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Nr. 2

1903

Die GerolFteiner Zeremonienmeifter
und die vorlaute PrinzeHin

„ - . . Ejcrrjcmcrfdjttee, ma chire altesse
royale, wenn Sc an unserm Hove florirn wolln,
derfn Se 's Hofzeremoniell nich so en
bagatelle nähm'n. was Ham Se z. B. gestern
wieder firn faux pas gemacht, als Se im Bark
(park) dem Großherzog zuqnietschten: „Sahn Se
dort, Hoheit! De erschte Schwalwe!" So was
derf'n Se nich sagen, und wenn sich's um de
ewige Seeligkeit handelte. Denn nach unserm
Pofceremoniell muß der Großhcrzog, ooch
wenn er blind is, alles zuerscht säh'n."

Weltchronik der „Jugend"

>no 1903

«tfV ®ibt6 schon wieder mancherlei,
Weiches, daß er es berichtet,

Der Lhronis« sich fühlt verpflichtet:

Don Herrn Frenssens schönem Werke
Dem „Jörn Uhl", darin sich Stärke
Mit gar holder Anmuttz paart
Und gesunden Volkes Art
Wiederspiegelt rein und klar,

Kamen nun in einem Jahr
Mehr denn hunderttausend Bände
In der deutschen Leser Hände.

Daß sich so bei uns zu Land
Kunst und Gunst zusammenfand.
Solchen Ruhm gewann ein Buch
Dhne Reid und Widerspruch,

Ist ein Ding, das trösten mag
Ueber vieles heutzutag,

Weil es doch auf Fortschritt weist
In der Deutschen Her; und Geist,
Während sonst mit finstrer Roth
Rückschritt allenthalben droht! —

Gatten, die sich nicht mehr leiden
Können, lassen sich halt schetden.

Bios Italien hat bis jetzt
Solchem Brauch fich widerseht.

Aber nun will man dort endlich,

Was wo anders selbstverständlich,

Auch den mißvermählten Gatten
Scheidung durch's Gesetz gestatten!

Zur des Papstes Stuhl hat dieses
Freilich etwas äußerst Mießes,

Denn bis jetzt war dort der Trennung

Dberhirtliche Erkennung

Mit der Dpferung von runden

Summen an den .Stuhl" verbunden —

Und zu Schleuderpreisen nun

Wird es die Regierung thunl

Richt nur als Moral-Verderb.

Auch als schnöden Wettbewerb
Sieht darum der Vatikan
Diese Scheiderei fich anl —

Der pariser Wichtigthuer
Und .famose" Interviewer,

Dpert, der aus Blowih stammt
Und fich Blowih d'rum benamt,

Und von dem seit dreißig Jahren
vielerlei die .Times" erfahren,
viel Geklatsch und viel Gezänke,
viel Geschimpf auf Deutschlands Ränke,
Was erstunken und erlogen,

Aus den Fingern war gesogen.

. JUGEND .

Dpert geht jetzt in Pension —

Ra, die .Times" besorgen schon
Sich für jetzt gleich, oder später
Einen andern Lügenpeterl —

Die Karthäuser der Lhartreuse
Sind dem neuen Frankreich böse,

Darum aus dem Mutterhaus
wandern sie nach Spanien aus,

Wo sie die Longregationen
Mit Lontrolle noch verschonen,

Wo naiv noch das Gemüth
Und die Dummheit fröhlich blüht.
Währenddessen bau'n in Dester-
reich fie eins der neuen Klöster;

Und ist dieses unter Dach,

Folgen die Karthäuser nach.

Also wird im Reich der Habs-
burger billig jetzt der Schnaps,

Welchen uns die hohen Steuern
Unerschwinglich schier vertheuern.

Siehste wohl, so muß es kommen:

Lieh' in Deutschland man den frommen
Gottesmännern mehr Gehör —

Kriegten wir jetzt den Likörl —

Unsre neueste, prekäre
venezuelische Affaire
Kommt vor's Haager Schiedsgericht

Roosevelt getraut sich nicht,

Uns die Rechte zuzusprechen,

Die wir haben; vor dem frechen
preßgesindel in Rewyork
Zittert er in banger Sorg',

Denn die Bande schimpft und lügt
Just auf Deutschland recht vergnügt.

Wahrlich, wie in Süd und Rorden,

Dst und Westen, hier und dorten,

Alle Welt uns schmäht und haßt,

Könnt uns eitel machen fast!
Jedenfalls ist's keine Schand:

Oäevlnt äum metuant!

JHerodot

Zischende Epigramme

Eine Plauderei Siegfried wagner's, in zierliche
Verse gebracht von Gdg&r Steiger

Im Speisewagen des DrieM-Lrpreß schrieb Sieg-
fried Wagner für das „R. wiener Tagblait" eine
„unnöthige Plauderei" über das Zischen, in der er
von sich, seinem valer und Liszt und vom „parsi-
fai" und vom „Herzog wiidfang« als ungefähr
gleichwerthigen Dingen spricht.

Ich rede zwar nicht gern von mir,

Am wenigsten vor Kennern;

Doch will ich, wcil's mir macht Pläsir,

Gin wenig sudermännern.

Lin Mann von Welt, ein Mann von Geist,
Der schreibt am besten, wenn er reist:

Lin Feuilleton im Speisewagen
Lrquickt das Herz und stärkt den Magen —
Wenn Zug und Feder nicht entgleist.

was man erlebt als Jüngling, nein,

Das läßt sich nicht verwischen.

Drum, fällt mir das Theater ein,

So hör' ich immer zischen

»

„Bezahlte Jünglinge," sie zischten,

Als vor uns Münchner» „Herzog wildfang" prahlte.
<v wenn wir doch nur Den erwischten,

Der damals hier den Beifall zahlte!

»

„Mein Großpapa, mein Vater, ich —"

Lin' Augenblick Geduld! Ich bitte:

Zur heiligen Dreieinigkeit

Fehlt weiter nichts als nur der Dritte!

’ % '

Bei der Verhaftung in Madrid umarmte Therese
unter Schluchzen ihre Hauswirthin und suchte ihr
dabei Rententitres im werthe von 270000 Pesetas
zuzustecken, jedenfalls um sie später abzuholen.

Diese Sparbüchse ä la Hunrbert dürfte bald
ein beliebtes Zugstück der pariser Nippes-Industrie
werden.

Einst und jetzt

Zu des großen Friedrich Zeiten bliesen
Schäfer ihre Lieder auf den Wiesen,

Wo die holde Philomele sang.

Unsrer Zeit sind Schäferlieder schnuppe,

Durch die Auen dringt der Ton der Huppe
Des Automobils und sein Gestank.

Ueberlebt sind jene alten Sitten,

Denn wir sind gewaltig fortgeschritten.

Unser Geist flammt heute lichterloh.

Das Sonett, der Schnupftabak, die Ode
Und der Krückstock sind heut' nicht mehr Mode,
Ueberwunden ist das Rokoko.

Ueberwunden ist der Skepticismus
Und des alten Fritz Rationalismus,
Ueberschritten des Unglaubens Sumpf.

Heute ist die Kirche uns Berather,

Mehr, als je, gilt jetzt der heil'ge Vater,

Und Katholisch — Gott sei Dank — ist Trumpf.

Freilich hatte—Niemand kann's bestreiten—
Friedrich doch auch seine guten Seiten;

Vieles Wissenswerthe barg sein Kopf.

Darum haben wir zu unserm Frommen
Heute manches von ihm angenommen,

Zum Exempel schätzen wir den Zopf.

Auch die Griffe seines Heers, die alten,
Hat der güt'ge Himmel uns erhalten.

Ja, wir haben Geist von seinem Geist!

Und mit heil'gem, ehrfurchtsvollem Beben
Werden wir es hoffentlich erleben,

Daß man gnädig wieder „Er" uns heißt.

Frido

Schreckliche folgen

„Soo, das sind Ihre Zwillinge; wie kommt
es denn, daß dev eine viel dunkler ist, als der

andere?"


„Der Herr Pfarrer moant,

Mischehe."

dös käm' von der
Register
Monogrammist Frosch: Schreckliche Folgen
Edgar Steiger: Zischende Epigramme
[nicht signierter Beitrag]: Weltchronik der "Jugend"
Monogrammist Frosch: Die Gerolsteiner Zeremonienmeister
Monogrammist Frosch: Sparbüchse à la Humbert
 
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