Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
lNr. 4

JUGEND -

1903



, -

v^:il !/^V0OA<A\\ .■' .rSsS

^MVMDW
SslvS^'

Wintersturin

Nun braust's in den Lüften, nun donnert der See,
Aus schwarzblauen Klüften schänmt's wild in die Höh'.
Mit wiehernden Rossen kommt über den Plan
Weißmähnig geschossen der Herrscher Orkan.

Es zittern die Mauern, die Scheiben erklirr'».

Die Palmen erschauern und beugen die Stirn.

Die hohen Oliven mit silbernem Laub

Sie schwanke» und triefen dem Sturme zum Raub.

Zu Nacht in den Kissen bang horcht' ich hinaus,

Dem Schlummer entrissen vom wüsten Gebraus.

O wehe, mein Garte»! um dich ist's geschehn;

Wie wird es den zarten Jungpslanzen ergeh»?

Doch steh, da die Sonne mich früh schon erquickt,

Im Garten, o Wonne! kein Pflänzchen geknickt.

Nur feucht noch die Blatter und schimmernd erfrischt
Vom sausenden Wetter und sprühenden Gischt.

Italiens Kinder, so lodert die Glut
Des Zornes nicht minder euch jählings im Blut.
Ein wüthend Gebrüste, morddrohn'den Gesichts,
Dann plötzliche Stille — viel Lärmen um Nichts!

Paul lseyse

Weihenacht

Weiße Engel leuchten,

Weiße Engel feuchten

Mir die Schlafen mit geweihtem Wein.

In den Lüften leise
Wiegt sich eine Weise,

Schmiegt sich zitternd in mein Herz hinein.

Lauschen muß ich, lausche».

Gottes Worte rauschen:

Ast Dein Leben soll ein Lieben sein....
Leise. • . leicht... wie Thranen
Schmiegt ein süßes Sehnen
Wunderselig sich in's Herz hinein.

Rnton Linctner

In Auerbachs Keller

Haha! Das hilft. Noch eine» Humpen her!
Füllt nur das Glas! Das Herz bleibt ewig leer;
Und ob aus Augen, dunkeln, feuchten,

Ein greller Blitz die dumpfe Nacht erhellt,

'S ist nur ein kalter Strahl, der nutzlos fallt,—
Erinnerung, Dein Wetterleuchten!

Bist Du's, mein Blondchen? Fahren wir im Boot!
Das graue Münster glüht im Abendroth;
Fromm klingt des Dorfes Betzeitlaute».

Du hältst das Segeltau mit starker Hand;

Dein träumend Auge schweift zum fernen Strand—
Wer könnte Deine Träume deuten?

Auch Du, Braunäuglein? Finster ist die Nacht.
Ich Hab' vom Haus mich heimlich fortgemacht
Und pfeife leis am Gartenhage.

Da klirrt ein Fenster; um Dein bleich Gesicht
Flicht einen Heil'genschein das Mondenlicht —
Es waren schöne, schöne Tage!

Was willst Du, üppig Weib? Wie ruht sich's warm
I» Deinem weichen, schlangengleichen Arm!
Heiß legst Du Deinen Mund auf meinen
Und kündest dann im wilden Rausch der Lust
Das ganze Elend einer Menschenbrust
Und jauchzest, stöhnst und fluchst dem Einen!

Und Du, verhungert Kind des Volkes? Starr
Schaust Du mir nach und denkst: „Der ist ein Narr,
Weil an der Thür er stumm sich kehrte
Und, ob er auch mich von der Straße nahm
Und ich mein Theil an Speis' und Trank bekam,
Doch weiter nichts von mir begehrte!"

Zurück, Phantom ! Noch einen Humpen her!
Füllt nur das Glas! Das Herz bleibt ewig leer;
Und schlägt der heiße Puls auch wilder.

Kein Zauber bannt mir das vergangne Glück,
Und rufst die Todten frevelnd Du zurück,

So kommen blasse Nebelbilder.

6ckgar Steiger

fri*

v

P. Haustein (München)
Register
Anton Lindner: Weihenacht
Paul Haustein: Zierrahmen
Paul Heyse: Wintersturm
Edgar Steiger: In Auerbachs Keller
 
Annotationen