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Nr. 5

JUGEND

1903

mm

/. Wackerle (München)

Violinstunden bilden ließ. Der einsichtsvolle Leser
wird bereits gemerkt haben, wohinaus ich will. Zwei
Geigen, eine Viola, ein Cello — das ist nach den
Regeln der Kunst ein Streichquartett.

Schöne Seelen finden sich. Also auch die vier
Meier. Ich Hütte gewiss nichts dagegen einzuwenden
gehabt, denn ich bin von Natur sehr duldsamen Ge-
miithes. Aber weshalb lud man mich zu einem der
Quartettabende ein, da man wohl wußte, daß ich
anstandshalber zusagen mußte? — „Die Götter
wollten mein Verderben."-

Es ist für den Dilettanten eine schwierige Auf-
gabe, sein Instrument in die richtige „Stimmung"
zu versehen. Der Temperaturwechsel ist der Siinden-
bock. Aber auch ein annäherndes A ist mit Geduld
und Kostenaufwand zu erreichen. Schon hatten die
vier Meier ihre Instrumente gestimmt. Rings aus
den Polstern dieHerren und Damen in schönem Kranz.
Eins, zwei, drei, vier — loö l l! heidi! Mit horido
und hussassal!

Ich hatte immer geglaubt, Schuberts 6-äar-
Quartett beginne im zartesten pianissimo, um sanft
zum forte anzuschwellen. Welches traurige Vorur-
iheil! Ria» kann es geradesogut umgekehrt machen,
lieber Auffassungen läßt sich nicht streiten. Die vier
Künstler stritten auch nicht darüber, sondern jeder
spielte nach seiner eigenen Auffassung, seiner Indi-
vidualität entsprechend. Die dritte Zeile übersprang
der Cellist. Weshalb, ist mir noch heute unklar. Es
schadete jedoch wenig, da an und für sich der ziveite
Geiger aus Sparsamkeitsrücksichten sechs Takte Pause
auf zwei rcduzirt hatte: daß unter solchen Umständen
der Violameister vollständig den Anschluß verlor,
kann ihm kein rechtlich denkender Mensch übelnehmen.
Doch es gibt ein Wiedersehen. Bei der großen
Fermate fand man sich wieder. Aber dann — hoho!
Die wilde Jagd. Eben nimmt das Cello ein Hinder-
nis;, eine Sechszehntelfigur. Bravo — da, es stolpert
— es rafft sich wieder auf — es holt den Vorsprung
der anderen ei» — bravo, es ist drei Takte voraus.
Der erste Geiger, dessen R-Saite als die Klügere
einen halben Ton nachgegeben hatte, hat die Eigen-
thümlichkcit, halbe Noten als Viertel zu behandeln.
Diese Gewohnheit führte er mit großer Konsequenz
durch. Mein Nachbar stieß mich an.

„Auf wen setzen Sie?" srug er. „Ich wette Cello."

„Ich setze aus Viola."

Wir hatten beide Unrecht. Die zweite Geige kam
um acht Taktlängen als Erste durch's Ziel.

Wie gesagt: es liegt mir fern, Wagner anzu-
greisen. Aber die Stelle mit dem Streichquartett ist
entschieden ein Fehler. Eutschiedenn Helios

Supermann macht Schule

Scene aus einer Gerichtssitzung

Der Staatsanwalt:-Und so fasse ich

mich, meine Herren Geschworenen dahin zusammen:
Die That des Angeklagten ist eine so ruchlose und
gemeine, wir haben es mit einem so abgefeimten,
gemeingefährlichen Schurken zu thnn, daß es
thöricht wäre, dieses Scheusal in Menschengestalt
mit einer leichten Strafe zu belegen. Wenn Sie
sein Vorleben, eine Sammlung aller gerichtlichen
Strafen, die es gibt, betrachten, wenn Sie seinen
typischen Verbrecherschädel, dieses Galgen-
gesicht, in welches L a st e r und Frechheit deutlich
ihre Furchen gegraben haben, betrachten, dann
müssen Sie sich selbst sagen: eine solche Bestie
gehört aus der Gemeinschaft der Menschen aus-
geschlossen, dieses reißende Thier gehört
für so lange als möglich unschädlich gemacht!
Ich beantrage daher eine Gesammtzuchthausstrase
von 15 Jahren und Aberkennung der bürgerlichen
Ehrenrechte auf Lebenszeit.

Dev Präsident: Angeklagter, was haben Sie
daraus zu erwidern?

Der Angeklagte: Herr Präsident, ich
werde eine Artikelserie über die Ver-
rohung der StaatSanwalt-Kritiken
f chreiben.

Kulturhistorische Entdeckung

Der erste Schmiss

Das Gesicht dessen soll mit einem Schnitt
versehen werden, der aus die Frau eines !Nan>
»es mir Finger» zeigt, ohne ihr etwas Nach-
weisen ZU können. (jn (|(,n Gesetzen

des babylon. Königs Iläninrabi 21100 v. Chr.)

Scbulbumor

Lehrer (schreibt in der ersten Lesestunde ein i
an die Wandtafel): Kennst Du den Buchstaben
wohl schon, Llimar?

Der kleine Eli mar: Kennen do ick em
woll, ick weet man nich, wo he heet. w. k.

Heues von Serenissimus

Serenissimus hat in seiner Residenz zu seinem
Aerger einen Doppelgänger, der oft Anlaß zu
lustigen Verwechslungen gibt. Serenissimus ist
darob schon lange erzürnt.und schickt endlich Kinder-
mann hin, der Mann solle das lächerliche Kopieren
in Kleidung, Haar und Barttracht unterlassen.
Jedoch jener will nicht. Schließlich läßt er ihn zu
sich selbst bitte», weil er argwöhnt, Kindermann
sei nicht schneidig genug vorgegangen. Kindermann
leitet die Privataudienz, es ist jedoch keine Einigung
zu erzielen, da der Mann immer wieder behauptet,
er sei um ein Jahr älter als Serenissimus und
habe die Tracht infolgedessen schon eher gehabt.
Da führt Serenissimus, der bis dahin schweigend
zugehört, schließlich ganz rabiat auf und brüllt den
Mannan: „So lassenhSie wenigstens den
saudumnlen Gang!"

Liebe Jugend!

Bei einer Eseadron wurden dem Lhef die
Remonten vorgeführt, um denselben Namen zu
geben. Da kam eine Stute an die Reihe, welche
alle möglichen Lapricen hatte, bockte, ansschlug rc.,
so daß der Rittmeister meinte: „Das ist einmal
ein „damisches Luder!" Na! Wachtmeister, was
geben wir denn der für einen Namen?" Der
Wachtmeister salntirend: „wie wäre es, wenn wir
sie, der Frau Rittmeister zu Ehren, „I r e n c"
tauften?"

An der jäeine

Schmutzig fliesst die alte ßeine
©ief in ihrem tlZett und stumm;
ißädchen mit der dunklen CDähne,

Schau Dich nicht so lockend um.

Iiache nicht so grell und rausche
<T>if den seidnen IJöcken nicht,
ßchweige, CDlidchen, schweig und lausche,
GCCas die stumme Seine spricht:

CDag der jäekt im ©läse blinken,

CDagst Du jubeln schrill und toll:

(Jinmal wirst Du (Hasser trinken,

<Ijehr als Dir bekommen soll.

Wissbegier

„Du Bappe, was ist suggerire?"

„will ich der explizite, Moritzleleben. Suggerire
haaßt es, wann mer Jemand so anlügt, daß er's
glaubt."

Llebersetzungslrunst

Socrates maluit bonus esse, quam videri.
Sokrates wollte lieber was Gutes essen, als
zusehen.

Trinken wirst Du einst das kalte
Trübe CCCasser, kalt und stumm,

I>öre, hör’ auf eine stlte,
jäieh voraus, und schau nicht um.

liory TonwUa

70

r
Index
[nicht signierter Beitrag]: Liebe Jugend!
[nicht signierter Beitrag]: Kulturhistorische Entdeckung
[nicht signierter Beitrag]: Übersetzungskunst
Joseph Wackerle: Zeichnung ohne Titel
W. K.: Schulhumor
[nicht signierter Beitrag]: Neues von Serenissimus
Kory Towska: An der Seine
[nicht signierter Beitrag]: Sudermann macht Schule
[nicht signierter Beitrag]: Wissbegier
 
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