Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
A. Weisgerber (München)

Das Gelöbnis;

von Hnton Cvndner

„'Kill mir dir Mädchen aus dem

Sinne schlagen!"

Gelebt' ich mir. Doch als der Abend kam,
War's Aphrodite, die im Fackelwagen,

Von Rosenduft und blauem Thau getragen,
Heruiederslog und mich beim Arme nahm:

Die sanfte Welt, in die ich Rosen streute,

Hat Dein Gelöbniß wie ein Fluch entweiht!
Doch will ich wachen, bis Dein Herz bereute —
Sieh' hin, die Nacht ist voller Wunder heute,
Und Schauer schweben, meinem Wink bereit..

Ich sah umher . . Da stand in schwarzen Floren
Das bleiche Leid vor meinem weißen Haus.

Da kam ein Lied, wie Geigenton zu hören:
Man trug, umrauscht von tiefen Trauerchören,
Auf schwarzer Bahre mich zum Thor heraus.

Und dunkle Mönche, nächst dem Brückenbogen,
Flüsterten leise in die laue Nacht:

Ein fromm Gelübde, seiner Brust entstogen,
Hat ihm der Frauen holde Gunst entzogen!
Das hat ein Bluten in sein Herz gebracht!

Die Chöre klangen. Und voran dem Zuge
Auf Flammcuhengsteu ritt der Rache-Gott.

Fern sa»g die Orgel ihre Geisterfuge..

Doch auf die Bahre, wie im Falterstuge,
Schwang leise gleitend sich der Mädchen Spott:

Er hat gezweifelt! Hat mit weisen Dingen
Den Tag verträumt! Und in des Wissens Qual
Ließ er das Glück im Tanz vorüberklingen,

Ließ uns, die Mädchen, in den Hütten singen
Und suchte sich ein Eremitenthal!

Die Rache kam! Denn mit dem warmen

Strahle

Der Frauenhuld, die seinem Herzen schwand,
Starb alles Blühen, wie mit einem Male,

Und alles, alles, was sein Herz im Thale
Einst mit den Göttern und dem All verband!

Ihn rührte nicht mehr das geweihte Schäumen,
Das aus der Scholle rings den Lenz gebar;
Ein Fremdling schritt er in entseelten Räumen
Und fühlte nicht mehr, daß sein Herz den

Bäumen,

Den Kindern, Thieren einst verschwistert war.

Das große Staunen, das ihn einst bezwungen,
Als seine Seele mit den Kindern litt,

Seit jener Stunde war es stumm verklungen,
Die Bäume schwiegen, die ihm einst gesungen,
Die Thicre miede» seinen kalte» Schritt.

Der Götter Athen,, der ihn einst umfangen,
Als er noch Pfade zu de» Müttern fand,

Blieb nun verweht in alten Wipfeln hange»;
Er aber siechte mit verhärmten Wangen
Und welkem Herzen, bis es träge stand.

Im letzten Frösteln aber rief er leise
Ein Vöglein an, das ihm von Liebe sang:
Dank, Vöglein, Dank für Aphroditens Weise,
Ich lebte nicht der schönen Frau zum Preise,
Da fror im Herze» mir der weiche Klang.

Nehmt meinen Leib, gebt ihn dem Flammc»-

meere,

Das schönste Mädchen schichte Scheit auf

Scheit!

Zur Sühne sei'ö! Denn ich vergaß die Lehre,
Die göttliche, daß uns vom Geist der

Schwere

Nur sanfter Frauen edle Hnld befreit!

Ja, sie bestügeln unser armes Leben,

Ihr Hauch gibt Schwingen, gibt uns Takt

und Schall!

Sie bringen »ns ein Auf- und Niederschweben,
Ein feines Klingen und ein leises Beben..
Denn Frauen sind wie Melodie im All!

* *

*

Die Schauer schwanden. Es begann zu tagen.
Das Spiel verhuschte, als der Morgen kam,
Und Aphrodite auf bereiftem Wagen,

Von Nosendust und blauem Thau getragen,
Zum zweiten Male mich beim Arme nahm.

Die sanfte Welt — sprach |te madonnenmilde —
Hat Dein Gelöbniß wie ein Fluch entweiht.
Doch sahst Du jetzt im nächtlichen Gefilde
Ein drohend Schicksal wie im Spiegelbilde ..
Bist Du vom Geist der Schwere nun befreit '<

Ich schwieg .. und schwieg .. und bin in's

Knie gesunken

Und weinend, weinend sah ich Venus an.

Das war ein Knistern wie von tausend Funken..
Der Himmel schien von gelbem Weine trunken —
Und düftestreueud flog sie leis hinan.

Gerälk-Sprücbe

An einen Springbrunnen

Was ewig floß zu Thale nur,

Nach oben hüpfet es munter,

Der Mensch besiegte die Natur! —
Daun fällt es wieder herunter.

An einen Geldschrank

Pumpst Du Deinen, Freunde Geld,

Wist Du um Geld oder Freund geprellt.

Walter Harlan

Ueberglanzte Nacht

Der Himmel, dran die blanken Sterne

hängen,

Hat seine Fernen machtvoll anögespannt
Und nachtverhüllte Blüte» übersprengen
Mit heißen Düften das verklärte Land.

Die Welt hat sich ihr Brautkleid

unigehangen

Und ruht in reifer Erntepracht verschönt,
Ein blondes Kind, das sacht mit

Silberspangen
Die Nacht zum Feste der Erfüllung krönt.

Und -jedes Herz muß diesen Segen spüren
Und alle Wege, die noch irre gehn,

Die werden nun zu jenen Pforten führen,
Die vor den Landen der Verheißung stehn.

Stefan Zweig

8r

A. Weisgerber (München)
Register
Anton Lindner: Das Gelöbniß
Albert Weisgerber: Zierleisten
Walter Harlan: Geräth-Sprüche
Stefan Zweig: Überglänzte Nacht
 
Annotationen