Nr. 3
JUGEND .
1903
Oer <£>od in den Mlpen
Giovanni Scgantlni
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Zaghaft reicht er dann der Kkeichen Mutter,
(Was er kühn mit sich'rer Hand vekkendet.
Traumverksren KkieKt sie darauf nieder
(Und ihr Äntkiiz siebt man sich erßekken.
Ja, das sind di« ßeiszgekiekten ?üge,
Ldker nur und schöner und verbkärter!
Diese Äugen, die der Tod geschlossen,
Acheinen nur in süszem Achkafzu rußen,
Diese Lippen, die der Tod Kesiegekt,
scheinen sekig nur im Traum zu kächekn,
Diese (Wangen, die zu Lis erstarrten,
Acheint di« Morgenrötße zu umspieken.
Lange KkieKt die Mutter auf das iKikdniß
(Und käfzt jetzt das Achreckiiche gefcheße»,
(Während ihre Thränen siikk versiegen.
Än die Kruft preßt sie den HirtenllnaKe»
(Und küßt dankend ihm die braune Atirne.
Reine <8ake ßat sie ißm zu sieten,
Denn so arm, wie er, ist sie auch sekser.
Äser er ist pkötzkich reich geworden,
Keine Aeeke füßkt die starken Achwingen,
Denn zum ersten Mat in jener Stunde
Hat die (Weiße er der Runst empfunden,
Der er nun sein Kurzes Leben opfert.
Gottfried von Böhm
Gedanken
ie Menschen glauben, das Heldenhafte müsse
immer mit dem Ausdruck des Massigen
und Erhabenen austrete», und so suchen sie
immer unzufrieden im Weiten, und klagen, das
heroische Zeitalter sei vorbei. In großen Dinge»,
da halten sie sich zu Allem fähig; für große
Zwecke zu leben und zu fallen, das ist eine Sehn-
sucht, die in nicht wenigen Herzen brennt. Aber
es kommt ihnen nicht in den Sinn, jene Geduld,
Ausdauer, Selbstverleugnung, Tapferkeit, Helden-
haftigkeit, Erhabenheit in jenen kleinen Dinge»
zu entwickeln, von denen jedes Menschenleben
zum Ersticken voll ist, (und die auch wirklich
manches großartig angelegte Leben ersticken) wäh-
rend die Gelegenheit zu dem großen Handeln,
von dem sic träumen, nur selten ist. lind auch
das mögen sie wissen: wie dieses große Handeln
von ihnen nur erträumt ist, so ist es auch zum
größten Theil ihre Entschlossenheit und Kraft,
die sie sich znschrcibe». Helden müssen nicht nur
geboren, sondern auch geschmiedet werden; durch
die rußige Werkstatt geht das funkelnde Schwert
in die Schlacht. Sich über das Kleine erhaben
machen, das ist die Schule zur Größe. Mit
dem Kalbe fing Milo» an, um einen Stier tragen
zu lernen. Mit dem Kälbernen fange auch Du
an, mein kleiner Gernegroß! Zcno
wenn wir alles Gelernte vergessen haben,
fangen wir an, zu wissen. Nicht um Haares-
breite komme ich einem Natnrgegenstand näher,
so lange ich voraussetze, daß er mir durch irgend
einen Gelehrten vorgestellt ist. Um ihn mit vollem
Verständnis; aufzufasseu, muß ich ihm zum tau-
sendsten Male als etwas gänzlich Fremdem gegen-
übrrtreten. Willst Du mit Farrenkräutern Be-
kanntschaft machen, so vergiß Deine Botanik.
/j. D. Thovcau
Die 5circa bei flrco
Benacus liegt beglückt zu deinen Fllhen,
Selige Frau, wie wogt dir nun die Brust,
Wie drängst du wild, den Bräutigam zu grilfjen,
Durch dieses ühales [rohbewegte hust!
Die Frucht, die sich von deinem Bibern keuchtet,
Schwingt schöner in den bunten ßochzeitskranz;
Du lächelst, und aus deinen Bücken leuchtet
Der ßeimathfirnen wundersamer Glanz.
Erfüllt vorn herben Duft der Alpenrose
Cönt dein Gesang. Und wie ick ihm gelauscht,
3st mir aus deinem Kühlen Wellenschoofje
Ein liebes BildniH Jäh emporgerauscht,
Des Menschenkindes, das du einst am Herzen
Gewiegt nach einer wilden Melodei,
Und das du zögernd nur, und wie voll Schmerzen,
Gabst lichtem Cag und warmem Lieben frei.
Voll Sehnen selber, küsstest du dem Munde
Des Mensche» deine eigne Sehnsucht ein,
Und ßeimweh lockte ihn seit jener Stunde
Zu hoher Quellen stillem ßimmelsschein.
Sein Werk, das unser» Erdengang verschönte,
Ward wie ein starker, inniger Choral,
Der von den Alpenhöhen niedertönte
3m Morgenlickt, im Abendfeuermal.
An seinen Bergen, als die Schatten kamen,
Erlosch ihm sanft der Augen letzter Strahl.
ßorch, war es nickt, als spricht der Fluh den ilamen
Giovanni Segantini's durch das Chal >
Franz Eanaheinrich
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JUGEND .
1903
Oer <£>od in den Mlpen
Giovanni Scgantlni
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Zaghaft reicht er dann der Kkeichen Mutter,
(Was er kühn mit sich'rer Hand vekkendet.
Traumverksren KkieKt sie darauf nieder
(Und ihr Äntkiiz siebt man sich erßekken.
Ja, das sind di« ßeiszgekiekten ?üge,
Ldker nur und schöner und verbkärter!
Diese Äugen, die der Tod geschlossen,
Acheinen nur in süszem Achkafzu rußen,
Diese Lippen, die der Tod Kesiegekt,
scheinen sekig nur im Traum zu kächekn,
Diese (Wangen, die zu Lis erstarrten,
Acheint di« Morgenrötße zu umspieken.
Lange KkieKt die Mutter auf das iKikdniß
(Und käfzt jetzt das Achreckiiche gefcheße»,
(Während ihre Thränen siikk versiegen.
Än die Kruft preßt sie den HirtenllnaKe»
(Und küßt dankend ihm die braune Atirne.
Reine <8ake ßat sie ißm zu sieten,
Denn so arm, wie er, ist sie auch sekser.
Äser er ist pkötzkich reich geworden,
Keine Aeeke füßkt die starken Achwingen,
Denn zum ersten Mat in jener Stunde
Hat die (Weiße er der Runst empfunden,
Der er nun sein Kurzes Leben opfert.
Gottfried von Böhm
Gedanken
ie Menschen glauben, das Heldenhafte müsse
immer mit dem Ausdruck des Massigen
und Erhabenen austrete», und so suchen sie
immer unzufrieden im Weiten, und klagen, das
heroische Zeitalter sei vorbei. In großen Dinge»,
da halten sie sich zu Allem fähig; für große
Zwecke zu leben und zu fallen, das ist eine Sehn-
sucht, die in nicht wenigen Herzen brennt. Aber
es kommt ihnen nicht in den Sinn, jene Geduld,
Ausdauer, Selbstverleugnung, Tapferkeit, Helden-
haftigkeit, Erhabenheit in jenen kleinen Dinge»
zu entwickeln, von denen jedes Menschenleben
zum Ersticken voll ist, (und die auch wirklich
manches großartig angelegte Leben ersticken) wäh-
rend die Gelegenheit zu dem großen Handeln,
von dem sic träumen, nur selten ist. lind auch
das mögen sie wissen: wie dieses große Handeln
von ihnen nur erträumt ist, so ist es auch zum
größten Theil ihre Entschlossenheit und Kraft,
die sie sich znschrcibe». Helden müssen nicht nur
geboren, sondern auch geschmiedet werden; durch
die rußige Werkstatt geht das funkelnde Schwert
in die Schlacht. Sich über das Kleine erhaben
machen, das ist die Schule zur Größe. Mit
dem Kalbe fing Milo» an, um einen Stier tragen
zu lernen. Mit dem Kälbernen fange auch Du
an, mein kleiner Gernegroß! Zcno
wenn wir alles Gelernte vergessen haben,
fangen wir an, zu wissen. Nicht um Haares-
breite komme ich einem Natnrgegenstand näher,
so lange ich voraussetze, daß er mir durch irgend
einen Gelehrten vorgestellt ist. Um ihn mit vollem
Verständnis; aufzufasseu, muß ich ihm zum tau-
sendsten Male als etwas gänzlich Fremdem gegen-
übrrtreten. Willst Du mit Farrenkräutern Be-
kanntschaft machen, so vergiß Deine Botanik.
/j. D. Thovcau
Die 5circa bei flrco
Benacus liegt beglückt zu deinen Fllhen,
Selige Frau, wie wogt dir nun die Brust,
Wie drängst du wild, den Bräutigam zu grilfjen,
Durch dieses ühales [rohbewegte hust!
Die Frucht, die sich von deinem Bibern keuchtet,
Schwingt schöner in den bunten ßochzeitskranz;
Du lächelst, und aus deinen Bücken leuchtet
Der ßeimathfirnen wundersamer Glanz.
Erfüllt vorn herben Duft der Alpenrose
Cönt dein Gesang. Und wie ick ihm gelauscht,
3st mir aus deinem Kühlen Wellenschoofje
Ein liebes BildniH Jäh emporgerauscht,
Des Menschenkindes, das du einst am Herzen
Gewiegt nach einer wilden Melodei,
Und das du zögernd nur, und wie voll Schmerzen,
Gabst lichtem Cag und warmem Lieben frei.
Voll Sehnen selber, küsstest du dem Munde
Des Mensche» deine eigne Sehnsucht ein,
Und ßeimweh lockte ihn seit jener Stunde
Zu hoher Quellen stillem ßimmelsschein.
Sein Werk, das unser» Erdengang verschönte,
Ward wie ein starker, inniger Choral,
Der von den Alpenhöhen niedertönte
3m Morgenlickt, im Abendfeuermal.
An seinen Bergen, als die Schatten kamen,
Erlosch ihm sanft der Augen letzter Strahl.
ßorch, war es nickt, als spricht der Fluh den ilamen
Giovanni Segantini's durch das Chal >
Franz Eanaheinrich
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