Nr. 3
JUGEND
1903
looaoo
A bonn enten
wünscht der ^
.JUGEND
ein Ire uer
Verehrer
Zu ßeujabr
erhielten wir obige Zeichnung mir nachfolgenden Versen:
Liebe Jugend! Dein Gedeihen
Wachs' mit jeglichem Auartal!
Und die Menschheit mög' Dir leihen
Stets das näth'ge Material:
Schwarzgefärbte Volksvertreter,
Schranzen und Lrfolgsanbeter,
Nacktheitsschnüffler, Splitterrichter,
Reurasthen'sche Ueberdichter,
Rückschrittsfreunde, Wühler, Hetzer.
Redner, die nur hohle Schwätzer,
Denunzianten, Zriedenstanten
Und die andern Wohlbekannten —
Ihre vielbelachte Schaar
Bleibe Dein auch künft'ges Jahr!
Mit dem Stift und mit der Zeder
Gerbe weidlich ihr das Leder;
Und behalt' ein wenig lieb
Deinen Zreund, der Dir das schrieb.
Oas Väpsllein von kollenburg
Bischof Reppler hat zu Neujahr vor seinen
Klerikern schon wieder eine Rede gehalten und
darin bescheidentlich erklärt, er zähle seine letzte
Kapuzinade gegen katholische Reformbestrebungen
zu den bedeutenderen Ereignissen des
Jahres jy02l Mas er damals gesprochen, sei
von ihm, „vor Gott verhandelt und zum
Austrag gebracht worden!" Angesichts dieser
direkten 'Beziehungen des Bischofs zum lieben
Gott, kann es Einen nicht Wunder nehmen,
wenn über kurz oder lang von dieser Seite auch
die Unfehlbarkeit der Bischöfe proklamiert
wird! — »—
„Der fade Kerl! Jetzt laßt er uns häng'«. Und de
dick' alt' Taut' soll uns den Ball 'rauöhol'n!"
Man zu, Herr v. Kröcber!
Herr v. Kröchen, der „kommende starke Rlann"
hat jüngst mehrere Reden gehalten, in denen er sich
als den Vater des letzten Zollcompromiffes anpries.
Lr allein habe die widerstreitenden Parteien versöhnt
mit dem Hinweis, den Sozialdemokraten jetzt „auf die
Köpfe zu spucken," sonst gehe das Reich zu Grunde.
Bülow hätte fortgewurstelt. Ls fehle uns überhaupt
an der alten Bismarck'schen „Schneidigkeit."
Herr von Kröcher, Donnerwetter I
Also Sie sind der Erretterl
Na, das 's ja jut l
Ruhig hätt' es fortjelriselt,
Hätten Sie nicht compromiselt
Un jelöscht die Jlut.
Sic versteh'n die janze Sache!
Was uns fehlt, is blos die Mache
Un die freche Schnitt' —
Wir sind immer viel zu friedlich,
Biel zu „schiedlich" und „jemietlich" —
Nee, das 's nich jut!
Jrobb sein müssen wir, jawolle!
„Schneidigkeit" heißt die Parallel — —
Na, das 's ja jutl
Schneidigkeit is sehr zu loben —
— Janz besonders mal nach oben!-
Haben Sie den Muth?
A. <le Xora
Von der Berliner F^ofbühne
Die Moral hat gesiegt. Graf Hochberg ist
von der Leitung der Berliner Hofbühne zurückge-
trcten. Man sagt, das; ihm, wie vor vielen Jahr-
hunderten dem bösen König Belsazar, eine Hand
erschienen sei, die ihm in feurigen Buchstaben den
Abschiedsbrief geschrieben habe. Eingeweihte be-
haupten sogar, es sei diesmal eine Frauenhand
gewesen. Es war aber auch die höchste Zeit. Die
Zustände am Berliner Hostheater spotteten jeder
Beschreibung. Nicht genug, daß der „Roland von
Berlin", diese urdeutsche Oper mit italienischer
Musik, bis heute uns vorenthalten wurde, und zwar
aus dem einzigen Grunde, weil Leoncavallo
die Noten dazu nicht schreiben will. Nein, man
wagte es sogar, im vergangenen Jahre, ohne Herrn
Stöcker oder den Grafen Mirbach zu fragen, Richard
Straußens „Feuersnoth" auszusühren — eines
der frivolsten Machwerke der Weltlitteratur, in dem
auf offener Bühne — die schöne Leserin möge hier
gefälligst erröthen! — gefensterlt wird. Heißt
das nicht, die Unsittlichkeit vom Land in die Stadt
übertraget'? Ganz abgesehen von der krausen Musik,
deren ungewöhnliche Accorde und verworrene Orche-
strirung uns die klassisch-volks-
thümlichcn Melodien und die ein-
sachen, unmittelbar in'sOhr schlei-
chenden Harmonien des „Trom-
peters von Säckingcn" dop-
pelt zurückeriehncn lassen.
Ein wahres Glück, daß solchem
Unfug endlich ein Ende gemacht
wurde. Wer Graf Höchbergs de-
finitiver Nachfolger wird, ist zur
Zeit noch zweifelhaft. Doch kom-
men, sicheren Informationen nach,
als Intendanten der BerlinerHos-
bühne nur zwei Persönlichkeiten
in Betracht: der um die deutsche
Kunst so hochverdiente Reichsge-
richtsrat und Reichstagsabgeord-
nete Spahn und HerrKeppler,
der derzeitige Bischof von Rotten-
burg.
Cri-Crl
Berichtigung
(zu dem in Rr. 2 befindlichen Gedicht „Der neue 3riff"
aus dem lyrischen Tagebuch des Leutnants von versewiyj
Leider in Vers 3, Strophe 4
Schrcibfchlerl VTic pafsirt nochl
(Rechten starr linken) Acrjerlich mir!
Doppclr, weil illustrirr noch!
Mich sonst jcfreur über Illustration:
Ruhfuß nur anders falfenl
Hoffe bestimmr, daß Redaktion
Blochmals wird zeichnen lassen!
von Versevvitz *)
*) Der Wunsch des Herrn von versewitz war uns
und den Grenadieren Befehl, wie obige Zeichnung
beweist. <Anm. der Redaktion)
Jfu$ der „Pfarrerkatbl“
Der Herr Pfarrer las der Rathl aus
der Zeitung vor.
„Es is doch a rechter Skandal mit dcra
Kronprinzessin von Sachsen —“ rief er aus.
„wann f' nur wenigstens lurh'risch war',"
meinte die Biedere.
Der neue ZZIutarH
„wia s' ghcirat hat, hat ma an andern
Respekt Ham könna vor dera Rronprinzcssin
als eg," sagte ein Hosbrätlhaus-Stammgast.
„Dös stimmtI Da is s' a Sachsengäng-
erin gwcn und eg is s' a Sachsendurch-
gängerin," bemerkte ein anderer.
Der wackere Giron hat ganz das Zeug zu
einem sorgsamen Familienvater.
Seine Pseudogattin empfing zahlreiche
Interviewer.
„Louiserl," mahnte er, „i denk, Du solltest
Engträ erheben — mir könna's am End no
brauch« I"
46
JUGEND
1903
looaoo
A bonn enten
wünscht der ^
.JUGEND
ein Ire uer
Verehrer
Zu ßeujabr
erhielten wir obige Zeichnung mir nachfolgenden Versen:
Liebe Jugend! Dein Gedeihen
Wachs' mit jeglichem Auartal!
Und die Menschheit mög' Dir leihen
Stets das näth'ge Material:
Schwarzgefärbte Volksvertreter,
Schranzen und Lrfolgsanbeter,
Nacktheitsschnüffler, Splitterrichter,
Reurasthen'sche Ueberdichter,
Rückschrittsfreunde, Wühler, Hetzer.
Redner, die nur hohle Schwätzer,
Denunzianten, Zriedenstanten
Und die andern Wohlbekannten —
Ihre vielbelachte Schaar
Bleibe Dein auch künft'ges Jahr!
Mit dem Stift und mit der Zeder
Gerbe weidlich ihr das Leder;
Und behalt' ein wenig lieb
Deinen Zreund, der Dir das schrieb.
Oas Väpsllein von kollenburg
Bischof Reppler hat zu Neujahr vor seinen
Klerikern schon wieder eine Rede gehalten und
darin bescheidentlich erklärt, er zähle seine letzte
Kapuzinade gegen katholische Reformbestrebungen
zu den bedeutenderen Ereignissen des
Jahres jy02l Mas er damals gesprochen, sei
von ihm, „vor Gott verhandelt und zum
Austrag gebracht worden!" Angesichts dieser
direkten 'Beziehungen des Bischofs zum lieben
Gott, kann es Einen nicht Wunder nehmen,
wenn über kurz oder lang von dieser Seite auch
die Unfehlbarkeit der Bischöfe proklamiert
wird! — »—
„Der fade Kerl! Jetzt laßt er uns häng'«. Und de
dick' alt' Taut' soll uns den Ball 'rauöhol'n!"
Man zu, Herr v. Kröcber!
Herr v. Kröchen, der „kommende starke Rlann"
hat jüngst mehrere Reden gehalten, in denen er sich
als den Vater des letzten Zollcompromiffes anpries.
Lr allein habe die widerstreitenden Parteien versöhnt
mit dem Hinweis, den Sozialdemokraten jetzt „auf die
Köpfe zu spucken," sonst gehe das Reich zu Grunde.
Bülow hätte fortgewurstelt. Ls fehle uns überhaupt
an der alten Bismarck'schen „Schneidigkeit."
Herr von Kröcher, Donnerwetter I
Also Sie sind der Erretterl
Na, das 's ja jut l
Ruhig hätt' es fortjelriselt,
Hätten Sie nicht compromiselt
Un jelöscht die Jlut.
Sic versteh'n die janze Sache!
Was uns fehlt, is blos die Mache
Un die freche Schnitt' —
Wir sind immer viel zu friedlich,
Biel zu „schiedlich" und „jemietlich" —
Nee, das 's nich jut!
Jrobb sein müssen wir, jawolle!
„Schneidigkeit" heißt die Parallel — —
Na, das 's ja jutl
Schneidigkeit is sehr zu loben —
— Janz besonders mal nach oben!-
Haben Sie den Muth?
A. <le Xora
Von der Berliner F^ofbühne
Die Moral hat gesiegt. Graf Hochberg ist
von der Leitung der Berliner Hofbühne zurückge-
trcten. Man sagt, das; ihm, wie vor vielen Jahr-
hunderten dem bösen König Belsazar, eine Hand
erschienen sei, die ihm in feurigen Buchstaben den
Abschiedsbrief geschrieben habe. Eingeweihte be-
haupten sogar, es sei diesmal eine Frauenhand
gewesen. Es war aber auch die höchste Zeit. Die
Zustände am Berliner Hostheater spotteten jeder
Beschreibung. Nicht genug, daß der „Roland von
Berlin", diese urdeutsche Oper mit italienischer
Musik, bis heute uns vorenthalten wurde, und zwar
aus dem einzigen Grunde, weil Leoncavallo
die Noten dazu nicht schreiben will. Nein, man
wagte es sogar, im vergangenen Jahre, ohne Herrn
Stöcker oder den Grafen Mirbach zu fragen, Richard
Straußens „Feuersnoth" auszusühren — eines
der frivolsten Machwerke der Weltlitteratur, in dem
auf offener Bühne — die schöne Leserin möge hier
gefälligst erröthen! — gefensterlt wird. Heißt
das nicht, die Unsittlichkeit vom Land in die Stadt
übertraget'? Ganz abgesehen von der krausen Musik,
deren ungewöhnliche Accorde und verworrene Orche-
strirung uns die klassisch-volks-
thümlichcn Melodien und die ein-
sachen, unmittelbar in'sOhr schlei-
chenden Harmonien des „Trom-
peters von Säckingcn" dop-
pelt zurückeriehncn lassen.
Ein wahres Glück, daß solchem
Unfug endlich ein Ende gemacht
wurde. Wer Graf Höchbergs de-
finitiver Nachfolger wird, ist zur
Zeit noch zweifelhaft. Doch kom-
men, sicheren Informationen nach,
als Intendanten der BerlinerHos-
bühne nur zwei Persönlichkeiten
in Betracht: der um die deutsche
Kunst so hochverdiente Reichsge-
richtsrat und Reichstagsabgeord-
nete Spahn und HerrKeppler,
der derzeitige Bischof von Rotten-
burg.
Cri-Crl
Berichtigung
(zu dem in Rr. 2 befindlichen Gedicht „Der neue 3riff"
aus dem lyrischen Tagebuch des Leutnants von versewiyj
Leider in Vers 3, Strophe 4
Schrcibfchlerl VTic pafsirt nochl
(Rechten starr linken) Acrjerlich mir!
Doppclr, weil illustrirr noch!
Mich sonst jcfreur über Illustration:
Ruhfuß nur anders falfenl
Hoffe bestimmr, daß Redaktion
Blochmals wird zeichnen lassen!
von Versevvitz *)
*) Der Wunsch des Herrn von versewitz war uns
und den Grenadieren Befehl, wie obige Zeichnung
beweist. <Anm. der Redaktion)
Jfu$ der „Pfarrerkatbl“
Der Herr Pfarrer las der Rathl aus
der Zeitung vor.
„Es is doch a rechter Skandal mit dcra
Kronprinzessin von Sachsen —“ rief er aus.
„wann f' nur wenigstens lurh'risch war',"
meinte die Biedere.
Der neue ZZIutarH
„wia s' ghcirat hat, hat ma an andern
Respekt Ham könna vor dera Rronprinzcssin
als eg," sagte ein Hosbrätlhaus-Stammgast.
„Dös stimmtI Da is s' a Sachsengäng-
erin gwcn und eg is s' a Sachsendurch-
gängerin," bemerkte ein anderer.
Der wackere Giron hat ganz das Zeug zu
einem sorgsamen Familienvater.
Seine Pseudogattin empfing zahlreiche
Interviewer.
„Louiserl," mahnte er, „i denk, Du solltest
Engträ erheben — mir könna's am End no
brauch« I"
46
-a-: Das Päpstlein von Rottenburg
A. De Nora: Man zu, Herr von Kröcher!
Monogrammist Frosch: Der fade Kerl
[nicht signierter Beitrag]: Aus der "Pfarrerkathl"
[nicht signierter Beitrag]: 100 000 Abonnenten
Helene Raff: Zu Neujahr
Cri-Cri: Von der Berliner Hofbühne
Monogrammist Frosch: Zeichnung zum Text "Berichtigung"
[nicht signierter Beitrag]: Zu Neujahr
Leutnant v. Versewitz: Berichtigung
Plutarch [Pseud.]: Der neue Plutarch
A. De Nora: Man zu, Herr von Kröcher!
Monogrammist Frosch: Der fade Kerl
[nicht signierter Beitrag]: Aus der "Pfarrerkathl"
[nicht signierter Beitrag]: 100 000 Abonnenten
Helene Raff: Zu Neujahr
Cri-Cri: Von der Berliner Hofbühne
Monogrammist Frosch: Zeichnung zum Text "Berichtigung"
[nicht signierter Beitrag]: Zu Neujahr
Leutnant v. Versewitz: Berichtigung
Plutarch [Pseud.]: Der neue Plutarch