium aller möglichen Niederträchtig,
keiten zu halten.
Ls rührt dieses vorurtheil aus jenen finsteren
Zeiten her, in denen eine verhängnißvolle Ver-
tranung der Ehrbegriffe den Schuldner bewog, jede
gerichtliche Pfändung als eine ihm persönlich zu-
gefügte Kränkung anzusehen.
Die milde, humane Denkungsart unserer Tage,
welche auch das „Schulden machen" als wesent-
lichen Faktor im „Kampfe ums Dasein" wissen-
schaftlich bewerthete und selbst dem bösartigsten
„Pumpen" eine tiefe psychologische Begründung
gibt, hat auch die soziale Stellung des Gerichts-
Vollziehers bedeutsamer gehoben und ihn geradezu
zu einem „Liebling" der modernen Gesellschaft
gemacht.
Ja, er ist das versöhnende Element geworden,
weil er es sich zur Aufgabe gemacht hat, zwischen
Gläubiger und Schuldner möglichst herzliche Be-
ziehungen herzustellen und mit feinem Gefühl die
Schroffheit des gegenseitigen Verhältnisses zu
mildern.
Ls ist eine wahre Freude, ihn bei seinen offi-
ciellen „Visiten" beobachten zu dürfen:
wie chevaleresk küßt er der „Gnädigen" die
kfand, wie geschickt weiß er eine geistvolle Lau-
serie zu eröffnen (er ist in allen Sätteln gerecht,
selbst Nietzsches „Umwerthung der werthe" ist
ihm geläufig) und seine Mission in die verbind-
lichsten Worte zu kleiden, um während dessen,
gleichsam wie spielend, seine hübschen „blauen"
Siegel in der diskretesten weise anzubringen.
Galant ist er der ältesten musizierenden Toch-
ter beim Notenumschlagen behilflich und drückt
gleichzeitig sein kleines „Souvenir" unter den
Deckel des Pianoforte.
Aufrichtig bewundernd steht er mit der „Jüng-
sten" vor dem neuesten Leistikow und versteht es,
durch eine unauffällige Bewegung ihr in zartester
weise das Armband von der Vaud zu streifen.
freut sie stch gerade der wohlwollenden Rücksicht
unseres modernen Gerichtsvollziehers. Der gute,
biedere Exekutor der „alten Schule" konnte es
doch bei gewissen Gelegenheiten nicht unterlassen,
eine kleine hämische Bemerkung zu machen, die
durch seine subalterne Auffaffung des Lebens be-
dingt war.
Traf er z. B. am frühen Morgen im Zimmer
des unverheiratheten Schuldners eine — honny
soit, qui mal y pense — dann!! — dann zwin-
kerte er höchst bedeutsam mit den Augen und
verzerrte seine Gesichtsmuskeln zu einem teuflischen
Grinsen.
„Ei, ei, — schau, schau — recht nett! — der
feine kferr — bezahlt wird natürlich nichts —
aber! —"
Dieses waren so die gewöhnlichen, im tiefsten
Grunde empörenden Redensarten, welche natürlich
die Dame in tödlichste Verlegenheit versetzten und
dem unglücklichen Schuldner den Schweiß aus
allen Poren trieben.
Nein, heute unterdrückt der weltgewandte
Beamte jede verletzende Bemerkung und überreicht
wohl gar in artiger weise der Dame die rothe
Rose oder Nelke, welche er gewöhnlich im Knopf-
loch zu tragen xfiegt.
Aber selbst bei modernen „Vollstreckungs-
aktionen" können Komplikationen eintreten, die
unter Umständen von fürchterlicher Wirkung sind!
wenn z. B. der Beamte zusammen mit dem —-
Geldbriefträger auf der Bildfläche erscheint! Dann
— ja dann pflegen selbst moderne Lxekutoren die
Raubthiernatur eines Tigers hervorzukehren.
Energifch drängt er sich im geeigneten Moment
zwischen die „gebende" und „empfangende" Partei,
um sich im entscheidenden Augenblick auf den
Raub zu stürzen. Ifier kann uns nur ein heroischer
Entschluß retten! Nachdem man dem Boten einen
kurzen verständnißvollcn Wink gegeben, stürzt man
sich wie in einem plötzlichen Taumel verliebter
Raserei auf den Gerichtsbeamten, umklammert
ihn unter den zärtlichsten Koseworten und hält
ihn solange fest, bis die „Sendung" glücklich in
Sicherheit gebracht ist.
Meistens pflegt sich dann auch der Gerichts-
vollzieher in die veränderte Situation mit gutem
kfumor zu schicken.
Im ganzen kann man aber immer wieder
den Schuldnern eine Variation des Goetheschcn
Wortes als Regel empfehlen:
„Geh dem Manne zart entgegen,
Du gewinnst ihn — auf mein Wort;
Dem, der dreist ist und verwegen,
Nimmt er sicher alles fort."
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zur Ankunft öfterere bumverts
Hurvvah! Hurrahl Hurrahl I
Ist'« möglich, was ich Icjcl
Theres' ist wieder da?
Sei mir gegrüßt, Therese!
Ich wähnrc schon, ich säh' Dich nie
Mehr wieder, größtes Pumpgenie
Von ganz Europial
willkommen I Sei willkommen,
Theres', in unfern Rcih'nl
Die Bösen und die Frommen
wie werden ste stch sreu'n!
Vor Jubel stellt stch auf den Ropf
Sogar der alte Hoscnknopf
In Deinem Lajscnschrein!
Die Anwalt' und die Richter,
Der Lhcs der Republik,
Und gar das Prcßgclichter —
Sie strahlen jetzt vor Glück!
Sogar der Papst spricht unfehlbar:
»Jetzt krieg' ich meinen Segen gar
Am Ende auch zurück." a. i>. if.
SBirme-Zauber
Linen JaubertranK zur Lrregung der Liebe, den
Üe „Rränner-Anziehungs- und Lrftischungskrank"
nannte, hat eine Berliner Wittwe an verschiedene
Berliner Frauen verkauft. Bei der gerichtlichen Ver-
handlung wegen Betrugs konnte sie aber nicht ver-
urtheilt werden, da zahlreiche Kundinnen bezeugten,
die angepriescne Wirkung sei nicht ausgeblieben.
Ihr arnien Münchner Mädln,
Ihr habt halt keinen Sinn,
Die Liebe zu veredeln,
wie die Berlinerin.
So eine Münchner Nock'n,
Die meint, es sei schon gnu',
Die Männer anzulocken
Mit freundlichem Gethu';
Und lebt dabei zufrieden
Dann auch in ihrer LH';
Doch von den Kanthariden,
Da hat sie ka Idee!
Drum wenn einmal die Liebe
versagt bei Eurem Mann,
So facht die schwachen Triebe
Auf andrem Wege an!
Gebt ihm das Zaubertrankl
Zu trinken bald nach Tisch.
Ihr werdet sehn, der Schlank!
wird dann auf einmal frisch.
A. I>. IS.
Der moderne Dericbtsuollzieber
(«ine Ehrenrettung)
Personen mit subjektiv getrübtem Urtheil sind
stets leicht geneigt gewesen, diesen Beamten für
ein pandämonium aller möglichen Niederträchtig,
keiten zu halten.
Ls rührt dieses vorurtheil aus jenen finsteren
Zeiten her, in denen eine verhängnißvolle Ver-
tranung der Ehrbegriffe den Schuldner bewog, jede
gerichtliche Pfändung als eine ihm persönlich zu-
gefügte Kränkung anzusehen.
Die milde, humane Denkungsart unserer Tage,
welche auch das „Schulden machen" als wesent-
lichen Faktor im „Kampfe ums Dasein" wissen-
schaftlich bewerthete und selbst dem bösartigsten
„Pumpen" eine tiefe psychologische Begründung
gibt, hat auch die soziale Stellung des Gerichts-
Vollziehers bedeutsamer gehoben und ihn geradezu
zu einem „Liebling" der modernen Gesellschaft
gemacht.
Ja, er ist das versöhnende Element geworden,
weil er es sich zur Aufgabe gemacht hat, zwischen
Gläubiger und Schuldner möglichst herzliche Be-
ziehungen herzustellen und mit feinem Gefühl die
Schroffheit des gegenseitigen Verhältnisses zu
mildern.
Ls ist eine wahre Freude, ihn bei seinen offi-
ciellen „Visiten" beobachten zu dürfen:
wie chevaleresk küßt er der „Gnädigen" die
kfand, wie geschickt weiß er eine geistvolle Lau-
serie zu eröffnen (er ist in allen Sätteln gerecht,
selbst Nietzsches „Umwerthung der werthe" ist
ihm geläufig) und seine Mission in die verbind-
lichsten Worte zu kleiden, um während dessen,
gleichsam wie spielend, seine hübschen „blauen"
Siegel in der diskretesten weise anzubringen.
Galant ist er der ältesten musizierenden Toch-
ter beim Notenumschlagen behilflich und drückt
gleichzeitig sein kleines „Souvenir" unter den
Deckel des Pianoforte.
Aufrichtig bewundernd steht er mit der „Jüng-
sten" vor dem neuesten Leistikow und versteht es,
durch eine unauffällige Bewegung ihr in zartester
weise das Armband von der Vaud zu streifen.
freut sie stch gerade der wohlwollenden Rücksicht
unseres modernen Gerichtsvollziehers. Der gute,
biedere Exekutor der „alten Schule" konnte es
doch bei gewissen Gelegenheiten nicht unterlassen,
eine kleine hämische Bemerkung zu machen, die
durch seine subalterne Auffaffung des Lebens be-
dingt war.
Traf er z. B. am frühen Morgen im Zimmer
des unverheiratheten Schuldners eine — honny
soit, qui mal y pense — dann!! — dann zwin-
kerte er höchst bedeutsam mit den Augen und
verzerrte seine Gesichtsmuskeln zu einem teuflischen
Grinsen.
„Ei, ei, — schau, schau — recht nett! — der
feine kferr — bezahlt wird natürlich nichts —
aber! —"
Dieses waren so die gewöhnlichen, im tiefsten
Grunde empörenden Redensarten, welche natürlich
die Dame in tödlichste Verlegenheit versetzten und
dem unglücklichen Schuldner den Schweiß aus
allen Poren trieben.
Nein, heute unterdrückt der weltgewandte
Beamte jede verletzende Bemerkung und überreicht
wohl gar in artiger weise der Dame die rothe
Rose oder Nelke, welche er gewöhnlich im Knopf-
loch zu tragen xfiegt.
Aber selbst bei modernen „Vollstreckungs-
aktionen" können Komplikationen eintreten, die
unter Umständen von fürchterlicher Wirkung sind!
wenn z. B. der Beamte zusammen mit dem —-
Geldbriefträger auf der Bildfläche erscheint! Dann
— ja dann pflegen selbst moderne Lxekutoren die
Raubthiernatur eines Tigers hervorzukehren.
Energifch drängt er sich im geeigneten Moment
zwischen die „gebende" und „empfangende" Partei,
um sich im entscheidenden Augenblick auf den
Raub zu stürzen. Ifier kann uns nur ein heroischer
Entschluß retten! Nachdem man dem Boten einen
kurzen verständnißvollcn Wink gegeben, stürzt man
sich wie in einem plötzlichen Taumel verliebter
Raserei auf den Gerichtsbeamten, umklammert
ihn unter den zärtlichsten Koseworten und hält
ihn solange fest, bis die „Sendung" glücklich in
Sicherheit gebracht ist.
Meistens pflegt sich dann auch der Gerichts-
vollzieher in die veränderte Situation mit gutem
kfumor zu schicken.
Im ganzen kann man aber immer wieder
den Schuldnern eine Variation des Goetheschcn
Wortes als Regel empfehlen:
„Geh dem Manne zart entgegen,
Du gewinnst ihn — auf mein Wort;
Dem, der dreist ist und verwegen,
Nimmt er sicher alles fort."
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